Arbeitgeber-Bewertungsportale wie Kununu oder Glassdoor gehören heutzutage für viele zur Jobsuche dazu. Die Beurteilungen auf diesen Portalen erfolgen anonym und fallen nicht immer lobend oder sachlich aus, sondern können bisweilen auch mal deutlich unter die Gürtellinie gehen. Wie Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen richtig und rechtssicher mit solchen negativen Kritiken umgehen, das erklärt der Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Dr. Jonas Kahl, im Interview mit praktischArzt.
Herr Dr. Kahl, wie sind Sie als Rechtsanwalt dazu gekommen, sich mit Arbeitgeber-Bewertungsplattformen zu beschäftigen?
Ich bin Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und damit spezialisiert im juristischen Umgang mit kritischen und rechtswidrigen Äußerungen. Und solche rechtswidrigen Äußerungen gibt es heute eben nicht mehr nur in der klassischen Presse oder im Fernsehen, sondern auch im Internet. Und dort kann jedes Unternehmen und jedermann und damit auch jede/r Arzt/Ärztin davon betroffen sein. Nämlich wenn es darum geht, dass Ärzte/-innen kritisch bewertet werden, sei es von Patienten/-innen oder von Arbeitnehmern/-innen. Und an dieser Stelle kommen dann oftmals wir als Anwälte in Spiel, weil wir in der tagtäglichen Arbeit im Umgang mit kritischen Erfahrung branchen- und portalübergreifend Erfahrungen sammeln.
Das Internet ist allgemein ein Ort, an dem häufig auch teils unsachliche bzw. derbe Kritik geäußert wird. Können Arbeitgeber/innen denn jede Form von negativer Kritik löschen lassen?
Nein, jede Form von Kritik kann man nicht löschen lassen. In Deutschland gilt grundsätzlich die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Grundgesetz. Das heißt es steht jedermann frei, jederzeit seine Meinung und damit auch seine Kritik über ein Unternehmen oder bspw. einen Arzt oder eine Ärztin äußern zu dürfen. Das darf man auch im Internet und das darf man sogar auch anonym. Aber auch die Meinungsfreiheit hat gewisse Grenzen..
Können Sie uns einen Überblick darüber geben, gegen welche Art von Kritik Arbeitgeber/innen vorgehen können und welche sie hinnehmen müssen?
Wie gesagt, zunächst ermöglicht es die Meinungsfreiheit auch, sich durchaus kritisch mit einem Arbeitgeber und einem Unternehmen auseinanderzusetzen. Die Grenze zum rechtswidrigen beginnt allerdings dort, wo es nicht bei normaler Kritik bleibt, sondern wo damit Beleidigungen und andere Herabsetzungen verbunden sind. Sowas ist verboten. Zudem muss man sich anschauen, welche Art von Tatsachen in den geschilderten Sachverhalten enthalten sind. Hier unterscheidet man zwischen wahren Tatsachenbehauptungen und unwahren Tatsachenbehauptungen. Sind unwahre Tatsachen, also kurz gesagt Lügen, in einer Bewertung enthalten, so kann man ebenso gegen die Bewertung vorgehen.
Wie sollten Arbeitgeber/innen vorgehen, die rechtlich gegen eine negative Bewertung vorgehen möchten?
Da Bewertungen anonym möglich sind, wird man in den aller wenigsten Fällen wissen, wer konkret eine bestimmte Bewertung geschrieben hat. Deshalb läuft es häufig so, dass man nicht gegen den Autoren/die Autorin selbst, sondern gegen die Bewertungsplattform vorgehen kann. Hier sollte man vorab prüfen, was genau an einer kritischen Bewertung rechtsverletzend sein könnte und hier gegebenenfalls juristischen Sachverstand hinzuziehen. Anschließend kann man sich mit einer Stellungnahme an die Plattform wenden und um Löschung bitten. Dadurch wird ein von mir gerne „Ping-Pong-Spiel“ genanntes Verfahren zwischen Bewertetem und Autor/in in Gang gesetzt und die Plattform bittet beide Seiten um Schilderung ihrer Sichtweise.
Wer trägt in einem solchen Verfahren die anfallenden Kosten?
Kann man gegen den Autoren/die Autorin selbst vorgehen, bestehen gute Chancen, dass er/sie die Kosten tragen muss. Wenn man hingegen nur die Bewertungsplattform in Kenntnis setzen kann, dann spricht viel dafür, dass die Kosten beim Arbeitgeber hängen bleiben. Aber das ist im Zweifel immer noch der kleinere Schaden als ein nachhaltiger und langfristiger Reputatonsverlust.
Jetzt werden im Gesundheitswesen nicht nur Firmen oder Krankenhäuser als Arbeitgeber bewertet, sondern z.B. auch Arztpraxen. Häufig stehen die führenden Ärztinnen und Ärzte sogar mit ihrem Namen für die Praxis ein und ernten dadurch direkte Kritik. Unterscheidet sich ihre Vorgehensweise von denen größerer, möglicherweise anonymerer Arbeitgeber/innen?
Nein, die konkrete juristische Vorgehensweise ist immer die gleiche. Aber was an Sachverhalten von betroffenen Ärztinnen und Ärzten auffällt, ist, dass diese bei negativen Bewertungen oftmals mit ihrem persönlichen Namen einstehen, weil die Praxis nach ihnen benannt ist. Das macht die Rufschädigung und den Reputationsverlust durch eine negative Bewertung in solchen Fällen noch einmal größer als in Fällen, in welchen ein Unternehmen XY negativ bewertet wird, ohne dass eine konkrete Person oder ein/e Mitarbeiter/in namentlich benannt wird. Aufgrund dieses Reputationsschadens sind Ärzte/-innen, die von negativen Bewertungen betroffen sind, häufiger als andere bereit, juristisch dagegen vorzugehen, um den Schaden zu minimieren.
Was sind, Ihrer Erfahrung nach, die häufigsten Fehler im Umgang mit negativer Kritik auf Arbeitgeber-Bewertungsplattformen?
Ein Fehler ist es sicherlich, wenn man klar rechtswidrige Bewertungen im Netz stehen lässt und nichts dagegen unternimmt. Denn dann erleidet man einen Reputationsschaden, der eigentlich nicht sein müsste. Zudem erleben wir es häufig, dass Unternehmen und Ärzte/-innen zunächst meinen, solche Probleme selbst lösen zu können und sich erst selbst an die Plattform wenden und dabei erfolglos bleiben. Wenn sie dann doch noch zu uns kommen, ist oft schon wertvolle Zeit verloren gegangen, die man für ein gerichtliches Eilverfahren hätte nutzen können. Man sollte solche Themen nicht auf die lange Bank schieben. Zeit ist, wie immer, wenn es um die eigene Reputation geht, auch hier ein wichtiger Faktor.
Welche Ratschläge geben Sie Arbeitgebern/-innen im Gesundheitswesen mit auf den Weg, um in Zukunft die Gefahren rechtlicher Auseinandersetzungen möglichst zu minimieren?
Der naheliegendste Ratschlag wäre sicherlich, dass die Unternehmen sich bemühen sollten, keinen Anlass zu geben, damit Arbeitnehmer oder Kunden sie negativ zu bewerten. Aber so einfach ist die Welt halt leider nicht. Die Gründe für negative Bewertungen sind vielschichtig. Wenn man weiß, von wem eine negative Bewertung stammt, kann es sicherlich Sinn machen, zunächst das Gespräch zu suchen. Hat man hingegen keinen Anhaltspunkt, muss man sich für eine Auseinandersetzung mit dem Bewertungsportal wappnen.
Dazu zählt, Argumente sammeln, warum man meint, dass bestimmte Inhalte einer Bewertung rechtswidrig sind und diese dann entsprechend aufbereitet dem Portal zukommen zu lassen und dann juristische Überzeugungsarbeit leisten. Die Plattform übermittelt dann die jeweiligen Stellungnahmen des Bewerters und des Bewerteten und trifft letztlich eine Entscheidung, wie mit der Bewertung umgegangen wird. Sollte die Plattform sich nicht für eine Löschung entscheiden, bleibt den Betroffenen immer noch der Gang vor ein staatliches Gericht. Im Zweifelsfall sprechen die Gerichte dann das letzte Wort.
Zur Person
Dr. Jonas Kahl ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht im Leipziger Büro der Kanzlei Spirit Legal. Er berät Unternehmen, Journalisten und Fotografen im Medien-, Urheber- und Wettbewerbsrecht. Im Zusammenhang mit negativen Bewertungen setzt er sich tagtäglich für die Reputation und den guten Ruf seiner Mandanten/-innen ein.