Insbesondere Ärzte haben ein hohes Risiko, an einer Sucht zu erkranken und weisen infolgedessen Substanzmissbrauch auf. Doch gibt es einen Unterschied zwischen Ärztegruppen? Und welche Risikofaktoren gibt es, die Mediziner in die Sucht treiben? Die Ärztekammer möchte suchtkranken Medizinern deswegen nun verstärkt unter die Arme greifen.
Psychische Erkrankungen bei Medizinern verbreitet
Dass Ärzte in zunehmendem Maß unter psychischen Krankheiten leiden, ist bereits bekannt. Demnach sind affektive Störungen, Angsterkrankungen oder Erkrankungen wie Burnout und Depressionen bei diesem Berufsstand besonders stark ausgeprägt.
Der Grund liegt mitunter in den vielen Überstunden, der generellen Arbeitsbelastung, dem Stress und dem stetig wachsenden Anteil bürokratischer Tätigkeiten, welche Mediziner auf die Psyche schlagen. Dies könnte mit dem Hang zur Abhängigkeit korrelieren.
Welche Ärzte sind von Substanzmissbrauch besonders betroffen?
Eine Online-Befragung, welche mit Ärzten und Ärztinnen durchgeführt wurde, deckt erschreckende Tatsachen auf: Bei 23 % der Teilnehmenden ermittelte die Umfrage einen riskanten Alkoholkonsum.
Während 18 % der männlichen Ärzte einen zu hohen Alkoholkonsum haben, trinken Ärztinnen deutlich weniger. Nach einem Poster einer Privatdozentin vom Universitätsklinikum Ulm heißt es des Weiteren, dass den höchsten Alkoholkonsum mit 18 % Zahnärzte aufweisen, während 12-14 % der anderen Fachärzte übermäßig viel Alkohol tranken.
In anderen Arbeiten schätzt man die Häufigkeit eines Alkoholmissbrauchs bis hin zur -abhängigkeit während der gesamten Berufstätigkeit über alle Arztgruppen hinweg auf bis zu 20 %. Immerhin rauchten jedoch nach einer Online-Umfrage in Sachsen und Brandenburg jährlich 14,3 % der Befragten aus unterschiedlichen Arztgruppen.
In der aktuellen Analyse gaben allerdings lediglich 7 % der teilnehmenden Ärzte an, nikotinabhängig zu sein. Darüber hinaus ist eine Medikamentenabhängigkeit weit verbreitet, ein Grund liegt vermutlich in der einfachen Verfügbarkeit der Medikamente.
Zahnmediziner verordnen sich selbst mit 4,3 % am meisten Sedativa, auf welche die anderen Fachgruppen kaum zurückgreifen. Im Gegensatz dazu nutzen Gynäkologen mit knapp 15 % vermehrt Schmerzmittel, Psychotherapeuten und Psychiater nehmen zu fast 7 % Analgetika ein. Genauso häufig erfolgt die Einnahme dieser Fachgruppe von Antidepressiva. Dieses Medikament nehmen wiederum andere Fachgruppen selten ein.
Risikofaktoren der Suchterkrankungen
Für hohen Alkoholkonsum gelte als Risikofaktor bei beiden Geschlechtern Kinderlosigkeit. Demgegenüber korreliert Alkoholmissbrauch bei Frauen mit einer Assistenzarzt Tätigkeit. Zudem konnte man einen Zusammenhang zwischen einem bedenklichen Gesundheitsverhalten und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 50 Stunden und mehr sowie bei einer Arbeit in der Chirurgie feststellen.
Ein weiterer Risikofaktor für Substanzmissbrauch könnte überdies in einem kontinuierlichen Konflikt zwischen Ökonomie und medizinischem Sachverstand liegen. Außerdem könnte das Fehlen von Entwicklungsperspektiven im Beruf, einen ungenügende wertschätzende Führung sowie die immense Arbeitsbelastung durch administrative Aufgaben zu dem Risiko des Substanzmissbrauchs beitragen.
Interventionsprogramm der Ärztekammern – wie läuft es ab?
Die Ärztekammer Hamburg baute als erstes ein Interventionsprogramm für Mediziner mit einer Suchterkrankung auf. Im Zuge dessen gelte das Prinzip “Hilfe statt Strafe”. Inzwischen bieten alle 17 Ärztekammern solche Interventionsprogramme an.
Das Anliegen soll einerseits darin liegen, den Patienten zu schützen und andererseits den Arzt als Patienten zu schützen. Es existieren in diesem Zusammenhang facettenreiche Wege der Ärztekammern zur Suchtintervention.
Einen Anstoß können beispielsweise Patienten geben, welche über einen Mediziner mit Alkoholfahne berichten. Apotheker können sich ebenso melden, wenn ihnen eine übermäßige Selbstrezeptierung von speziellen Präparaten auffällt. Auch Kollegen in der Klinik können anrufen und einen Verdacht äußern.
Nach einer solchen Mitteilung findet eine Kontaktaufnahme mit dem oder der möglicherweise Betroffenen statt, welche einfühlsam und vorsichtig erfolgt. Der Ablauf der Intervention ist folgender:
- Diagnose und Aufklärung über Krisenintervention und -management
- Behandlungsempfehlung
- Therapie, optional bis zur Begleitung des gesunden Patienten über drei Jahre hinweg
Die Entzugs- und Suchttherapie findet hierbei überwiegend stationär statt und dauert zwei Monate, worauf die einjährige Nachsorgezeit sowie die suchtmedizinische Behandlung folgt. Danach gibt es ein weiteres Angebot für Psychotherapie oder die Teilnahme bei Selbsthilfegruppen. Nachfolgend wird die Abstinenz monatlich kontrolliert.
1. Zahnärzte trinken, Frauenärzte nehmen Schmerzmittel, www.medical-tribune.de (Abrufdatum: 13.03.2020)
2. Ärztekammern wollen suchtkranken Ärzten helfen, www.medical-tribune.de (Abrufdatum: 13.03.2020)
3. Ärzte in Behandlung müssen sich von ihrem Beruf distanzieren, www.medical-tribune.de (Abrufdatum: 13.03.2020)