Der Fortschritt macht auch nicht vor der Medizin und dem Klinikalltag halt. Oftmals helfen Technik, Innovationen und Computer-Systeme bei bahnbrechenden Erfolgen in der Behandlung von Krankheiten und Leiden.
Doch nicht in jeder Hinsicht liegt dieser Fortschritt im Interesse der Patienten. Die FAZ berichtet vor kurzem in einem Erfahrungsbericht über eben diese Situation, wenn aus der „modernen Medizin“ eine Entfremdung am Patienten wird.
So wenig Kontakt zum Patienten wie möglich
… so titelt der Autor des Erfahrungsberichts, der für eine Behandlung in einem Klinikum in Bad Homburg zwiespältige Erfahrungen gemacht hat. Während seinem Aufenthalt hat er gespürt was die Digitalisierung und Modernisierung des Klinikalltags für Auswirkungen auf die Kommunikation und das Miteinander des Klinikpersonals hat.
Durch die digitale Vernetzung von Fachbereichen und Abteilungen herrscht immer weniger persönlicher Austausch. Die Krankenpflege entfernt sich von den zuständigen Ärzten und eine gewisse Anonymität ersetzt den einstig angestrebten Teamgeist.
Auch wenn Hochleistungsmedizin durch die vielen neuen technischen Möglichkeiten ein wichtiger Teil der heutigen Patientenversorgung ist, so laufen soziale Komponenten Gefahr wegzubrechen. Mehr Dokumentation, weniger Kommunikation. Die Feinfühligkeit, die einst auf den Patienten fokussiert war, dient nun der korrekten Bedienung der Computer, die Einblick in die Patientenkartei oder Behandlungsinformationen geben.
Auch in der Schweiz: Ärzte arbeiten zu lange am Computer
“Schweizer Internisten verbringen dreimal sov iel Zeit mit ihrem Computer wie mit ihren Patienten. Damit widmen Fachärzte einen Großteil ihrer Zeit zwangsläufig Aktivitäten, die nur indirekt mit der Patientenversorgung zu tun haben.”
So leitet ebenfalls das IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft eine aktuelle Studie ein, die die Arbeitszeit von Ärzten aus der Schweiz an Computern analysiert. Über einen Zeitraum von etwa 700 Stunden wurden 36 Internisten des Lehrkrankenhauses der Universität Lausanne beobachtet und deren Arbeitsprozesse beurteilt.
Bei einer durchschnittlichen Tagesschicht von 11,6 Stunden lag das Zeitverhältnis zwischen direktem Kontakt mit den Patienten und andersartigen Tätigkeiten bei 1:5. Das bedeutet, dass nicht einmal durchschnittlich 2,5 Stunden von einer Tagesschicht für den direkten Patientenkontakt genutzt werden. Ganze 15,5 % der Tagesschicht werden beispielsweise für das Ausfüllen der elektronischen Patientenakte verwendet.
USA: Die Hälfte der Zeit für das Ausfüllen der digitalen Patientenakte
Das ACP American College of Physicians hat in deren Annals of Internal Medicine ebenfalls das Zeitverhältnis verschiedener Tätigkeiten im Alltag von Ärzten in der Inneren Medizin überprüft. Begleitet und ausgewertet wurden 430 Arbeitsstunden von 56 Internisten, Allgemeinmediziner, Kardiologen und Orthopäden. Unterschieden wurden vier Tätigkeiten: Direkter Patientenkontakt, Führen der Patientenakte, Administration und sonstigen Tätigkeiten.
Auch in dieser Auswertung verbrachten die Ärzte während des Arbeitstages nur 27 % im direkten Patientenkontakt. Ganze 49,2 % verbrachten die Ärzte mit der Bearbeitung der Patientenakte.
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