praktischArzt » Blog » News und Politik » Behandlungsfehler: Was passiert beim Ärztepfusch?
Jährlich kommt es etwa 14.000 Mal zu Behandlungsfehlern in Deutschland. Patienten haben mit Folgen von Ärztepfusch und Ärzte mit Klagen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zu kämpfen.
Aber was zählt denn bereits als Behandlungsfehler? Welche Krankheitsbilder sind am häufigsten betroffen und wie hoch kann ein Schmerzensgeld ausfallen bei entsprechendem Behandlungsfehler?
Wir klären in diesem Artikel auf und bilden mit Tabellen und Übersichten über das brisante Thema „Behandlungsfehler und Ärztepfusch“ auf.
Ein Behandlungsfehler (Kunstfehler) ist ein nach dem Stande der Medizin unsachgemäßes, den Patienten schädigendes Verhalten (durch Tun oder Unterlassen) des Arztes. Dies kann alle Bereiche ärztlicher Tätigkeit betreffen und muss nicht rein medizinischer Natur sein. Es können ebenfalls auch Einflüsse in organisatorische Abläufe oder begleitende Aktivitäten durch zuarbeitende Personen sein. Eine falsche Aufklärung vor einem Eingriff oder das falsche Kommunizieren von Risiken fällt ebenfalls unter die Kategorie von einem Behandlungsfehler oder einem Kunstfehler.
Formen von Behandlungsfehlern:
Laut Statitik des Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes-Bund der Krankenkassen aus dem Jahr 2018 gab es im vergangenen Jahr etwa 14.100 Behandlungsfehlervorwürfe. Festgestellte Fehler gab es etwa 3.500. Auch die Behandlungsfehlerstatistik der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für 2018 sprechen von 6.000 Sachentscheidungen und von 1.800 Fällen bei denen ein konkreter Behandlungsfehler festgestellt wurde.
Kommt es nicht zum gewünschten Erfolg einer Behandlung oder einem Schaden durch das Nichthandeln, so leiden Patienten oftmals unter starken gesundheitlichen Einschränkungen. In vielen Fällen stehen den Geschädigten Schadenersatzansprüche zu. Im Folgenden zeigen wir auf welche Konsequenzen Behandlungsfehler für Patienten als auch für Ärzte hat.
Die Medizinischen Dienste der Krankenkassen veröffentlichen regelmäßig Aufstellungen von gemeldeten Kunstfehlern und deren Häufigkeit. Aus dem Jahr 2018 ergibt sich die folgende Rangliste, sortiert nach Häufigkeit des Auftretens.
Rang | Fehlbehandelte Krankheit | Anzahl |
1 | Oberschenkelfraktur (Femurfraktur) | 62 |
2 | Arthrose des Hüftgelenks (Koxarthrose) | 58 |
3 | Arthrose des Kniegelenks (Gonarthrose) | 52 |
4 | Unterarmfraktur | 46 |
5 | Unterschenkel- und Sprunggelenksfraktur | 42 |
6 | Schulter- und Oberarmfraktur | 29 |
7 | Bandscheibenschäden, Lendenwirbelsäule | 28 |
8 | Gallensteinleiden (Cholelithiasis) | 28 |
9 | Kniebinnenschaden (traumatisch) | 28 |
10 | Hand- und Handgelenksfraktur | 25 |
Quelle: Statistische Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für das Statistikjahr 2018
Zuerst muss sich der Geschädigte fragen, was er nach einem Kunstfehler erzielen möchte:
Ist sich der Patient über diese Punkte im Klaren, so gibt es wichtige Schritte in der vorangehenden Dokumentation der Geschehnisse.
Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit sich außergerichtlich oder gerichtlich zu einigen. Als Patient stehen einem außergerichtlich beispielsweise die folgenden drei Verfahren zur Verfügung:
Die generell kostspieligere Variante liegt in einem gerichtlichen Verfahren. Bei diesem Verfahren spricht man von selbstständigen Beweisverfahren, Klageverfahren und sogar strafrechtlichen Verfahren:
Mit Erhalt der Approbation nach Ende des Studiums wird der Medizinstudent zum Arzt. Hieraus ergeben sich sowohl Pflichten als auch Rechte. Diese Pflichten sorgen dafür, dass der Mediziner unter bestimmten Voraussetzungen verantwortlich gemacht wird für das, was er tut und insbesondere für das was er falsch macht.
Unabhängig von einer Beschäftigung als Assistenzarzt in einem Krankenhaus haftet ein Mediziner, solange er approbiert ist, sogar für mögliche Fehler bei Erste-Hilfe-Leistungen oder Behandlungen im Freundes- und Bekanntenkreis. Nach dem BGB (Bürgerlichem Gesetzbuch) ist diese Haftung der Höhe nach unbegrenzt.
Grundsätzlich hat jeder Betroffene jedoch eine Beweislast gegenüber dem Arzt. Diese muss nachweislich vorgewiesen werden.
Eigentlich eine tragische Heldentat: Ein Arzt sieht, wie ein zweijähriges Kind regungslos auf dem Wasser treibt und rettet es. Nachdem er den Schaum aus der Nase entfernt, den Puls gefühlt und die Temperatur gemessen hat, stellt er schließlich nach einem Blick in die Pupillen fest, dass das Kind tot ist und unterlässt weitere Wiederbelebungsversuche. Die anschließend eintreffenden Notärzte holen das Mädchen wieder zurück ins Leben und bringen es ins Krankenhaus.
Doch das Schicksal hat bitter zugeschlagen: Die Patientin hat auf Grund des Sauerstoffmangels einen irreparablen Hirnschaden erlitten und ist behindert. Jahre später klagt das junge und lebenslang pflegebedürftige Mädchen gegen den Helfer, weil er Diagnose- und Behandlungsfehler begangen haben soll.
In solch einem Fall kann der Arzt zu Schmerzensgeld sowie Übernahme der Behandlungskosten verurteilt werden.
Bei Behandlungsfehlern kann ein betroffener Patient neben den Behandlungskosten auch ein Schmerzensgeld einklagen. Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich nach der Schwere des Fehlers und den folgenden Einschränkungen und Komplikationen, die durch den Behandlungsfehler entstanden sind.
Als Richtwerte führen wir eine Tabelle auf mit verschiedenen Beispielen für Schmerzensgeld-Höhen, die sich aus unterschiedlichen Urteilen ergeben haben. Es entscheidet jedoch immer der Einzelfall.
Sachverhalt | Instanz/ Jahr | Höhe Schmerzensgeld |
Schmerzensgeld nach Verlust des Geruchssinns nach Operation | OLG Köln, 1992 | 3.500 Euro |
mangelhaftes Einsetzen einer künstlichen Hüftprothese führte zu Oberschenkelbruch | OLG Köln, 1995 | 5.000 Euro |
falsch zusammengewachsener Arm eines 2-Jährigen | LG Karlsruhe, 2009 | 6.000 Euro |
Schmerzensgeld für Trümmerfraktur des Halswirbels mit drohendem Querschnittssyndrom | OLG Oldenburg, 1997 | 7.500 Euro |
Schmerzensgeld für den Tod eines Patienten durch Herzversagen | LG Detmold, 2007 | 10.000 Euro |
Schmerzensgeld für eine Querschnittslähmung nach fehlerhafter Operation | OLG Hamm, 2004 | 220.000 Euro |
starke Behinderung eines Kindes durch einen nicht rechtzeitig behandelten Wasserkopf | LG Aurich, 2005 | 250.000 Euro |
Schmerzensgeld für schwerstbehindertes Baby nach zu spät eingeleitetem Kaiserschnitt | OLG Jena, 2009 | 600.000 Euro |
schwerer Hirnschaden eines 4-jährigen Mädchens | KG Berlin, 2012 | 650.000 Euro |
Schmerzensgeld für Geburtsschaden mit 100%iger Behinderung eines Babys | OLG Frankfurt, 2014 | 700.000 Euro |
Quelle: www.schmerzensgeldtabelle.net
Je nach Krankenhaus und den intern geltenden Regelungen kann es sein, dass der Arbeitgeber einen behandelnden Arzt bei grober Fahrlässigkeit in Regress nehmen will. Grundsätzlich kann einem Arzt jedoch nichts passieren, da das Krankenhaus die Aufsichtspflicht hat und dem Mediziner aus Behandlungsfehlern kein Strick gedreht werden kann. Außer natürlich der Arzt hat grob fahrlässig gehandelt und das Krankenhaus behält sich vor, den Arzt hierfür in Regress zu nehmen.
Eine gute Haftpflichtversicherung sollte unbedingt auch die Möglichkeit dieses Regresses für Ärzte absichern. Eine sogenannte Berufshaftpflichtversicherung entschädigt berechtigte Schadenersatzansprüche und übernimmt für den Arzt zusätzlich die Abwehr unberechtigter Forderungen Dritter (inkl. der Kosten eines Zivilprozesses). Diese Absicherung geht für den Arzt bis vor Gericht, bei dem man sich gegebenenfalls verteidigen muss.
Einige Haftpflichtversicherung beinhalten ebenso den Strafrechtsschutz. Kommt es neben einem Zivilprozess auch noch zu strafrechtlichen Vorwürfen, ist der Arzt bei Behandlungsfehlern also ebenfalls abgesichert.
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