Eine eigene Praxis ist für viele Ärzte ein großer Traum. Als Selbstständiger kann man Arbeitsschwerpunkte je nach Interesse selbst festlegen. Ebenso hat man bei der Geschäftsstrategie mehr Gestaltungsspielraum, wenn es beispielsweise um Investitionsentscheidungen geht. Mit persönlichem Einsatz und unternehmerischen Geschick ist eine eigene Praxis auch finanziell überaus lukrativ. Doch mit den gewonnenen Freiheiten gehen einige Pflichten und eine große Verantwortung sowie ein gewisses Risiko einher. Damit der Weg in die Selbstständigkeit als Arzt möglichst strukturiert abläuft, geben wir hilfreiche Informationen zu zehn wichtigen Schritten bei der Praxisplanung.
1. Schritt: grundsätzliche Vorentscheidungen treffen
Bevor sich ein Arzt in eine detaillierte Planung stürzt, sollte er sich einige grundsätzliche Fragen im Vorfeld beantworten, denn sie bestimmen das gesamte weitere Vorgehen.
- Möchte ich neue Räumlichkeiten oder übernehme ich eine bestehende Praxis?
- Eröffne ich eine Privatpraxis oder eine von den Krankenkassen zugelassene?
- Entscheide ich mich für eine Einzelpraxis oder schließe ich mich zu einer Gemeinschaftspraxis zusammen (gemeinsame Buchführung)? Alternativ ist eine Partnerpraxis mit einer getrennten Buchführung möglich.
- Welchen Behandlungsschwerpunkt wähle ich für meine Praxis? Muss ich mich dazu noch weiterbilden? Möchte ich mich als Hausarzt inhaltlich breit aufstellen oder biete ich ausschließlich fachärztliche Behandlungen an?
Das verfügbare Budget dürfte dabei eine zentrale Rolle spielen: Bei der Gründung einer Radiologie ist beispielsweise eine siebenstellige Investition in die Räumlichkeiten und die Geräte notwendig, was für eine Gemeinschaftspraxis spricht. Ein Hausarzt kommt beim Kauf der Erstausstattung wesentlich günstiger weg, weshalb eine Einzelpraxis durchaus möglich ist.
Wenn ein Arzt eine bestehende Praxis übernimmt, bestimmen vor allem die Ausstattung, der Patientenstamm und der Standort den Kaufpreis. Dabei hat man den Vorteil, dass sich die künftigen Einnahmen und laufenden Kosten besser kalkulieren lassen, da der Vorgänger entsprechende Erfahrungswerte weitergibt. Bei einer Praxiseröffnung an einem neuen Standort, kann man hingegen nicht sicher sein, wie viele Patienten sich tatsächlich behandeln lassen.
2. Schritt: einen Businessplan erstellen
In einem Businessplan werden grundsätzliche unternehmerische Fragen in schriftlicher Form festgehalten. Ein solcher Plan umfasst in der Regel folgende Inhalte:
- Geschäftskonzept/Tätigkeitsbereich (Facharzt/Hausarzt, Alleinstellungsmerkmale etc.)
- Zielgruppen- und Standortanalyse (Einzugsbereich, Konkurrenz usw.)
- Langfristige Finanzierungsplanung (Startinvestition, Rückzahlung, Ausgaben, Einnahmen)
Je genauer diese Planung, desto reibungsloser gelingt die spätere Umsetzung. Mit einem detaillierten Businessplan steigt zudem die Chance, Kredite zu erhalten. Treten Unklarheiten oder Probleme in dieser Phase der Unternehmensgründung auf, kann man entsprechend flexibel auf diese reagieren. Mit diesem kostenlosen Web-Tool lässt sich ein umfangreicher Businessplan unkompliziert erstellen.
3. Schritt: Genehmigungen einholen
Bevor man Investitionen tätigt, sollte man sich um alle notwendigen Genehmigungen kümmern. Denn diese bürokratischen Hürden nehmen einige Zeit in Anspruch und auch die Bearbeitung von Anträgen dauert eine Weile.
- Facharztanerkennung einholen und Schwerpunktbezeichnungen, Zusatzbezeichnungen und Fachkundenachweise genehmigen lassen
- Arztregistereintrag beim zuständigen Arztregister
- Bewerben um einen Vertragsarztsitz bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)
4. Schritt: Beratungsangebote nutzen
Ein Mediziner kann sich nicht in alle relevanten Themen selbst einlesen. Daher sollte er sich von Experten beraten lassen und an entsprechenden Seminaren teilnehmen. Sinnvoll sind Weiterbildungen in diesen Bereichen:
- Steuerrechtliche und buchhalterische Grundlagen
- Mitarbeiterführung
- Finanzierung
- Marketing
- Buchhaltung
- Arbeitsrecht
Je spezieller die Angebote auf die Gesundheitsbranche zugeschnitten sind, desto besser. Im späteren Praxisbetrieb übernimmt der Arzt diese Tätigkeiten nicht, allerdings ist er für deren Umsetzung letztendlich verantwortlich.
5. Schritt: Finanzierungen sichern
Die meisten Kreditinstitute verlangen einen ausführlichen Businessplan, um das finanzielle Potenzial eines Unternehmens einschätzen zu können. Für Geldgeber ist vor allem interessant, wann und in welcher Höhe der Kredit voraussichtlich zurückbezahlt wird.
Da weder Hausbanken noch staatliche Förderbanken die Risiken vollständig tragen, ist meist ein gewisses Eigenkapital notwendig.
Bei staatlichen Förderungen (z.B. über die KfW) ist es wichtig, dass der Finanzierungsantrag bewilligt ist, bevor der Arzt andere Verträge unterschreibt, etwa den Übernahmevertrag einer bestehenden Praxis. Andernfalls kann es zu Problemen bei der Auszahlung kommen. Bevor man einen Finanzierungsvertrag abschließt, sollte man solche Konditionen genau klären.
6. Schritt: Verträge unterschreiben & Versicherungen abschließen
Dabei sollten nach Möglichkeit alle Verträge (Praxisübernahme, Mietvertrag, Finanzierungsvertrag, Ankauf von Praxisgeräten usw.) in kurzer zeitlicher Abfolge unterschrieben werden, damit sich kein Vertragspartner spontan zurückziehen kann. Ist dafür ein Notar nötig, sollte man die Termine rechtzeitig ausmachen.
Bei einer Praxis sind diese Versicherungen sinnvoll:
- Rechtsschutzversicherung
- Berufshaftpflichtversicherung
- Berufsunfähigkeitsversicherung
- Gebäude- und Geräteversicherungen
7. Schritt: Personal suchen und einstellen
Ein Mediziner braucht ein kompetentes Team um sich herum, denn der Alltag einer Arzt- oder Zahnarztpraxis verursacht einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand. Folgendes Personal ist notwendig:
- Sprechstundenhilfe
- Fachlich ausgebildetes Hilfspersonal (Zahnarzthelfer etc.)
- Reinigungsfachkräfte
Da die Leitungsverantwortung gänzlich beim Arzt liegt, bieten sich Seminare zur Mitarbeiterführung und -motivation an. Eventuell sind Schulungen für das Personal notwendig.
8. Schritt: Fragen zur Buchhaltung und Datensicherheit klären
Falls noch nicht geschehen, ist ein erfahrener Steuerberater hinzuzuziehen. Damit in Sachen Buchhaltung und IT-Sicherheit alles korrekt abläuft, sollte entweder ein kompetenter Mitarbeiter eingestellt oder auf externe Hilfe zurückgegriffen werden. Rechtliche Verstöße können in diesen Bereichen sehr teuer sein und schwere Imageschäden verursachen.
Folgende Tipps helfen dabei, die Kosten für Buchhaltung und IT-Sicherheit niedrig zu halten:
- Einige nützliche Serviceangebote und Programme finden sich kostenlos im Internet (z.B. diese Vorlage für Rechnungen oder Microsofts Wunderlist, eine Art digitale To-do-Liste)
- Softwares zur Verwaltung von Patientenakten, Mitarbeitergehältern und der Verbrauchsgüter
- Um Rechtsstreitigkeiten und Imageverluste zu vermeiden, muss eine Arztpraxis besonderen Wert auf den Datenschutz legen. Immerhin geht es um hochsensible persönliche Daten. Seit dem 25. Mai 2018 gelten aufgrund der DSGVO beim Speichern und Verarbeiten von persönlichen Informationen strengere Richtlinien.
- Cloudlösungen anstatt eines lokalen Praxisnetzwerks. Die IT-Sicherheit liegt dann überwiegend beim Cloudbetreiber. Daher sollte man dabei darauf achten, dass die Server, auf denen die Daten gespeichert, in Deutschland liegen. Hierbei ist es sinnvoll, die Sicherheitsvorkehrungen verschiedener Anbieter zu vergleichen.
Sämtliche offene Fragen in den Bereichen Buchhaltung und Datenschutz sind zwingend vor der Eröffnung der Praxis zu klären, damit beim ersten Arbeitstag alles reibungslos abläuft und keine unnötig langen Wartezeiten entstehen.
Spätestens jetzt sollte man das Finanzamt über den Beginn der Tätigkeit informieren.
9. Schritt: Marketingstrategien wählen & Kooperationspartner suchen
Hier gilt es, die eigene Praxis bekannt zu machen. Dies gelingt durch folgende Maßnahmen:
- Klassische Werbemaßnahmen (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Werbung via Radio, Flyer, Plakaten und in Zeitungsanzeigen)
- Modernes Online-Marketing (eigene professionelle SEO-optimierte Webseite, Profilpflege auf Ärztebewertungsportalen, Social-Media-Auftritte)
Dabei sollte unbedingt der Mehrwert für den Patienten klar erkennbar sein. Das angebotene Leistungsportfolio und besondere Weiterbildungen sowie Fachkenntnisse stehen dabei im Vordergrund.
Geschäftsfördernd sind zudem Kooperationen mit Hausärzten und Fachärzten in der Region, da durch Überweisungen neue Patienten gewonnen werden. Zudem sind Urlaubsvertretungen möglich.
10. Schritt: die Praxis eröffnen
Das A und O für einen langfristigen Erfolg ist die Patientenzufriedenheit. Diese lässt sich sicherstellen durch:
- Kompetente Behandlung und freundliches Auftreten
- Serviceorientiertes und zuvorkommendes Personal
- Gepflegte, helle und moderne Einrichtung
- Behandlungsgeräte auf dem neuesten Stand der Technik
Vor allem im städtischen Umfeld ist es für den Erfolg der Praxis essenziell, bestehende Patienten zu halten und sie nicht an die Konkurrenz zu verlieren. Dabei spielt das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient die vielleicht wichtigste Rolle.
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