Gerade in den Krankenhäusern klagen viele Ärzte/-innen über eine hohe Arbeitsbelastung und gleichzeitig eine schlechte Arbeitsumgebung. Ein zunehmendes Problem für Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen. Wie diese die Arbeitsumgebung verbessern können und dabei ein besseres Bewusstsein bezüglich Führungskultur und mentaler Gesundheit schaffen, zeigt Ute Zander-Schreindorfer, Psychologin, Mediatorin und Ärzte-Trainerin, im Interview mit praktischArzt auf.
Viele Ärzte/-innen klagen über eine schlechte Arbeitsatmosphäre im Klinikalltag. Können Sie für uns zusammenfassen, welche Faktoren als besonders belastend empfunden werden?
Die Ärzte/-innen, die zu mir in die Beratung kommen oder an meinen Seminaren teilnehmen, nennen viele Belastungsfaktoren. Häufig wird dann ein schlechtes Klima in Betrieb oder im Team genannt, aber auch Abstimmungsprozesse und die Arbeitsbelastung an sich sind häufig Thema. Das hängt auch davon ab, auf welcher Ebene die Betroffenen tätig sind. So gibt es beispielswese Unterschiede zwischen Assistenzärzten/-innen, Ober- oder Chefärzten/-innen.
Sind sich die Arbeitgeber/innen, ihrer Meinung, darüber im Klaren, wie angespannt die Lage mitunter ist?
Das ist eine spannende Frage, die ich mir selbst schon oft gestellt habe. Mein Eindruck, wenn ich vor Ort in den Einrichtungen bin, ist unterschiedlich. Ich denke, dass es gerade im Gesundheitswesen häufig an Sensibilität für Führungskräftekultur und der Kultur des Zusammenarbeitens fehlt. Es wirkt auf mich so, als läge der Fokus im Krankenhausmanagement vor allem auf Management – sprich der Organisation, Effizienz und Aufgabenverteilung. Ein anderer wichtiger Aspekt kommt oft zu kurz: Leadership – also das Führen und Managen der Mitarbeiter/innen.
Welche Faktoren können Arbeitgeber/innen denn ins Auge fassen, wenn sie die Arbeitsumgebung für ihre Angestellten verbessern möchten?
Da gibt es einige einfache, aber wirkungsvolle Faktoren, an welchen Arbeitgeber/innen ansetzen könne, wenn sie das Wohlbefinden der Mitarbeiter/innen verbessern wollen.
Motivation ist dabei weniger ein Thema – gerade in Bezug auf Ärzte/-innen. Die haben eine sehr lange Ausbildung hinter sich und bringen daher in der Regel von selbst das nötige Maß an Motivation mit in den Arbeitsalltag. Hier sollten Arbeitgeber/innen eher sicherstellen, dass diese Motivation nicht verloren geht.
Ein Punkt ist die Partizipation – also die Beteiligung der Mitarbeitenden. Je mehr in einer Abteilung autoritär von oben nach unten durchregiert wird, desto schlechter ist das für das Arbeitsklima. Das ist eine veraltete Art der Führung und passt nicht mehr zum modernen Selbstverständnis. Partizipation heißt nicht, dass Entscheidungen auch immer so getroffen werden müssen, wie die Angestellten es wünschen, aber eingebunden wollen sie sich fühlen. Menschen sind besonders leistungsmotiviert, wenn sie sich eingebunden fühlen.
Wichtig sind auch die Rolle und Vorbildfunktion der Führungskraft. Nicht nur bei der Lösung von Konflikten kann diese Vorbild sein, generell haben Führungskräfte die Möglichkeit, die Stimmung im Team zu prägen und mitzugestalten.
Welche Schritte wären nötig, um eine bessere Feedback- und Führungskultur im eigenen Krankenhaus zu verankern?
Erstmal sollten sich die Führungskräfte selbst analysieren, reflektieren und schließlich fragen: „Was will ich für eine Führungspersönlichkeit sein?“ und „Was sind meine Stärken und Schwächen?“ Sich selbst zu kennen ist eine gute Vorbereitung auf die Führung von Mitarbeitern/-innen.
Im zweiten Schritt geht es darum, echtes Interesse zu zeigen und in Gesprächen mit den Mitarbeitenden deren Stärken und Schwächen ebenso herauszufinden, wie deren Ideen, was man in Zukunft verbessern könnte. Wichtig ist aber auch, zu vermitteln, was einem selbst wichtig ist, so dass die gegenseitigen Erwartungen und Ziele geklärt sind.
Im dritten Schritt ist Raum für konstruktives Feedback – in beide Richtungen. Lebt die Führungskraft eine offene und ehrliche Kultur vor, wird sich dies mittelfristig auch auf die Angestellten übertragen und zur gegenseitigen Offenheit beiträgt.
Wie könnte man vorgehen, um sowohl bei den Arbeitgebern/-innen als auch in der Belegschaft ein verbessertes Bewusstsein für Burn-out und Mobbing zu schaffen?
Kurz gesagt: Ein gesundheitsorientierter Führungsstil führt dazu, die Mitarbeitenden dafür zu sensibilisieren. Führungskräfte sollten selbst Vorbilder sein. Häufig neigen Ärzte/-innen dazu, sich selbst auszubeuten und sind damit schlechte Vorbilder für ihre Kollegen/-innen. Da kann es helfen, sich über die eigene Haltung bewusst zu werden und ein gesundheitsorientiertes Mindset vorzuleben. Dazu zählt dann auch, Grenzen zu vermitteln – gerade gegenüber den jüngeren Kollegen/-innen. Zusätzlich kann man Themen, wie Belastungsgrenzen und den offenen Umgang mit Erschöpfung, auch in Mitarbeitergesprächen thematisieren. Das fördert eine gesunde Einstellung zu diesen Themengebieten.
Zur Person:
Ute Zander-Schreindorfer ist Diplom-Psychologin, Systemische Therapeutin, Mediatorin (BM), Hypnotherapeutin (MEG) und Lehrsupervisorin. Sie arbeitet als Ärztetrainerin, Gesundheitscoach und Organisationsentwicklerin (zur Website).