
Aphasie ist eine Sprachstörung. Betroffene haben Probleme damit sich auszudrücken und verstehen oft nicht, was andere ihnen sagen. Die Sprachstörung entsteht indem bestimmte Areale im Gehirn geschädigt werden. Dies geschieht beispielsweise durch einen Schlaganfall, einen Gehirntumor oder ein Hirntrauma. Hier finden Sie alles Wissenswerte über die verschiedenen Formen, deren Symptome, Ursachen, Diagnose und therapeutische Maßnahmen.
Aphasie – Definition
Aphasie ist eine Sprachstörung, die durch geschädigte Sprachzentren im Gehirn entsteht. Es handelt sich hier nicht um eine Sprechstörung, sondern eine Sprachstörung. Das bedeutet, dass das Problem nicht bei dem Prozess der Wortbildung, wie beispielsweise beim Stottern, liegt, sondern bei der Fähigkeit Sprache zu codieren und zu decodieren – sprich sich auszudrücken und zu verstehen. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt „Sprachlosigkeit“.
Die Sprachstörung entsteht meist durch die Schädigung der linken Hirnhälfte, da diese bei den meisten die dominante Seite ist. Dadurch entstehen Probleme beim Sprechen und Verstehen und auch beim Lesen und Schreiben. Das kann sich darin äußern, dass manche Patienten Wörter verwechseln, im Telegrammstil reden, sich in Stereotypen ausdrücken oder sinnlose Silbenketten produzieren.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass Patienten nicht geistig beeinträchtigt sind und auch keine geistige Behinderung haben. Die geistigen Fähigkeiten der Betroffenen sind nicht beeinträchtigt und sie sind in der Lage ihr Wissen und Erinnerungen abzurufen. Sie sind immer noch in der Lage zu analysieren, Zusammenhänge zu erkennen und Signale, die nicht aus sprachlichen Inhalten bestehen, zu verstehen.
Aphasie – Formen
Eine Aphasie kann in verschiedenen Formen auftreten und hängt davon ab, welcher Teil des Gehirns geschädigt ist. Die vier gängigsten Formen sind die Broca Aphasie, Amnestische Aphasie, Wernicke Aphasie und Globale Aphasie. Die folgende Abbildung verdeutlicht die verschiedenen betroffenen Regionen des Gehirns. Im Anschluss stellen wir Ihnen die verschiedenen Formen einzeln vor.
Broca Aphasie (Motorische Aphasie)
Die Broca Aphasie, oder auch Motorische Aphasie genannt, wird durch das Sprechen im Telegrammstil charakterisiert. Denn hier ist das Sprechzentrum der Patienten betroffen, welches im Stirnlappen des Gehirns aufzufinden ist und löst die Sprachstörung aus. Betroffene haben Probleme damit, Sprache zu artikulieren, jedoch können ihre Gesprächspartner sie gut verstehen. Sie haben lediglich Probleme damit, selbst Sätze zu formulieren. Sie sprechen stockend, angestrengt und in unvollständigen Sätzen, die telegrammartig wirken. Außerdem verwechseln sie oft Laute. Daher sprechen Betroffene meist nur, wenn es nötig ist und verwenden kurze, einfache Sätze. Broca Aphasie betrifft nicht nur das Sprechen, sondern auch das Schreiben, welches ebenfalls eingeschränkt ist. Beim Lesen haben Betroffene keine Probleme.
Man sollte die Broca Aphasie nicht mit einer Dysarthrie verwechseln. Hier handelt es sich um eine Sprech- und nicht um eine Sprachstörung. Patienten haben motorische Störungen und können aufgrund dessen nicht verständlich sprechen.
Amnestische Aphasie
Bei der amnestischen Aphasie handelt es sich um eine Schädigung des Schläfenlappen am Übergang zum Scheitellappen. Sie ist die leichteste Form einer Aphasie. Menschen, die davon betroffen sind, haben Probleme damit, spontan Wörter zu finden. Ihren Gesprächspartner verstehen sie gut und sie selbst sind auch in der Lage sich verständlich zu artikulieren – das einzige Problem ist, dass ihnen die Worte fehlen.
Betroffene zögern oft beim Reden und benutzen viele Platzhalter und Redefloskeln, wie beispielsweise „das Ding“ oder „es“. Oftmals umschreiben sie auch den Begriff, wenn ihnen der Begriff nicht einfällt. Zum Beispiel „das Ding mit dem man schreibt“ für „Stift“. In seltenen Fällen werden die Wörter mit einem inhaltlich vergleichbaren Wort ersetzt, beispielsweise Baum statt Blume. Der Sprachfluss stockt und tritt auch beim Schreiben als Problem auf.
Wernicke Aphasie (Sensorische Aphasie)
Die Wernicke Aphasie, oder auch sensorische Aphasie genannt, entsteht durch eine Schädigung des Wernicke-Areals, welches auch als Wernicke-Sprachzentrum bezeichnet wird. Das Areal ist im oberen Schläfenlappen des Gehirns aufzufinden und ist für das Verständnis der Sprache zuständig. Betroffene haben Probleme damit, Sprache zu verstehen und können sich nur schwer ausdrücken und mitteilen. Typische Charakteristika sind das Verwechseln von Worten und Lauten und die Bildung von langen und verschachtelten Sätzen. Sie selbst realisieren oft nicht, dass sie eine Sprachstörung haben, da ein ganzer Wortschwall aus ihnen heraus kommt. Dieser ist jedoch für andere unverständlich und verworren mit vielen Wiederholungen von Satzteilen und auch ganzen Sätzen. Ist die Wernicke Aphasie stark ausgeprägt kann es sein, dass Betroffene nur „Kauderwelsch“ von sich geben. Sie reden zwar flüssig, jedoch ist der Inhalt ohne Sinn und auch das Verständnis von Sprache ist stark eingeschränkt. In vielen Fällen vermutet man fälschlicherweise eine Denkstörung bei den Patienten.
Globale Aphasie
Die schwerste Form von Sprachstörungen ist die globale Aphasie. Hier wird das Sprachverständnis und das Sprechvermögen beeinflusst und beeinträchtigt. Sie entsteht durch eine Schädigung von Teilen des Stirn-, Schläfen- und Scheitellappens im Gehirn. Dies bewirkt, dass verbale Kommunikation fast unmöglich ist. Selbst einfache Anweisungen sind für Betroffene unverständlich, da ihr Sprachverständnis so sehr gestört ist. Meist verstehen sie nur noch einzelne Worte und keine komplexeren Zusammenhänge. Und auch das Sprechen fällt schwer. Patienten verwenden Sprachautomatismen und viele können nur noch Bruchstücke von Wörtern aussprechen oder drücken sich in sinnlosen und wiederholenden Silben aus. In anderen Fällen werden automatisierte Floskeln, wie „mein Gott“, benutzt.
Misch- und Sonderformen
Abgesehen von den bereits vorgestellten Formen von Aphasie, gibt es vier Sonderformen. Diese treten jedoch relativ selten auf. Hier handelt es sich um Folgende:
Leitungsaphasie: Betroffene sprechen flüssig, allerdings produzieren viele phonematische Paraphrasien und haben Probleme beim Nachsprechen, beim Vorlesen und Schreiben. Das Sprachverständnis selbst ist nicht beeinträchtigt.
Transkortikale Aphasie: Patienten sind in der Lage nachzusprechen, jedoch leiden sie an einem reduzierten Kommunikationsverhalten. Grund ist eine Isolation der Sprachzentren, welche durch Schädigungen in den naheliegenden Hirnarealen entsteht.
Transkortikal-sensorische Aphasie: Betroffene leiden an schweren Sprachverständnisstörungen und äußern dies durch semantische Paraphasien, Wortfindungsstörungen und Echolalien (ständiges Wiederholen von Wörtern, Sätzen, Silben oder Geräuschen). Die Sprachproduktion an sich ist flüssig, jedoch wirkt es für Gesprächspartner oft echolalisch. Eine transkortikal-sensorische Aphasie entsteht durch eine Schädigung im hinteren temporoparietalen Bereich des Gehirns.
Transkortikal-motorische Aphasie: Entsteht durch eine Schädigung des Frontallappens und somit des Broca Areales. Spontanes Sprechen ist kaum möglich, das Sprachverständnis, Artikulation und Grammatik sind jedoch intakt.
Gemischt-transkortikale Aphasie: Gekennzeichnet durch eine geringe und nicht-flüssige Sprachproduktion und starke Sprachverständnisstörung. Patienten sind in der Lage Aussagen nachzusprechen. Eine gemischt-transkortikale Aphasie entsteht durch Schädigungen, die das Broca-Areal, das Wernicke-areal und den Fasciculus arcuatus von den umgebenden Hirnarealen trennen.
Aphasie – Symptome
Da es verschiedene Formen von Aphasie gibt, sind die Symptome häufig sehr unterschiedlich. Manche Betroffene leiden teilweise an einem Sprachverlust während er bei anderen komplett vorhanden ist. Die Sprachstörungen machen es für Betroffene schwer mit ihrer Umwelt zu kommunizieren.
Aphasie kann auch in Kombination mit anderen Erkrankungen, beispielsweise Demenz, auftreten, wenn eben das Gehirn betroffen ist. Betroffene leiden dann neben den Sprachstörungen an weiteren Symptomen, Gedächtnisstörungen oder Auffälligkeiten in Denk- und Verhaltensweisen.
Die folgende Tabelle gibt Ihnen eine Übersicht über die verschiedenen Formen der Aphasie und deren Symptome.
Form | Symptome |
Broca Aphasie |
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Amnestische Aphasie |
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Wernicke Aphasie |
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Globale Aphasie |
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Aphasie – Ursachen
Eine Aphasie entsteht dann, wenn im Gehirn die Sprachzentren verletzt oder gar geschädigt werden. Die gängigsten Ursachen sind:
- Schlaganfall
- Schädel-Hirn-Trauma
- Hirntumor
- Entzündliche Erkrankungen im Gehirn
- Vergiftungen
- Alzheimer
- Korsakow-Syndrom
- Mitochondriopathie
- Japanische Enzephalitis
- Carotisstenose
- Alkoholismus
- Alkoholvergiftung
Aphasie – Diagnose
Eine Diagnose wird durch einen Logopäden ausgeführt. Hier werden spezielle Tests, wie beispielsweise der Aachener Aphasie-Test, kurz AAT, durchgeführt, um die genaue Form der Sprachstörung herauszufinden. Neben Fragen zu bestehenden Symptomen, dem ausgeübten Beruf, der Familie und Freizeitaktivitäten des Patienten, wird die Sprache des Betroffenen genau analysiert. Hierbei achtet man auf folgende Auffälligkeiten:
- Wort- und Lautverdrehungen
- Wiederholungen von Worten
- Probleme bei der Wortfindung
- Sprachverständnis
- Fähigkeit Silben, Wörter und Sätze nachzusprechen
- Aufmerksamkeit
- Konzentrationsgefühl
- Die Fähigkeit, Dinge zu benennen
- Die Fähigkeit, zu lesen und zu schreiben
Wichtig: Treten Sprachstörungen plötzlich auf, sollte sofort ein Notarzt gerufen werden!
Aphasie – Therapie
Der Verlauf und die Schwere einer Aphasie beginnt mit der Schädigung des Gehirns und ist zusätzlich noch abhängig von dem Alter des Betroffenen. Häufig verbessert sich die Sprachstörung spontan und von selbst, allerdings kann sie auch länger andauern. Daher ist ein früher Beginn der Behandlung enorm wichtig, denn dies hat einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Eine Sprachtherapie sollte also möglichst früh begonnen werden und wird von einem Logopäden individuell an den Betroffenen angepasst. Selbst wenn erst nach einigen Jahren eine Behandlung begonnen wird, kann diese dennoch Erfolge erzielen.
Die Therapie für Aphasie-Betroffene verfolgt diese Ziele:
- Erkrankte Hirnareale müssen reaktiviert werden.
- Andere Hirnbereiche sollen angeregt werden und so die Aufgaben von gestörten Arealen übernehmen.
- Der Patient soll zum Sprechen animiert werden.
- Ängste, wie nicht verstanden zu werden und Fehler zu machen, werden abgebaut.
- Der Patient soll aus seiner Isolation befreit werden.
Die Therapie beinhaltet Sprech-, Konzentrations- und Verständnisübungen. Daneben gibt es auch oft Rollenspiele, die vor allem auf Alltagssituationen vorbereiten sollen. Diese finden meist in Gruppensitzungen statt. Leidet ein Patient unter einer sehr schweren Form der Aphasie, erlernt dieser Gesten, um mit seinem Umfeld besser kommunizieren zu können.
Eine Sprachtherapie ist in drei Stufen eingeteilt:
- Aktivierungsphase: In dieser Phase ist das Ziel, den Patienten dazu anzuregen zu Sprechen. Sie sollte früh nach der Hirnschädigung begonnen werden, selbst wenn die Form der Aphasie noch nicht bekannt ist.
- Übungsphase: Hier geht es um mehrere wöchentliche Sitzungen, die in der Regel eine Stunde andauern. Es gibt kein Standardverfahren, da sich jede Hirnschädigung anders äußert. Sie beginnt mit der individuellen Einzeltherapie und wechselt dann oft in Gruppensitzungen über. Man achtet hier besonders auf Fähigkeiten, Beschwerden und den Charakter des Betroffenen. Diese Phase dauert meist ein Jahr oder auch länger.
- Konsolidierungsphase: Dies ist die letzte Phase der Sprachtherapie und lehrt dem Patienten, wie er seine Fähigkeiten optimal einsetzt und weiterhin ausbaut.
1. Diener H.C. et al.: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Thieme Verlag. 4. Auflage, 2008
2. Baenkler H.-W. et al.: Innere Medizin. Thieme Verlag. 2. Auflage, 2009
3. Aphasie, www.aphasiker.de (Abrufdatum: 17.06.2020)
4. Aphasie, www.wicker.de (Abrufdatum: 17.06.2020)
5. Formen und Auswirkungen der Aphasie, www.schlaganfall-hilfe.de (Abrufdatum: 17.06.2020)