Der Puls im Ohr wird in der Fachsprache als der pulssynchrone Tinnitus bezeichnet und stellt eine sehr spezielle Form der störenden Ohrgeräusche dar. Im Gegensatz zum klassischen Tinnitus, den Patienten als Pfeifen im Ohr wahrnehmen, entsteht der pulssynchrone Tinnitus ohrfern, folgt dem Rhythmus des Herzens und wird oftmals als Pochen wahrgenommen.
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Meist hören die Patienten den Puls im Ohr nur auf einer Seite. Bis zur Diagnose kann einige Zeit vergehen, da das Syndrom mehrere klinische Disziplinen umfasst. Mit der richtigen Diagnostik lässt sich die Ursache für den quälenden Herzschlag im Ohr aber fast immer finden.
Welche Symptome erleben Patienten?
Betroffene beschreiben den pulssynchronen Tinnitus als rhythmisches, dem Pulsschlag angepasstes Ohr- oder Kopfgeräusch. Betroffene beschreiben dies oft als Pochen im Ohr bzw. Klopfen im Ohr. Das intakte Gehör ist eine Voraussetzung. In der Regel sind die Geräusche für den Patienten nur einseitig im linken oder im rechten Ohr zu hören, wie bei dem sogenannten Rauschen im Ohr. Der pulssynchrone Tinnitus kann aber auch bilateral als nicht seitenbetontes Ohrgeräusch vorkommen. Die Intensität variiert von Patient zu Patient.
Ist der Tinnitus stark ausgeprägt, kann es zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität führen. Erhebliche Schlafstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten bis hin zu Selbstmordgedanken können die Folge sein. Einige Gefäßveränderungen, die vor allem bei jüngeren Menschen für den Puls im Ohr verantwortlich sind, können auch mit akut auftretenden Schmerzen im Nacken- und Kopfbereich einhergehen.
Ursachen des pulssynchronen Tinnitus
Der pulssynchrone Tinnitus kann unterschiedliche Ursachen haben, die von ungefährlich bis lebensbedrohlich reichen können. Die vom Patienten wahrgenommen Ohrgeräusche sind eigentlich Strömungsgeräusche des Blutes, das in der Nähe vom Innenohr fließt. In der Regel entstehen sie oder werden akustisch wahrnehmbar, weil es zu einer krankhaften Veränderung in räumlicher Nähe des Innenohrs kommt.
In seltenen Fällen kann auch eine angeborene Anomalie verantwortlich sein. Aber auch dann treten die Ohrgeräusche typischerweise erst im mittleren Lebensalter auf. Grund dafür ist vermutlich die Entstehung von Arteriosklerose. Ferner kann diese Tinnitus-Form auch als Folge eines Unfalls (Schädel-Hirn-Trauma) auftreten. Auch einige Medikamente (ACE-Inhibitoren, Kalziumantagonisten) können die Ohrgeräusche begünstigen.
Meist sind organische Ursachen verantwortlich. Diesbezüglich kann der pulssynchrone Tinnitus gefäßbedingte (vaskuläre), tumoröse, als auch nicht-vaskulär und nicht-tumoröse Ursachen haben. Zu den gefäßbedingten Ursachen zählen Fisteln, Gefäßverengungen (Stenosen), Einrisse der Gefäßwand (Dissektionen), Gefäßaussackungen (Aneurysmen), Blutgerinnsel (Thrombosen), Aufweitungen der Gefäße, Verkalkungen sowie Fehlbildungen, die sowohl arteriell als auch venös sein können.
Entsteht der pulssynchrone Tinnitus tumorbedingt, sind in der Regel ein Glomustumor, Schädelbasistumore oder Metastasen im Kopfbereich verantwortlich. Darüber hinaus kommen auch nicht-vaskulär und nicht-tumoröse Ursachen infrage. Die Ohrgeräusche können etwa durch eine Drucksteigerung im Schädelbereich (benigne intrakranielle Hypertension), Blutarmut (Anämie) oder bei erhöhtem Herzminutenvolumen (kardialer Output) durch Schwangerschaft oder eine Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) entstehen.
Diagnostik: So wird der Puls im Ohr diagnostiziert
Ist man vom Pochen im Ohr betroffen, sollte man zunächst seinen Hausarzt aufsuchen. Dieser wird zunächst eine Anamnese durchführen und im Rahmen dieser den Patienten befragen und anschließend untersuchen.
Bei der Suche nach der Ursache gibt es unterschiedliche Diagnostikpfade. Hier wird der Hausarzt oftmals einen Facharzt für Radiologie hinzuziehen oder einen Hals-Nasen-Ohrenarzt. Vor allem die Routineverfahren der Radiologie, die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT), sind wichtige Bausteine bei der Ursachenabklärung. Da Veränderungen an den Weichteilen sich magnetresonanztomographisch besser darstellen lassen und knöcherne Veränderungen im CT einfacher zu erkennen sind, können bei einem Patienten beide bildgebenden Verfahren herangezogen werden. Kontrastmittel erhöhen bei beiden Untersuchungstechniken die Sensitivität und Spezifität.
Aber auch andere Methoden, wie eine Doppleruntersuchung der Hirn- und Gesichtsarterien oder Bluttests, können zum Einsatz kommen, um die Ursache zweifelsfrei abzuklären. Grundsätzlich priorisieren Mediziner die gefährlichste Ursache, die für die Ohrgeräusche verantwortlich sein könnte. Auf diese Weise wird versucht schwerwiegende Ursachen zügig zu diagnostizieren, um mögliche Komplikationen, wie etwa eine Hirnblutung, zu verhindern. Untersucht werden in erster Linie das Felsenbein, das Schläfenbein, die Schädelbasis und angrenzende Strukturen.
Bei 70 Prozent der Betroffenen lässt sich die Ursache für den pulssynchronen Tinnitus eindeutig bestimmen. Trotz sorgfältiger Suche werden die Ärzte bei bis zu 30 Prozent der Patienten dennoch nicht fündig.
Puls im Ohr: Behandlungsmöglichkeiten
Die genauen Therapiemöglichkeiten hängen mit der konkreten Ursache zusammen, die für das Auftreten des pulssynchronen Tinnitus verantwortlich ist. Nicht-vaskuläre und nicht-tumoröse Ursachen lassen sich beispielsweise oft medikamentös lösen. Bei gefäß- und tumorbedingten Ursachen bietet die Neuroradiologie wirksame therapeutische Möglichkeiten. Endovaskuläre Behandlungen können zu einer Stabilisierung der Gefäße führen. Ebenso lassen sich Fisteln verschließen und falsche Verbindungen verkleben. Dadurch kann das störende Pulsieren komplett behoben oder zumindest die Intensität der Ohrgeräusche reduziert werden. Es ist möglich, dass solch ein Eingriff im Laufe der Jahre wiederholt werden muss, weil der pulssynchrone Tinnitus wiederkommen kann.
Bei der Entscheidung für eine Therapie spielen zwei Aspekte eine zentrale Rolle. Weil ein operativer Eingriff am Kopf immer ein gewisses Risiko birgt, wägen Mediziner immer genau ab, wie hoch das Sterberisiko bei Nichtbehandlung wäre. Auch der Leidensdruck der Betroffenen spielt bei der Entscheidung eine Rolle. Wird diagnostiziert, dass der pulssynchrone Tinnitus keine lebensbedrohliche Ursache hat, und der Patient ist in der Lage mit den Ohrgeräuschen zu leben, wird in der Regel auf invasive Therapieformen verzichtet.
Heilungschancen beim pulssynchronen Tinnitus
Ob der pulssynchrone Tinnitus heilbar ist, hängt immer vom individuellen Fall ab, denn die Ursachen der Ohrgeräusche sind vielfältig. Weil es bei dieser Tinnitus-Form aber immer eine echte physikalische Geräuschquelle gibt, kann diese in der Mehrzahl der Fälle diagnostiziert und häufig auch behandelt werden.