In Deutschland existiert keine grundsätzliche ärztliche Behandlungspflicht. Daher kann es durchaus vorkommen, dass ein Patient von einem Arzt abgewiesen und die Behandlung verweigert wird. Eine Ausnahme besteht unter anderem, wenn ein Notfall vorliegt. Was können Patienten tun, wenn eine Behandlung abgelehnt wird?
Inhalt
- Dienstvertrag: Behandlungspflicht
- Existiert in Deutschland eine grundsätzliche ärztliche Behandlungspflicht?
- Wann dürfen Ärzte eine Behandlung verweigern?
Dienstvertrag: Behandlungspflicht
Die ärztliche Behandlung beruht auf ein gegenseitiges Vertrauen und ist im Hinblick auf das Vertragsverhältnis zwischen Patienten und Ärzten von entscheidender Rolle. Als behandelnder Arzt wird ein hohes Maß an Verantwortung und Pflichtbewusstsein für das Wohl der Patienten vorausgesetzt. Der Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient ist in Paragraph 630 a BGB als besonderer Dienstvertrag geregelt:
„Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist.“
Dessen Inkrafttreten beruht auf allgemein zivilrechtlichen Regeln. Auch hierbei gelten die Vertragsautonomie sowie die Abschlussfreiheit, sodass ein Patient laut Paragraph 76 SGB V (Fünftes Buch Sozialgesetzbuch) einen Arzt seiner Wahl konsultieren darf. Dieselbe Wahlfreiheit trifft für die Ärzteschaft nur bedingt unter bestimmten Bedingungen zu. Kommt ein Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient allerdings zustande, sprich stimmen beide Parteien einer Behandlung zu, ist der Arzt an und für sich verpflichtet, die Behandlung auch durchzuführen.
Existiert in Deutschland eine grundsätzliche ärztliche Behandlungspflicht?
Eine grundsätzliche ärztliche Behandlungspflicht liegt laut Medizinrecht nicht vor. Das bedeutet, dass ein Arzt prinzipiell nicht verpflichtet ist, eine Behandlung durchzuführen. Nur wenn beide Parteien – Arzt und Patient – einen Behandlungsvertrag bejahen, kann eine Behandlung vollzogen werden. Sofern eine Notfallsituation vorliegt, besteht selbstverständlich ärztliche Behandlungspflicht und der Patient darf nicht abgelehnt werden.
Wann dürfen Ärzte eine Behandlung verweigern?
Paragraph 76 SGB V (Fünftes Buch Sozialgesetzbuch) zufolge hat ein Patient freie Auswahl, von welchem Arzt er sich behandeln lassen möchte. Diese Wahlfreiheit trifft nicht nur auf Patienten zu. In den folgenden genannten Fällen dürfen auch Ärzte von der Wahlfreiheit Gebrauch machen bzw. Patienten ablehnen.
Privat abrechnende Ärzte vs. Kassenärzte
Privat abrechnende Ärzte profitieren von der Wahlfreiheit und können Patienten ablehnen – dies ist in Paragraph 7 Abs. 2 Satz 2 MBO-Ä geregelt. Wichtig zu erwähnen sei hierbei: Es darf keine Notfallsituation vorliegen. Durch die Ablehnung des Patienten in einer Notfallsituation ist nämlich von einem Verstoß der Berufspflicht des Arztes auszugehen, weshalb disziplinargerichtlich vorgegangen werden kann. Bei einer nicht-bestehenden Notfallsituation gilt: Ein privat abrechnender Arzt ist prinzipiell nicht verpflichtet, die Gründe für eine Ablehnung eines Patienten zu nennen, trotz allem ist es ratsam, Gründe hierfür aufführen zu können, damit dem privat abrechnenden Arzt keine diskriminierende Behandlungsverweigerung unterstellt werden könne.
Sofern von einer langjährigen Behandlungsdauer zwischen privat abrechnendem Arzt und Patienten auszugehen ist und diesbezüglich ein langes Arzt-Patienten-Verhältnis besteht, sollte der privat abrechnende Arzt ebenfalls nur in Ausnahmefällen eine Behandlung verweigern. Im Gegensatz zu privat abrechnenden Ärzten unterliegen Vertragsärzte, sogenannte Kassenärzte, einer ärztlichen Behandlungspflicht und müssen ihre gesetzlich versicherten Patienten behandeln und für das Patientenwohl sorgen. Aber auch hier können sich Ausnahmen ergeben. Es gibt Situationen, in denen auch Vertragsärzte von der ärztlichen Behandlungspflicht befreit werden.
Behandlungspflicht für Vertragsärzte: Wichtige Ablehnungsgründe
In folgenden Situationen können auch Kassenärzte Patienten ablehnen:
- begrenzte Kapazität/ Überschreitung der Behandlungskapazität: bei Überlastung des Arztes durch ein bereits hohes Patientenaufkommen, dürfen neu dazu gekommene Patienten, die die Arztpraxis aufgesucht haben, abgelehnt werden
- mangelndes bzw. nicht ausreichendes Fachwissen: wenn ein Arzt nicht über das für die Behandlung notwendige Fachwissen verfügt, darf der jeweilige Patient abgelehnt und an einen Facharzt verwiesen werden (zum Beispiel: ein Allgemeinmediziner verweist auf einen Facharzt für Dermatologie)
- mangelndes bzw. nicht (mehr) vorhandenes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient: Die Behandlung eines Patienten kann verweigert werden, wenn der Patient in der Vergangenheit zum Beispiel:
- ärztliche Anordnungen missachtet hat
- den Arzt beleidigt hat
- den Arzt bedroht hat
- von dem Arzt eine sittenwidrige Tätigkeit verlangt hat
- keine medizinische Indikation für Behandlungsmethoden: Sofern der Patient Behandlungsmethoden verlangt, die medizinisch nicht indiziert und unwirtschaftlich sind, entfällt für den Arzt auch in diesem Fall die Behandlungspflicht. Auch darf der Arzt eine Behandlung verweigern, wenn Sterbehilfe verlangt oder ein Schwangerschaftsabbruch ohne medizinische Indikation, gewünscht wird
- fehlendes Vorlegen der elektronischen Gesundheitskarte: Gemäß Paragraph 13 Absatz 7 des Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) kann eine Behandlung prinzipiell auch aus folgendem Grund verweigert werden: „Der Vertragsarzt ist berechtigt, die Behandlung eines Versicherten, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, abzulehnen, wenn dieser nicht vor der Behandlung die elektronische Gesundheitskarte vorlegt“.
Dieser Ablehnungsgrund gilt nur, wenn kein Notfall vorliegt.
Notfallsituation: Ja oder Nein
Sofern eine akute Behandlungsbedürftigkeit vorliegt, dürfen sowohl privat abrechnende Ärzte als auch Vertragsärzte Patienten nicht ablehnen. Es besteht in jedem Fall ärztliche Behandlungspflicht. Lehnt der Arzt die Behandlung des Patienten ab, ist dies gemäß Paragraph 323c des Strafgesetzbuchs (StGB), Absatz 1, als unterlassene Hilfeleistung zu betrachten:
„Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft“.
Bei einem Verstoß gegen die Behandlungspflicht in einer Notfallsituation, kann der betroffene Patient Beschwerde einreichen, zum Beispiel bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung bzw. Ärztekammer. Darüber hinaus kann sich der Patient vor Einreichen der Beschwerde von einem Anwalt für Medizinrecht beraten und Informationen einholen lassen.
Notfallbehandlung: Ablehnung von Patienten?
Insbesondere in Notfallaufnahmen kann es zu einem hohen Andrang von Notfällen kommen. In diesem Fall können nicht alle Notfallpatienten gleichzeitig die erforderliche medizinische Hilfe erhalten, sodass Ärzte gezwungen werden, eine Behandlungspriorisierung vorzunehmen. Triage-Systeme kommen dann zum Einsatz, um nach Behandlungsdringlichkeit zu kategorisieren. Hierbei werden Patienten in Abhängigkeit der Krankheitsschwere behandelt. Weniger dringende medizinische Fälle werden zu einem späteren Zeitpunkt behandelt.
Fazit
In Notfallsituationen besteht stets ärztliche Behandlungspflicht – dies gilt sowohl für privat abrechnende Ärzte als auch für Vertragsärzte. Auch wenn privat abbuchende Ärzte im Gegensatz zu Vertragsärzten von einer Wahlfreiheit ihrer Patienten profitieren dürfen, sollte eine Ablehnung des Patienten gut überlegt sein, damit keine diskriminierende Behandlungsverweigerung unterstellt oder disziplinarrechtlich vorgegangen werden könne. In bestimmten Situationen werden Ablehnungsgründe berücksichtigt, wodurch die ärztliche Behandlungspflicht auch für Vertragsärzte entfallen kann.
Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Artikel die männliche Form (Arzt, Patient) gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben gleichermaßen für alle Geschlechter männlich, weiblich und divers (m/w/d).
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