Eine Hypoglykämie (Unterzuckerung) liegt vor, wenn der Blutzuckerspiegel unter dem Normbereich liegt. Ein Blutzuckerspiegel von weniger als 70 mg/dl (3,9 mmol) kann bereits grenzwertig sein. Ein niedriger Blutzuckerspiegel, umgangssprachlich Unterzucker, kann auf eine Insulinreaktion im Rahmen einer Diabetes mellitus-Behandlung zurückzuführen sein oder in Zusammenhang mit Medikamenten sowie seltenen (Tumor-)Erkrankungen stehen.
Inhaltsverzeichnis
Was bei einer Unterzuckerung passiert, welche Symptome und Anzeichen eine Hypoglykämie mit sich bringt, was die Ursachen sein können und wie man sie behandelt kann, erörtert der folgende Artikel.
Was ist Hypoglykämie?
Unter dem Begriff Hypoglykämie versteht man einen Zustand, bei dem die Blutzuckerwerte niedriger sind als der Normbereich. Eine einheitliche internationale Definition existiert nicht, weshalb ein Grenzwert schwer festlegbar ist und die Schwellenwerte für Symptome im Einzelfall höher oder niedriger liegen können.
Ein Blutzuckerspiegel von weniger als 70 mg/dl kann bereits ein Anzeichen einer Unterzuckerung sein. Als sicherer Hinweis dient die sogenannte „Whipple Trias“ oder die Whipple-Triade, nach dem amerikanischen Chirurgen Allen Oldfather Whipple (1891 – 1963):
- typische Symptome einer Hypoglykämie
- pathologisch erniedrigter Blutzuckerspiegel
- Besserung nach Glukosezufuhr
Hypoglykämie – Blutzuckerregulierung
Die aus der Nahrungszufuhr aufgenommenen Kohlenhydrate werden in verschiedene Zuckermoleküle, darunter Glukose gespalten. Blutzucker dient als Hauptenergiequelle für den Körper. Seine Regulierung geschieht durch die Wirkung des Hormons Insulin. Dieses wird durch die Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet. Es ermöglicht das Eindringen von Zucker in die Körperzellen.
Darüber hinaus produziert die Leber zusätzlich Glukose (Glukoneogenese). Die Muskulatur speichert sie in Form von Glykogen. Bei längerer Nahrungskarenz und Abfall des Blutzuckerspiegels, signalisiert ein weiteres Hormon aus der Bauchspeicheldrüse der Leber, das gespeicherte Glykogen abzubauen und dem Körper Glukose zur Verfügung zu stellen.
Diese Blutzuckerregulierung hält den Blutzuckerspiegel in einem Normbereich bis wieder Nahrung zugefügt wird bzw. verhindert, dass die Blutzuckerwerte rapide abnehmen und eine Hypoglykämie einsetzt.
Was passiert bei einer Unterzuckerung?
Bei einer Hypoglykämie sinkt der Blutzuckerspiegel unter einen bestimmten Wert ab und der Körper reagiert zunächst mit autonomen Symptomen, wie Schwitzen, Zittern, Schwäche, Schwindel etc. Je mehr der Blutzuckerspiegel abnimmt, umso schwerwiegender die Symptomatik; insbesondere für das Gehirn.
Glukose dient als Hauptenergiequelle des Körpers und ist lebensnotwendig. Das Gehirn hat verglichen mit anderen Organen den höchsten Energieverbrauch und deckt seinen Energiebedarf fast ausschließlich über Glukose. Entsprechend auffällig sind daher die Kognition verbundene Einschränkungen durch Unterzuckerung.
Hypoglykämie – Symptome und Anzeichen
Generell wird zwischen einer leichten und einer schweren Hypoglykämie unterschieden. Bei einer leichten Hypoglykämie spüren Patienten/-innen die Symptome und können diese noch erfolgreich selbst behandeln bzw. sich selbst helfen, zum Beispiel durch die Einnahme von Traubenzucker. Liegt eine schwere Hypoglykämie vor, sind die Symptome so schwerwiegend, dass die Patienten/-innen Fremdhilfe benötigen und die Symptome nicht mehr selbst behandeln können.
Ein niedriger Blutzuckerspiegel wird mit folgenden Symptomen und Warnzeichen aus 3 Klassen in Verbindung gebracht:
Klasse 1: Unspezifische Begleitsymptome
- Übelkeit
- Schwindel
- Kopfschmerzen
Klasse 2: Autonome (adrenerge) Symptome
Unter anderen entstehen folgende Symptome durch reaktive Adrenalinausschüttung:
- Schwitzen
- Zittern
- Schwäche
- Heißhunger
- Unruhe
- Kältegefühl
- Reizbarkeit
- unregelmäßiger und/oder schneller Herzschlag (Palpitationen und/oder Tachykardie)
- Kribbeln oder Taubheit der Lippen, Zunge und/oder Wange
Klasse 3: Neuroglykopenische Zeichen
Gestörte kognitive Funktionen, die meist erst ab Blutzuckerwerten unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l) vorkommen:
- Konzentrationsstörungen
- Verwirrung
- Angstzustände
- abnormes Verhalten
- Sprachstörungen
- Sehstörungen
- Benommenheit
- Bewusstlosigkeit
- Krampfanfälle
Bei Blutzuckerwerten unter 40 mg/dl können sich schwere neurologische Defizite mit deliranten Zuständen und Koma äußern.
Hypoglykämie – Werte-Tabelle
Bei gesunden Menschen wird ein Nüchtern-Blutzucker-Normwert zwischen 70 und 99 mg/dl gemessen. Blutzuckerwerte unter diesem Bereich können Anzeichen einer Unterzuckerung sein. Einen klar definierten Grenzwert gibt es allerdings nicht, da die Schwellenwerte für eine Hypoglykämie nicht verallgemeinert, sondern individuell zu betrachten sind. Sie können in Einzelfällen höher oder niedriger liegen.
Nicht nur Diabetiker/innen können unter Blutzuckerschwankungen leiden, sondern auch bei sonst gesunden Menschen können die Blutzuckerwerte aufgrund individueller Parameter im Laufe des Tages schwanken. Zu diesen Parametern zählen unter anderem Ernährung, Aktivitätslevel, Insulinproduktion und weitere Faktoren, wie beispielsweise Stress. Ärztlicher Rat sollte eingeholt werden, wenn die Vermutung besteht unter wiederholten Hypoglykämien ohne bekannte Ursache zu leiden.
Hypoglykämie – Ursachen
Die Ursachen für eine Hypoglykämie sind vielfältig. Eine Unterzuckerung kann im Rahmen eines Diabetes mellitus auftreten oder in Zusammenhang mit seltenen Erkrankungen bzw. stoffwechselbedingten Erkrankungen stehen oder als reaktives Geschehen bedingt sein.
Grob kann man die Ursachen in drei Bereiche unterteilen:
1.) Nüchternhypoglykämie
Diese Art der Unterzuckerung tritt im Nüchternen zustand auf und kann u.a. mit folgenden hormonellen Ursachen zusammenhängen:
- unkontrollierte Überproduktion von Insulin durch einen seltenen Tumor der Bauchspeicheldrüse (Insulinom)
- andere Tumorarten, die zu einer Überproduktion insulinähnlicher Substanzen führen (z.B. Leberzellkarzinom)
- schwere Lebererkrankungen (verminderte Glukoneogenese und Glukoseabgabe)
- Nebennierenrindeninsuffizienz: Die Unterfunktion der Nebennierenrinde bewirkt eine verminderte Produktion blutzuckersteigernder Hormone (Kortisol, Adrenalin)
- Hypophyseninsuffizienz: Die Nebennierenrinde, die über die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) reguliert wird, produziert ebenfalls weniger Hormon bei vorliegender Insuffizienz
- Glykogenosen (Krankheiten, die Produktion oder Abbau von Glykogen betreffen)
- Nierenerkrankungen
- Neugeborenenhypoglykämie bei diabetischer Mutter
2.) Reaktive (postprandiale) Hypoglykämie
Hypoglykämien können auch nach dem Essen (postprandial) auftreten. Diese Form der Unterzuckerung ist gekennzeichnet durch ein starkes Absinken des Blutzuckerspiegels wenige Stunden nach einer stark zuckerhaltigen Mahlzeit. Der Körper produziert infolgedessen mehr Insulin als benötigt. Dies kann mit folgenden Faktoren in Verbindung stehen:
- nach Magenresektion oder Magen-Bypass-Operation
- seltene erbliche Defekte
- Anfangsstadium einer Diabetes-Erkrankung
- diabetische Gastroparese (Magenentleerungsstörung; Verdauung der Nahrung ist langsamer)
Extremes Fasten und strenge Diäten in Kombination mit vorausgegangenem exzessiven Alkoholkonsum sowie der Einnahme bestimmter Arzneimittel kann ebenfalls eine Ursache sein. Durch die genannten Risikofaktoren in Kombination wird kein zeitnaher Nachschub von Kohlenhydraten gewährleistet. Eine bedrohliche Unterzuckerung ist die Folge. Übermäßiger Alkoholkonsum ohne Nahrungszufuhr: durch Alkohol wird die Leber daran gehindert, die gespeicherte Glukose in den Blutkreislauf abzugeben
3.) Exogene Hypoglykämie
Exogene Unterzuckerungen sind von außen verursacht, z.B. durch Medikamente, und können folgende Ursachen haben:
- Überdosierung von Insulin und/oder Sulfonylharnstoffen (häufigste Ursache)
- Hypoglycaemia factitia: gezielte Selbstverabreichung von blutzuckersenkenden Arzneimitteln
- Wechselwirkungen von Medikamenten mit Antidiabetika (z.B. Sulfonamide, NSAR, Betablocker, ACE-Hemmer)
Alkoholkonsum
Eine weitere Ursache des Auftretens von Hypoglykämien ist der Alkoholgenuss. Alkohol hemmt die Glukoneogenese (Neubildung von Zucker), ein Prozess, der in der Leber stattfindet – der Blutzuckerspiegel sinkt. Eine gestörte Zuckerfreisetzung findet bereits ab einem Alkoholspiegel von 0,45 Promille im Blut statt.
Auch das Hormon Glukagon, ein sogenannter Gegenspieler, der im Normalfall freigesetzt wird, damit der Blutzuckerspiegel ansteigt, kann nicht ausgeschüttet werden, da die Leberfunktion durch den Alkohol blockiert wird. Alkoholgenuss mit Nahrungskarenz (Verzicht auf Nahrungsaufnahme über längeren Zeitraum bzw. bei Diabetikern/-innen) in Kombination mit Insulin sowie Sulfonylharnstoffen verstärkt den Effekt der Unterzuckerung.
Weitere Ursachen
Zu den weiteren Auslösern bei Nicht-Diabetikern gehören unter anderem:
- Medikamenteneinnahme (versehentliche Einnahme eines oralen Antidiabetikums einer anderen Person)
- Medikamenteneinnahme bei Kindern und/oder Menschen mit Niereninsuffizienz, z.B. Chinin (Qualaquin) zur Behandlung von Malaria
- Langfristiges Hungern (z.B. bei einer Essstörung Anorexia nervosa)
Hypoglykämien bei Nicht-Diabetikern/-innen sind zwar seltener, können aber trotz allem vorkommen. Mögliche weitere Ursachen bei Diabetikern/-innen werden im Folgenden näher vorgestellt.
Hypoglykämie: Spezielle Ursachen bei Diabetes mellitus
Eine Unterzuckerung kann bei allen Diabetikern in Erscheinung treten, die mit Insulin und/oder insulinotropen Substanzen (die Insulinproduktion stimulierend, z.B. Sulfonylharnstoffe) therapiert werden. Daher gilt die Hypoglykämie häufigste Nebenwirkung bei Diabetes-Patienten/-innen.
Fehler bei Medikamenteneinnahme
Hypoglykämien können sowohl bei einer Typ 1 Diabetes als auch bei Typ 2 Diabetes auftreten. Sofern eine Lebensstilveränderung durch Ernährungsumstellung, Gewichtsreduktion und regelmäßiger Bewegung keine normwertige Blutzuckereinstellung erreichen kann, ist eine blutzuckersenkende medikamentöse Therapie indiziert. Dies geschieht meist über die Verwendung von Insulin (sowie Sulfonylharnstoffen).
Beim Typ 1 kann das körpereigene Hormon Insulin, welches die Aufnahme von Glucose in die Körperzellen reguliert, nicht produziert werden – es liegt ein absoluter Insulinmangel vor. Ohne Insulin verbleibt Blutzucker im Blutkreislauf und gefährlich hohe Blutzuckerwerte können erreicht werden. Therapiert wird dann mit Insulin, das von außen hinzugefügt wird (exogene Insulintherapie). Wird Insulin überdosiert – sei es zufällig, psychotisch, mit krimineller oder suizidaler Absicht – tritt eine Unterzuckerung auf.
Auch beim Typ 2 besteht ein hohes Risiko. Es liegt anfänglich eine sogenannte Insulinresistenz vor. Die peripheren Körperzellen reagieren weniger gut auf Insulin und infolgedessen kann Zucker nicht aufgenommen werden, sondern verbleibt im Blutkreislauf. Das führt zu hohen Blutzuckerwerten.
Sport und falsche Ernährung
Auch starke körperliche Belastung und weniger Nahrungsaufnahme bzw. eine unterlassene gewohnte Nahrungszufuhr nach der Einnahme von Antidiabetika können Ursachen einer Unterzuckerung sein. Dies gilt bei Diabetikern/-innen stärker als bei gesunden Menschen. Sport ist prinzipiell nicht gefährlich, sofern ausreichend Nahrung aufgenommen und auch die medikamentöse Therapie angepasst wurde. Ein niedriger Blutzuckerspiegel kann im Hinblick auf die Nahrungszufuhr folgendermaßen zurückzuführen sein:
- zu wenig Kohlenhydrate
- Verzehr von Nahrungsmitteln mit weniger Kohlenhydraten als üblich, ohne dabei die Insulintherapie zu reduzieren
- zeitliche Abstimmung der Insulindosis stimmt nicht mit der Aufnahme von Zucker aus der Nahrung überein (Kohlenhydrate aus fester Nahrung werden weniger schnell resorbiert als Kohlenhydrate aus Flüssigkeiten)
- Zusammensetzung der Mahlzeit kann Einfluss auf die Aufnahme von Kohlenhydraten nehmen (je nach Verteilung der weiteren Makronährstoffe Fett, Eiweiß sowie Anteil an Ballaststoffen)
Verstärkte körperliche Aktivität kann ebenfalls den Blutzuckerspiegel sowohl kurzfristig als auch langfristig senken. Dies betrifft vor allem Diabetiker/innen des Typs 1. Der Bedarf an Insulin muss dementsprechend angepasst werden, damit das Risiko vermindert wird.
Nicht nur eine verstärkte körperliche Aktivität, sondern auch die Intensität, die Dauer und der Zeitpunkt des Trainings, bestimmen über das Risiko für eine Unterzuckerung.
Schilddrüsenunterfunktion
Zusammenhänge zwischen der Schilddrüsenfunktion und Diabetes bestehen ebenfalls. Schwere Unterfunktionen der Schilddrüse, die eine verminderte Hormonproduktion zufolge haben, können auch Blutzuckerschwankungen bewirken und zu einer Unterzuckerung führen. Eine Schilddrüsenunterfunktion kann die Insulinempfindlichkeit erhöhen und die Insulinwirkung verstärken – es wird vermehrt Zucker aus dem Blut von den Zellen aufgenommen und ein verminderter Blutzuckerspiegel gemessen. Insbesondere bei Diabetikern/-innen, die medikamentös behandelt werden, kann eine unentdeckte Schilddrüsenunterfunktion lebensbedrohlich werden.
Hypoglykämie – Behandlung
Hypoglykämien werden im akuten Fall mit der Zufuhr von Glukose behandelt. Sofern der/die Patient/in noch ansprechbar ist, kann die Gabe von Glukose in Form von Traubenzucker oral erfolgen. Ist er/sie bereits bewusstseinsgestört, ist die intravenöse Gabe von Glukose indiziert.
Diabetiker/innen sollten im Hinblick auf Symptome und Anzeichen einer Unterzuckerung geschult werden und über mögliche Therapieoptionen informiert werden. Insbesondere das Mitführen von Traubenzucker ist wichtig. Bei einer bewusstlosen Person sollte differentialdiagnostisch stets eine Hypoglykämie ausgeschlossen werden.
Erste Hilfe bei leichterer Unterzuckerung
Leichte Hypoglykämien, bei noch vorhandenem Bewusstsein, können folgendermaßen behandelt werden:
- Einnahme von Glukose = Dextrose = Traubenzucker
- Flüssigkeitszufuhr: Obstsäfte, gesüßte Tees, Limonade, Cola (keine Light-Produkte)
Nach 15 Minuten der Einnahme wird empfohlen, den Blutzuckerspiegel zu messen. Liegt nach wie vor eine leichte Unterzuckerung vor, greift man erneut auf die oben genannten Maßnahmen zurück. Sofern sich der Blutzuckerspiegel normalisiert hat, gilt es, diesen mit kleinen kohlenhydrathaltigen Mahlzeiten zu stabilisieren. Hier empfehlen sich beispielsweise gesüßter Joghurt oder Obst.
Erste Hilfe bei schwerer Unterzuckerung (< 40 mg/dl)
Bei einer schweren Hypoglykämie von unter 40 mg/dl ist schnelles Handeln erforderlich: die intravenöse Gabe von 40%-iger Glukose ist indiziert und darauffolgend eine Blutzucker-Kontrolle. Im Anschluss daran gibt man eine 5%-ige Glukose-Lösung per Infusion.
Sofern kein venöser Zugang möglich ist, kann auch die intramuskuläre oder subkutane Gabe von 1 mg Glukagon Abhilfe schaffen. Hat die betroffene Person wieder das Bewusstsein erlangt, ist die Glukose unter Blutzucker-Kontrolle oral zuzuführen.
Unterzuckerung – Wann zum Arzt?
Ärztliche Hilfe ist in folgenden Fällen angeraten:
- bei Vorliegen von körperlichen Beschwerden, die auf eine Hypoglykämie hindeuten und kein Diabetes mellitus besteht
- bei bestehendem Diabetes und Vorliegen einer Hypoglykämie, die auf keine Selbstbehandlung anspricht (wie z.B. Trinken von Saft oder normalen Softdrinks, Essen von Süßigkeiten oder Einnahme von Traubenzucker)
- bei Diabetikern/-innen mit Symptomen einer schweren Hypoglykämie bzw. mit Anzeichen einer Unterzuckerung in der Vorgeschichte ist der Notdienst zu benachrichtigen
- bei Bewusstseinsverlust ist der Notdienst zu benachrichtigen
Hypoglykämie – Was macht der Arzt?
Um die Ursache einer Hypoglykämie zu identifizieren und dementsprechend richtig zu behandeln, bedarf es folgender anamnestischer Maßnahmen sowie therapeutischer Maßnahmen:
Anamnese
In der Anamnese erhebt der behandelnde Arzt die Kranken- und Krankheitsgeschichte des/der Patienten/-in und kann gegebenenfalls schon eine Verdachtsdiagnose zur Erklärung der Anzeichen einer Unterzuckerung stellen.
In der Anamneseerhebung ist in diesem Zusammenhang die Frage nach einer Grunderkrankung nach der Einnahme von bestimmten Medikamenten sowie die Frage nach dem Alkoholgenuss entscheidend.
Blutzuckermessung
Der/die behandelnde Arzt/Ärztin kann den aktuellen Blutzuckerspiegel ermitteln und feststellen, ob eine Hypoglykämie, eine Normoglykämie oder eine Hyperglykämie vorliegt.
Traubenzucker
Bei niedrigem Blutzuckerspiegel verabreicht der/die behandelnde Arzt/Ärztin Glukose in Form von Traubenzucker. Auch zuckerhaltige Getränke eignen sich gut, um einer Unterzuckerung entgegenzuwirken.
Glukoseinfusion
Liegt eine schwere Hypoglykämie mit Bewusstseinsstörungen und weiteren klinischen Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen vor, wird der behandelnde Arzt einen peripher venösen Zugang legen und Glukose per Infusion intravenös verabreichen. Eine regelmäßige Blutzuckerkontrolle ist wichtig. So vermeidet man eine Überdosierung der Glukose und damit eine versehentliche Hyperglykämie.
Glukagongabe
Zudem besteht die Option der Glukagongabe. Glukagon bewirkt einen Blutzuckerspiegelanstieg und ist ein Gegenspieler von Insulin, einem Hormon, das den Blutzuckerspiegel senkt.
Die Glukagongabe ist nur dann erfolgsbringend, wenn die Glykogenspeicher aufgefüllt sind, das bedeutet, wenn der/die Patient/in weder eine lange Fastenzeit eingehalten hat noch eine vorangegangene starke körperliche Belastung die Glykogenspeicher geleert hat.
Eine Glukagongabe ist darüber hinaus unwirksam bei Glykogenstoffwechselstörungen (Glykogenosen) oder nach exzessivem Alkoholkonsum.
Hier gibt es ein Anleitungsvideo wie die Notfallspritze zur Glukagongabe zu verwenden ist:
Weitere Untersuchungen
Als weitere wichtige Untersuchungen, die dazu beitragen, eine Hypoglykämie zu diagnostizieren, sind:
- U-Untersuchungen bei Kindern
- Urintest
- H2-Atemtest
- Röntgenuntersuchungen der Gallenwege, Gallenblase, Gänge der Bauchspeicheldrüse: ERCP
Hypoglykämie – Folgen
Zahlreiche Studien haben ergeben, dass Hypoglykämien, insbesondere bei Diabetikern/-innen mit diesen Folgen assoziiert sind:
- Demenz
- Schlaganfall
- Krisen der Blutdruckwerte
- Herzrhythmusstörungen
- plötzlicher Herzstillstand
Hypoglykämie – Prävention
Folgende vorbeugende Maßnahmen können ergriffen werden, um eine Hypoglykämie zu vermeiden:
Prävention für Diabetiker/innen
- Einhaltung des Diabetes-Managementplans
- bei neuer Medikamenteneinnahme: Essenspläne sowie bisherige Medikamentenpläne gegebenenfalls anpassen (unter Rücksprache mit Arzt/Ärztin), damit sich die neue Medikamenteneinnahme nicht negativ auf das Diabetesmanagement auswirkt
- Führen eines kontinuierlichen Glukosemessgeräts, insbesondere für diejenigen Patienten/-innen, die keine Warnsignale wahrnehmen (dieses setzt einen Alarm ab, wenn der Blutzuckerspiegel zu tief fällt)
- Mitführen eines schnell wirksamen Kohlenhydrats, wie z.B. Traubenzucker oder Saft, um einen fallenden Blutzuckerspiegel frühzeitig zu behandeln
Prävention ohne Diabetes mellitus
- Aufnahme kleiner Mahlzeiten über den Tag verteilt (kurzfristige Notlösung)
- ärztlichen Rat aufsuchen, um die Ursache der Hypoglykämie zu eruieren und dementsprechend zu therapieren
Häufige Fragen
- Wie entsteht eine Hypoglykämie?
- Ab wann spricht man von einer Hypoglykämie?
- Was tun bei Unterzuckerung?
- Ab wann ist eine Hypoglykämie tödlich?
Eine Hypoglykämie liegt vor, wenn der Blutzuckerspiegel niedriger als normal ist. Eine Unterzuckerung kann bei Diabetikern auf eine Insulinreaktion zurückzuführen sein oder in Zusammenhang mit Medikamenten sowie seltenen (Tumor-)Erkrankungen stehen. Aber auch eine kohlenhydrahtarme Nahrung oder
Eine internationale einheitliche Definition existiert nicht, sodass Blutzuckerwerte von weniger als 70 mg/dl bereits auf eine Unterzuckerung hindeuten können, aber auch ein Blutzuckerspiegel von weniger als 50 mg/dl als Grenzwert betrachtet werden kann.
Eine leichte Hypoglykämie kann mit der oralen Gabe von Glukose in Form von Traubenzucker oder zuckerhaltigen Getränken behandelt werden während bei einer schwerwiegenden Hypoglykämie unter ärztlicher Aufsicht eine intravenöse Glukoseinfusion indiziert ist. Eine weitere Option ist die Therapie der Glukagongabe.
Eine unbehandelte schwere und rezidivierende Hypoglykämie kann tödlich verlaufen. Auch Stürze, Verletzungen, Unfälle mit dem Kraftfahrzeug können sich ergeben. Darüber hinaus steht in Verdacht, dass rezidivierende Hypoglykämien im Zusammenhang mit der Entstehung von Demenz bei älteren Erwachsenen stehen.
Mehr zu Blutzucker
1. Dormann, A., Isermann, B., Heer, C.: Laborwerte, Urban & Fisher (Verlag), 7. Auflage, 2018
2. Schatz, H.: Diabetologie kompakt, Thieme (Verlag), 4. Auflage, 2006
3. Piper, W.: Innere Medizin, Springer Medizin Verlag, 2007
4. diabetes.org, Hypoglycemia (Low Blood sugar), https://diabetes.org/... (Abrufdatum: 18.10.2022)
5. Mayo Clinic, Hypoglycemia, https://www.mayoclinic.org/... (Abrufdatum: 18.10.2022)