
Wer unter Reisekrankheit leidet, verliert schnell die Urlaubslust. Unter Übelkeit, Schwindel und Erbrechen, die durch Reisen in Auto, Zug, Bus, Flugzeug oder Schiff entstehen, leiden viele Menschen. Damit der nächste geplante Trip nicht der sogenannten Kinetose zum Opfer fällt, beschreibt dieser Artikel die genauen Ursachen und Symptome der Erkrankung und bietet eine Übersicht über verschiedene Therapie- und Präventionsmöglichkeiten, die den Umgang mit der Reisekrankheit erleichtern.
Inhaltsverzeichnis
Reisekrankheit – Was ist das?
Als Reisekrankheit oder auch Bewegungskrankheit wird im allgemeinen Sprachgebrauch häufig die im Fachjargon als Kinetose bezeichnete Symptomatik benannt. Hierbei handelt es sich um die körperliche Reaktion auf ungewohnte Bewegungen oder Beschleunigung. Je nach Art der Beschleunigung – ob linear, radial, Winkel- oder Coriolisbeschleunigung – entstehen unterschiedlich benannte Krankheitsbilder.
Verschiedene Formen nach Art der Bewegung
Man unterscheidet:
- Seekrankheit
- Luftkrankheit
- Raumkrankheit
- Landkrankheit
Die einzelnen Formen der Reisekrankheit werden typischerweise durch spezielle Verkehrsmittel hervorgerufen. Die Landkrankheit entsteht beispielsweise durch lineare Beschleunigung bei Auto- oder Busfahrten, während die Seekrankheit durch das Auf und Ab der Wellen bei Bootsausflügen entsteht. Auch bei Skifahrern/-innen kann eine Bewegungskrankheit entstehen. Im weiteren Sinne können sogar unterschiedliche Druckverhältnisse Kinetose-artige Symptome auslösen:
- Höhenschwindel
- Tauchschwindel
Übrigens: Da die Reisekrankheit durch ein Missmatch zwischen visueller und vestibulärer Wahrnehmung entsteht, können auch virtuelle Bilder – gerade bei Virtual-Reality-Brillen etwa – die Kinetose-Symptome auslösen.
Reisekrankheit – Ursachen
Eigentlich ist die Kinetose eine physiologische Körperreaktion, keine Krankheit. Das Gehirn reagiert hierbei auf widersprüchliche Signale zwischen dem Vestibular- und dem visuellen System, also dem Gleichgewichtssinn und dem Sehsinn. Auch die Gelenkstellung kann sich auf die Propriozeption auswirken und zu der Missempfindung beitragen.
Dissoziation zwischen Bewegung und Wahrnehmung
Die Wahrnehmung der Augen passt also beispielsweise nicht zu der Empfindung von Beschleunigung, was gerade beim Lesen im Auto häufig der Fall ist. Die leichte Neigung des Kopfes verstärkt das Beschleunigungsempfinden zusätzlich, da das eigentlich um 30 Grad zur Raumebene versetzte Gleichgewichtssystem horizontale Beschleunigung erfährt. Bei einigen Menschen reagiert das Gehirn besonders empfindlich auf die beschriebene Dissoziation und ruft eine Bewegungsillusion der Umwelt mit dem klassischen Reiseübelkeitssymptomen hervor.
Da Placebo-Medikamente gegen die Reisekrankheit besonders wirksam sind, wird vermutet, dass auch psychologische Faktoren an der Entstehung der Kinetose beteiligt sind.
Reisekrankheit – Symptome
Die Hauptsymptome der Reisekrankheit sind an die typische emetische Symptomatik gekoppelt: Betroffene leiden unter Schwindel, Müdigkeit, Magendruck und Übelkeit, die letztendlich zu Erbrechen führen kann. Bei den Patienten/-innen sind darüber hinaus Blässe und Kaltschweißigkeit zu beobachten. Manchmal treten auch Kopfschmerzen auf.
Der Schwindel kann in besonders schweren Fällen der Kinetose auch über Müdigkeit zu Lethargie führen – also zu einer Schläfrigkeit bis zur Bewusstseinstrübung, bei der die Erregungsgrenze der Patienten/-innen verschoben ist. Selbst Depressionen können dadurch bei Extremfällen auftreten.
Reisekrankheit – Diagnose
Bei typischen Symptomen ist die Diagnose der Reisekrankheit eindeutig und bedarf keiner weiteren Untersuchung. Hier ist es auch nicht ungewöhnlich, wenn die genannten Symptome im Verlauf einer Reise mehrfach auftreten. Hellhörig sollte man als Untersucher/in dann werden, wenn sich bei Betroffenen die Symptome über einen längeren Zeitraum als einige Stunden ziehen, besonders starkes Erbrechen oder anderen gastrointestinale Symptome auftreten oder gar Fieber entsteht. In diesem Fall sollte man unbedingt andere eventuelle Reisekrankheiten abklären, besonders, wenn die erkrankte Person von einer Tropenreise zurückkehrt.
Reiseanamnese als hilfreiches Diagnosemittel
Hierbei kann vor allem eine ausführlich Reiseanamnese helfen, bei der folgende Fragen sehr wichtig sein können, um der Ursache auf die Sprünge zu kommen:
- Wo war der/die Patient/in?
- War er/sie in Risikogebieten in Naturgewässern schwimmen oder barfuß unterwegs?
- Wurden Speisen, die am Straßenrand verkauft werden, konsumiert?
- Hat der/die Betroffene Wasser getrunken, das nicht abgepackt oder abgekocht war?
- Klagte er/sie über Mückenstiche, Zeckenbisse oder sonstigen Parasitenbefall?
- Wurden Medikamente eingenommen?
Reisekrankheit – Therapie
Medikamentös lässt sich die Reisekrankheit auf verschiedene Arten behandeln. Eine Möglichkeit ist die Therapie mit Scopolamin, einem muskarinergen Acetylcholin-Rezeptor-Antagonisten, der sowohl am Brech- als auch am Vestibularorgan wirkt. Der Wirkstoff stammt aus dem Stechapfel und gehört zu den Alkaloiden. Er wird meist als Transdermalpflaster verabreicht.
Eine weitere Möglichkeit der medikamentösen Therapie der Kinetose sind Antagonisten des Histaminrezeptor-1. Das am häufigsten bei Reisekrankheit eingesetzte Antihistaminikum ist Dimenhydrinat. Auch Ingwer kann als Präparat gegen Reiseübelkeit wirken.
Wie man der Reisekrankheit vorbeugt
Die nicht-medikamentöse Therapie der Reisekrankheit besteht vor allem in der Prävention der Symptomatik. Zum Glück lassen sich viele Risikofaktoren der Kinetose durch einfache Maßnahmen verhindern oder zumindest eindämmen. Betroffenen hilft es in den meisten Fällen, nicht nach unten zu schauen, sondern den Blick auf einen Punkt am Horizont zu richten.
Der Platz im Fortbewegungsmittel kann entscheidend sein
Auch die Position im Gefährt kann einen Unterschied machen: Im Auto und im Bus halten sich Betroffene von Kinetosen am besten im Bereich der Vorderachse auf, im Flugzeug oder auf Schiffen in der Mitte. Kaubewegungen und Schlucken helfen ebenfalls. Im Flugzeug mindern sie zudem den Druck auf den Ohren, der die Symptome verschlimmern kann. Am besten ist ein Kaugummi, aber auch Äpfel oder Karotten können sinnvoll eingesetzt werden.
Risikofaktoren meiden
Risikofaktoren, die das Entstehen der Reisekrankheit begünstigen können oder die Symptomatik verschlimmern, sind beispielsweise schwere fettreiche Mahlzeiten. Auch Rauchen und Alkohol gehören zu den Risikofaktoren für die Krankheit, weswegen bei geplanten Reisen und bekannter Empfindlichkeit diese Faktoren vermieden werden sollten.
Häufige andere Reisekrankheiten
Wer im Urlaub in anderen Ländern mit stärkerer Sonneneinstrahlung, Hitze und tropischen Parasiten sowie anderen Erregern ausgesetzt ist, kann viele weitere “Reisekrankheiten” bekommen, die ähnliche Symptome wie die Kinetose auslösen können. Hierbei kann es sich beispielsweise um eine der folgenden Erkrankungen handeln:
- Lebensmittelvergiftung durch Aufnahme von Toxinen von
- Staphylokokken
- Clostridien
- Cholera-Bakterien
- Magen-Darm-Infektionen durch Erreger, wie
- Salmollen
- Shigellen
- Campylobacter
- Noroviren
- Hitzebedingten Erkrankungen, wie
- Sonnenstich
- Hitzeschlag
- Dehydrierung
- Durch Vektoren (Mücken, Zecken, etc) übertragene Erkrankungen, wie
- Malaria
- Denguefieber
- Gelbfieber
- Zika-Virus
- FSME
- Medikamenten-Intoxikation
Diese Krankheiten sind meist jedoch durch eine schwerere Symptomatik als die Reisekrankheit gekennzeichnet.
Sommer- und Reisekrankheiten
- Grehl et al., Checkliste Neurologie, Thieme (Verlag), 7. Auflage, 2021
- Herdegen et al., Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie Thieme (Verlag), 4. Auflage, 2019
- Arnold et al., Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Thieme (Verlag), 5. Auflage, 2011
- Amboss, Schwindel, https://www.amboss.com/... , Abrufdatum 06.08.2023