Bewirbt man sich nach dem Studium um eine Assistenzarzt Stelle, merkt man sehr schnell, dass viele Kliniken händeringend nach Nachwuchsmedizinern suchen. Bewarb man sich noch vor einigen Jahren um eine Stelle als Assistenzarzt, konnte man bei der Vielzahl der Bewerber froh sein, überhaupt eine adäquate Anstellung zu bekommen. Heute hingegen kann sich der junge Mediziner die Klinik seiner Wahl aussuchen, denn der Ärztemangel ist allgegenwärtig.
Das Paradoxe ist jedoch: es gibt immer mehr Ärzte in Deutschland. Vor kurzem hat die Bundesärztekammer die Ärztestatistik 2013 veröffentlicht. Anhand dieser Statistik zeigt sich deutlich, dass es noch nie so viele Mediziner in Deutschland gab. Außerdem scheint die Zahl jährlich zu steigen, setzt sich der Trend der letzten Jahre fort.
Da stellt sich die Frage: Wie passt das mit dem Mangel an Ärzten zusammen?
Eine Erklärung dafür liefert der Präsident der BÄK Montgomery. Er weist darauf hin, dass eine Ärztegeneration heranwächst, die immer mehr Wert auf eine gute Work-Life-Balance legt:
„Junge Menschen mit einer hochqualifizierten Ausbildung sind zu Recht nicht mehr bereit, ihren Lebensstil, ihre Lebensqualität und ihre Arbeitnehmerrechte an den Pforten der Krankenhäuser und Arztpraxen abzugeben.“
Dazu kommt der stetig wachsende Anteil an Frauen, die sich als Ärzte approbieren. Zu der zunehmenden Zahl an in Teilzeit arbeitenden Ärztemüttern kommt ausserdem hinzu, dass sich immer mehr Ärzte älterer Generationen in den Ruhestand verabschieden.
Da zudem durch stetig steigende Lebenserwartung und immer ausgereiftere, aber auch aufwendigere Behandlungsmethoden die Anzahl der Behandlungsfälle in den letzten Jahren stark gestiegen ist, lässt sich das Paradoxon um den Ärztemangel erklären.
Als erste Maßnahme gegen den Ärztemangel sind laut Montgomery mehr Studienplätze in der Humanmedizin erforderlich. Diese sind jedoch teuer und werden wohl bei den teilweise sehr schlechten Haushaltslagen der Bundesländer nicht so schnell aufgestockt werden.
Daher bleibt wohl nur die Option, die Arbeitsbedingungen der Ärzte den geänderten Bedürfnissen anzupassen, um möglichst vielen Medizinern und Medizinerinnen eine Ausübung ihres Berufes zu ermöglichen. Dazu gehört der Abbau von Überstunden, mit Familie und Freizeit vereinbare Dienstmodelle, Angebote zur Kinderbetreuung und flexibel gestaltbare Arbeitszeiten.
Hier gibt es für Euch noch ein paar interessante Fakten aus der neuesten Ärztestatistik:
– Zwischen 2004 und 2012 stieg die Zahl der ambulanten Behandlungsfälle um 136 Millionen und die der stationären um 1,8 Millionen auf 18,6 Millionen.
– Im Jahr 2001 arbeiteten 31.000 Ärzte/-innen in Teilzeit, im Jahr 2011 54.000
– 2013 erhöhte sich der Zahl der Ärzte die in den Ruhestand gingen um 3,8% (2012 +2,6%)
– Die Ärztedichte ist in Hamburg am höchsten (151 Einwohner pro berufstätigem Arzt) und in Sachsen-Anhalt am niedrigsten (262 Einwohner pro berufstätigem Arzt)
– Von den Fachärzten sind die meisten Mediziner Internisten oder Allgemeinmediziner
– Die Anzahl der berufstätigen ausländischen Ärzte ist in den letzten 10 Jahren von 14.371 auf 31.236 gestiegen
Quelle: bundesaerztekammer.de
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