Chefärztinnen und -ärzte sind die Tonangeber im Klinikalltag. Sie führen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, organisieren Behandlungspfade und steuern das Budget in ihrem Bereich. Chefärzte sorgen aber auch für Kapazitätsauslastung, beteiligen sich an Strategieentwicklung, Umsetzungskontrolle und vielem mehr. Sie sind nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sondern auch Führungskräfte und Manager. Das erfolgreiche Nachbesetzen vakanter Chefarztpositionen wird jedoch aktuell immer schwieriger, da der Nachwuchs fehlt, was wiederum daran liegt, dass sich viele angehende Chefärztinnen und Chefärzte dem enormen Stress und Leistungsdruck nicht mehr unterwerfen wollen. Eine Alternative zu dieser traditionell hierarchischen Führung können daher Teamleitungen sein. Kollegiale Teams sind in anderen europäischen Ländern bereits erfolgreich neben den klassischen Chefarztmodellen etabliert.
Hierbei übernimmt nicht eine Chefärztin oder ein Chefarzt alle Aufgaben, sondern ein Team von Ärztinnen und Ärzten gemeinsam. Dieses Führungsteam verteilt die Führungsaufgaben gleichberechtigt auf alle Ärztinnen und Ärzte im Team, entweder im Rotationsprinzip oder auf Dauer interessenorientiert. Die einzelnen Teamplayer sind alle gleichberechtigt und organisieren sich selbst anhand einer gemeinsam ausgearbeiteten Teamsatzung. Dieses Modell bietet nicht nur neuen Spielraum für die Führung, sondern auch für die Vertragsgestaltung.
Chefarzt-System mit Ablaufdatum?
Manche Krankenhausleitung sieht das gegenwärtige Chefarzt-System als ein strukturelles Problem im Medizinbetrieb. Obwohl natürlich viele Chefärztinnen und Chefärzte sowohl in fachlicher als auch menschlicher Hinsicht Vorbilder sind und ihr Team mit Fingerspitzengefühl und Wertschätzung leiten, gibt es, wie überall, „schwarze Schafe“, welche die gegenwärtige Machfülle eines Chefarztpostens entweder missbrauchen oder damit psychisch überfordert sind.
Insbesondere an Universitäts- und Großkliniken sind die innerärztlichen Verhältnisse sowohl für die Chefärztinnen und Chefärzte als auch für deren Teammitglieder extrem belastend. Viel zu oft ist leider eine schamlose Ausbeutung von jungen Assistenzärztinnen und -ärzten an der Tagesordnung sowie eine sogenannte „negative Auslese“: Oftmals machen hierdurch diejenigen Ärztinnen und Ärzte Karriere, die weniger durch eigenes Denken, sondern vielmehr durch eine Art „Kadavergehorsam“ auffallen und nie die Entscheidungen ihres leitenden Chefarztes hinterfragen. Dies führt wiederum dazu, dass viele Assistenzärzte so schnell wie möglich der Klinik entkommen und sich in ihrer eigenen Praxis niederlassen wollen, was wiederum zu Personalmangel in den Kliniken führt.
Auch medizinisch ist das aktuelle Chefarzt-Modell fragwürdig, denn dank des aktuellen Facharztkatalogs muss eine enorme Anzahl von operativen Eingriffen verschiedenster Fachgebiete nachgewiesen werden. Die Anstellungsverträge der Assistenzärztinnen und Assistenzärzte sind jedoch zeitlich befristet, was oftmals dazu führt, dass „wie im Akkord“ operiert wird, um so schnell wie möglich die notwendige Anzahl von Operationen zu absolvieren. Dies führt wiederum dazu, dass in Deutschland in manchen Medizinbereichen bis zu doppelt so viel operiert wird wie in vergleichbaren Industrieländern, was wiederum die Krankenkassen und das Gesundheitssystem belastet und schlussendlich auch nicht unbedingt im Sinne der Patientinnen und Patienten ist.
Einführung eines kollegialen Teams
Die Motivation, ein Team-Chefarztmodell zu etablieren, entsteht meist aufgrund medizinstrategischer und ökonomischer Gründe, z.B. aufgrund der Größe der medizinischen Schwerpunktbereiche, der Sicherstellung der Weiterbildung oder der Bildung eines gemeinsamen Assistenzarztpools zur Dienstabsicherung. Meist sind es sogar die überarbeiteten Chefärztinnen und Chefärzte selbst, die auf diese Art und Weise Entlastung anstreben und daher von sich auch ein kollegiales Führungsteam anregen.
Es gibt viele Gelegenheiten für die Ersteinführung eines kollegialen Chefarztteams im Krankenhaus, z.B. wenn ein Chefarztwechsel bevorsteht. In diesem Fall können entweder Einzelne die Initiative ergreifen und dem Krankenhausträger diese Alternative zur Neubesetzung der vakanten Chefarztposition vorschlagen, oder das gesamte Fach- und Oberarztteam tritt geschlossen mit diesem Wunsch an die Verwaltung heran. Auch wenn das Besetzen einer Chefarztvakanz nicht erfolgreich war, lohnt sich dieser Vorschlag, vor allem um nachgeordnete Ärztinnen und Ärzte, die sich vielleicht übergangen fühlen und nun nach einer anderen Klinik umsehen, in der Klinik zu halten. Die Krankenhausverwaltung kann auf diese Weise ein hausinternes Fachärzteteam installieren, das man ggf. durch extern hinzu gewonnene Fachärztinnen und Fachärzte ergänzen kann.
Wer ist für das kollegiale Team geeignet?
Die Arbeit in einem kollegialen Team ist grundsätzlich für diejenigen Ärztinnen und Ärzte geeignet, die
- Einfluss nehmen und Weichen für die Zukunft stellen wollen, aber die Belastung der alleinigen Führungsverantwortung fürchten,
- gut im Team arbeiten und lieber auf gleicher Ebene diskutieren als Anweisungen geben wollen,
- die ausgewogene Balance zwischen Privatleben und Beruf schätzen und
- Sicherheit schätzen und lieber Team- statt Einzelentscheidungen treffen.
Vorteile für Arbeitgeber und Teamärzte
Ein kollegiales Team bietet gleichermaßen Vorteile für Krankenhausträger als auch Teamärzte.
Krankenhäuser stellen auf diese Weise nicht nur die qualitativ hochwertige Patientenversorgung sicher, sondern gewinnen auch im Ansehen als moderner Arbeitgeber, bei dem man sich gerne bewirbt. Das kollegiale Team ist ein Zukunftsmodell, mit dem man derzeit auf dem Arbeitsmarkt positiv auffällt und dasjenige Personal anzieht, welches mit einem hohen Maß an Zukunftsorientierung an den Medizinberuf herantritt. Durch viele Stimmen im Team wird auch eine bessere Entscheidungsqualität erreicht sowie eine höhere Identifikation der Ärztinnen und Ärzte mit ihrer Klinik; gutes Personal ist somit eher zum Bleiben angereizt statt zum Karriere-Hopping in anderen Kliniken.
Junge Assistenzärztinnen und Assistenzärzte wiederum können in diesem Modell ihre Potenziale deutlich früher als im bisherigen Chefarztmodell entfalten, indem sie sich frühzeitig aktiv einbringen. Wer medizinische Vorschläge machen kann, die im Team Gehör finden und dann auch tatsächlich angewendet werden, findet auf diese Art und Weise nicht nur Anerkennung, sondern lernt außerdem deutlich schneller und ist mit viel mehr Freude bei der Arbeit. Die gemeinsame Verantwortungsübernahme stärkt außerdem das Team, die Kommunikation und die praktischen Kenntnisse junger Ärztinnen und Ärzte. Sie können sich frühzeitig in Leitungsfunktionen ausprobieren, gleichzeitig als Expertinnen und Experten medizinisch tätig bleiben, ihr medizinisches Wissen erweitern und müssen weniger administrative Aufgaben übernehmen.
Teamsatzung regelt verbindliche Absprachen
Ein funktionierendes kollegiales Team mit gemeinsamer Verantwortung und Entscheidungsfindung benötigt unbedingt eine tragfähige Teamsatzung, die von allen gemeinsam ausgearbeitet und unterschrieben werden sollte, damit alle am selben Strang ziehen. Diese Teamsatzung sollte alle verbindlichen Absprachen zwischen dem Führungsteam und dem Krankenhausträger regeln und mindestens die folgenden Punkte beinhalten:
- genaue Definition der Rollen und Rollenverteilung in dauerhaft oder befristet (sprich: Rotation),
- „Primus inter Pares“ (Erster unter Gleichen) als Vertreter der Abteilung mit dauerhafter oder befristeter Ausprägung (sprich Rotation),
- Vertretungsregelungen,
- genaue Organisation der Entscheidungsfindung,
- Ausmaß der Stimmrechte und Vermeidung von Patt-Situationen,
- Regularien zur Patienten- und Ressourcenzuordnung, Verantwortlichkeiten, organisatorische und disziplinarische Kompetenzen,
- persönlicher und fachlicher Umgang mit austretenden und eintretenden Teammitgliedern,
- Kommunikation und Information bei An- und Abwesenheit (regelmäßige Teamsitzungen, tägliche Stand-up-Meetings),
- Modelle zur Konfliktlösung und
- finanzieller Ausgleich bzw. Beteiligungsvergütung.
Weitere Punkte können und sollten je nach Fachgebiet und Klinik ausgearbeitet und hinzugefügt werden. Sollen z.B. manche Assistenzärztinnen und Assistenzärzte verstärkt in einem speziellen medizinischen Bereich eingesetzt werden? Gibt es vornehmliche Eigenheiten in der Klinik, denen man Rechnung tragen muss?
Das Team sollte innerhalb der ersten 100 Tage des Teambestehens gemeinsam mit dem Krankenhausträger klären, was dienstvertraglich oder per Teamsatzung (die schriftlich als Dienstvertragsbestandteil aufzunehmen ist) vereinbart wird. Anders als beim Chefarztmodell ist beim kollegialen Führungsteam ein Dienstvertrag als Leitender Arzt oder Leitende Ärztin mit Tarifbezug ratsam. Außerdem ist es sinnvoll, sich rechtlich über die geteilte Verantwortung beraten zu lassen und den Versicherer der Klinik von Anfang an in den Planungs- und Ausgestaltungsprozess mit einzubeziehen, denn die geteilte Verantwortung muss auch versicherungstechnisch und vertraglich geregelt sein.
Passende Chefarzt-Kandidaten finden
Egal, ob Sie das klassische Chefarzt- oder eher das Team-Modell bevorzugen, Ihre vakanten Chefarzt-Stellen können Sie bei praktischArzt ausschreiben. Senden Sie uns Ihre Stellenausschreibungen einfach per E-Mail: stellenanzeigen@praktischArzt.de. Alle Informationen erhalten Arbeitgeber hier!