Bei der Existenzgründung scheuen Ärztinnen die Kooperation häufiger als männliche Kollegen und gründen lieber Einzelpraxen, zeigt eine aktuelle Analyse. Welche Gründe gibt es dafür?
Analyse zeigt geschlechterspezifischen Unterschied bei der Existenzgründung
Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (apoBank) und das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (Zi) haben gemeinsam Daten zur ärztlichen Existenzgründung aus den Jahren 2019 und 2020 ausgewertet. Die Stichprobe umfasste 3.100 Existenzgründungen, bei denen 2.265 fachliche und 835 hausärztliche Praxen enthalten waren.
Die Analyse zeigt, dass Praxisgründerinnen eher Einzelpraxen gründen als männliche Kollegen. Insgesamt zwei Drittel der Ärztinnen wagten den Schritt in die Selbstständigkeit mit einer Einzelpraxis. Bei den Ärzten lag die Zahl mit 55 Prozent deutlich niedriger. Demnach gehen Ärzte häufiger Kooperationen ein und gründen Gemeinschaftspraxen.
Auch bei den Anfangsinvestitionen zeigen die Daten einen Unterschied. Schaut man sich die Investitionsbereitschaft von Hausärztinnen und Hausärzten an, wird klar, dass Ärztinnen zurückhaltender investieren. Bei der Übernahme oder Gründung einer Einzelpraxis geben sie im Durchschnitt 159.900 Euro aus, schreibt die apoBank. Hausärzte lassen sich die eigene Praxis rund 23.000 Euro mehr kosten. Wenn sie gründen oder eine bestehende Praxis übernehmen, wechseln durchschnittlich 182.600 Euro den Besitzer.
Insgesamt gründen jedoch mehr Frauen als Männer. Die Zahl der ärztlichen Existenzgründerinnen hält sich seit einigen Jahren stabil bei rund 60 Prozent. Damit ist der Unterschied zu Studentinnen, die im Medizinstudium 63 Prozent ausmachen, nicht sehr groß. Die Selbstständigkeit ist somit für Ärztinnen eine attraktive Option.
Praxis gründen: gemeinsam oder allein?
Als Arzt oder Ärztin kann man sich allein niederlassen oder eine Praxis mit Kolleginnen bzw. Kollegen gründen. Beide Varianten haben bestimmte Vor- und Nachteile.
Einzelpraxen: keine Kompromisse
Bei der Einzelpraxis ist man selbst Chefin oder Chef und kann alles selbst entscheiden, ohne andere Meinungen einbeziehen zu müssen. Ob das Behandlungskonzept, die Gestaltung der Praxisräume, das angestellte Personal oder die Öffnungszeiten, man hat die volle Entscheidungsfreiheit. Die eigenen Visionen lassen sich ohne Abstriche realisieren.
Gleichzeitig lastet die gesamte Verantwortung auf den eigenen Schultern. Sei es hinsichtlich der Finanzen oder des Personals. Ein weiteres Manko bei Einzelpraxen: Der fachliche Austausch mit Kolleginnen oder Kollegen ist nicht oder kaum gegeben. Dieser Punkt lässt sich jedoch abmildern, wenn die Praxis gut läuft. Dann kann eine weitere Ärztin oder ein weiterer Arzt angestellt werden.
Gemeinschaftspraxen: Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen
Das landläufig als Gemeinschaftspraxis bezeichnete Praxismodell heißt offiziell Berufsausübungsgemeinschaft (BAG). In einer BAG teilen sich zwei oder mehr Ärztinnen oder Ärzte Praxisräume, Praxiseinrichtung, Personal und Patientenstamm. Kosten und Risiko sind auf mehrere Köpfe verteilt. Das Leistungsangebot ist durch mehrere Ärzte potenziell breiter. Der fachliche Austausch bei komplexen Fällen oder gegenseitiges Vertreten bei Ausfall sind möglich.
Andererseits sind alle gleichberechtigt, wenn es um wichtige Entscheidungen geht. Sei es hinsichtlich der Praxisorganisation, der Investitionen in neue Geräte oder das Marketing. Alleingänge sind nicht möglich und Kompromissbereitschaft nötig. Zudem haftet man in einer Gemeinschaftspraxis gemeinsam. Eine spätere Auslösung der gemeinsamen Praxis ist kosten- und zeitintensiv.
Einzelpraxis oder Gemeinschaftspraxi: Eine Gender- oder Typfrage?
Allein oder gemeinsam, jede der Niederlassungsformen hat Vor- und Nachteile. Diese spielen sicherlich eine Rolle dabei, dass ein Großteil der Ärztinnen die Einzelpraxis wählt. Kooperation oder volle Verantwortung tragen, für beides muss man der Typ sein. Darüber hinaus gibt es einen weiteren wichtigen Grund, warum Frauen sich häufiger gegen die klassische Kooperation zu entscheiden scheinen. In den bei Ärztinnen besonders populären Fachgebieten wie Gynäkologie, Psychiatrie und Psychologie ist die Einzelpraxis die gängigere Form. Gemeinschaftspraxen sind weniger typisch. Anders sieht es in den bei Männern beliebten Fachgebieten wie Chirurgie oder Orthopädie aus. In den medizintechnisch geprägten Fachbereichen sind Einzelniederlassungen seltener und gemeinsame Praxen populärer.
Damit wirken mehrere Faktoren darauf ein, dass Frauen häufiger die Einzelniederlassung wählen und viele Einzelpraxen in Frauenhand sind.