
In Deutschland sind ca. 1-2% der Bevölkerung von einer chronischen Wunde betroffen. Das entspricht etwa 4 Millionen Menschen. Diese Menschen leiden nicht nur unter den Schmerzen, die mit der chronischen Wunde einhergehen, sondern auch unter der damit verbundenen Einschränkung ihres sozialen Lebens. So geht auch eine große psychische Belastung mit den physischen Schmerzen einher. Wir betrachten diese Thematik etwas genauer.
Inhaltsverzeichnis
Was ist eine chronische Wunde?
Unter einer chronischen Wunde versteht man Wunden, die trotz fach- und sachgerechter Versorgung nach vier Wochen keine Heilungstendenzen zeigen bzw. Wunden, die nach drei Monaten noch immer nicht abgeheilt sind.
Chronische Wunden – Arten
Bestimmten chronischen Wunden geht eine Grunderkrankung voraus, die es genauso zu therapieren gilt, wie die Wunde selbst. So ist die erfolgreiche Behandlung einer chronischen Wunde abhängig davon, ob die Grunderkrankung ausreichend behandelt wird. So entstehen chronische Wunden meist in Verbindung mit folgenden Grunderkankungen:
- Venenschwäche
- Krampfadern
- Schaufensterkrankheit (periphere arterielle Verschlusskrankheit)
- Diabetes mellitus
Zusätzliche Auslöser einer chronischen Wunde können Polyneuropathie, Druck auf das Gewebe oder Mangelernährung sein.
All diesen Erkrankungen liegt eine Unterversorgung von Gewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen zugrunde. Dadurch kommt es zu einer Wundheilungsstörung, die sich manifestieren und sich zur chronischen Wunde entwickeln kann.
Unterschied zwischen akuter und chronischer Wunde:
Akute Wunde | Chronische Wunde | |
Entstehung | Einfluss von außen | Einfluss von innen |
Mechanisch (z.B. Schnitt) | Grunderkankungen | |
Thermisch (Hitze, Kälte) | Durchblutungsstörungen | |
Chemisch (Säure) | Herzschwäche | |
Ärztlichen Eingriff | Diabetes mellitus | |
strahlenbedingt | Immunschwäche | |
Infektionen | ||
Heilungsdauer | 12-14 Tage | Acht Wochen und länger |
Therapie | Meist keinerlei Behandlung notwendig | Fachmännische Wundbehandlung sowie Therapie der Grunderkrankung |
Ulcus cruris
Vielen ist diese Erkrankung besser bekannt als „offenes Bein“. Das Geschwür am Unterschenkel (Ulcus = Geschwür, cruris = Unterschenkel) ist das Resultat von arteriellen und/oder venösen Durchblutungsstörungen in den Beinen. Das Gewebe in den Beinen wird unzureichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Dadurch kommt es zur Zerstörung des Hautgewebes, die bis in die Dermis/Subkutis greift. Es entsteht eine offene Wunde am Unterschenkel, die bei Nichtbehandlung chronisch werden kann. Die Betroffenen leiden unter starken Schmerzen beim Auftreten und sind in ihrer Mobilität extrem eingeschränkt.
Diabetischer Fuß
Hierbei handelt es sich um ein Zusammenspiel aus erhöhtem Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie), Nervenschäden (Polyneuropathie) und Durchblutungsstörungen, das zum diabetischen Fußsyndrom führen kann. Wie der Name verrät, sind davon Diabetes mellitus Patienten betroffen.
Bleibt die Diabetes mellitus Erkrankung unentdeckt oder wird der Blutzuckerspiegel nicht durch die richtige Therapie reguliert, kann es zu schwerwiegenden Folgen kommen. Durch einen jahrelangen überhöhten Blutzuckerspiegel werden Nerven und Blutgefäße besonders in den Füßen stark beansprucht und geschädigt. Die Patienten nehmen beispielsweise Schmerzen weniger bis gar nicht mehr wahr. So werden die Füße regelmäßig zu engem Schuhwerk oder zu heißen Fußbädern ausgesetzt. Bei Nervenschädigungen kommt es zu Fehlstellungen der Zehen. Blutungen unter entstandener Hornhaut sind die Folge, die sich zu Geschwüren ausbilden können. Verletzungen werden spät bis gar nicht bemerkt, bleiben unbehandelt und bieten somit Raum für Infektionen. Daraus manifestieren sich chronische Wunden.
Dekubitus
Das Wundliegen infolge langen Liegens bei bettlägerigen Patienten wird als Dekubitus bezeichnet. Gerade in der Altenpflege kommt diese Form einer chronischen Wunde oftmals vor. Der Betroffene ist mobil stark eingeschränkt und kann seine Liege- oder Sitzposition nicht selbstständig justieren. So entsteht ein Dekubitus häufig im Bereich von knöchernen Vorsprüngen infolge von lang einwirkendem Druck oder Druck in Kombination mit Scherkräften wie es bei langem Liegen oder Sitzen in unveränderter Haltung der Fall ist. Aufgrund der fehlenden Druckentlastung kommt es zu einer schlechten Durchblutung des Areals. Durch das Einwirken dieses Drucks tritt eine örtliche limitierte Schädigung der Haut auf. Auch darunter liegendes Gewebe kann in Mitleidenschaft gezogen sein. Hält der Druck zu lange an, resultiert dies im Absterben der Zellen – einer Nekrose.
Chronische Wunde – Diagnose
Nicht jede Wunde entwickelt sich zwangsläufig zu einer chronischen Wunde. Um die Diagnose mit Sicherheit stellen zu können, bringt der Arzt in Erfahrung wie lange die offene Wunde bereits besteht und ob Vorerkankungen, wie Diabetes, Durchblutungsstörungen oder eine Immunschwäche vorhanden sind.
Daran im Anschluss wird die Wunde genauestens untersucht. Dabei werden folgende Faktoren beurteilt:
- Größe und Tiefe
- Zustand des Wundrands und des sich anschließenden Gewebes
- Farbe (weiß, rötlich, gelb oder schwarz)
- Geruch
- Austreten von Flüssigkeit und deren Beschaffenheit
- Stärke von Schmerzen und Juckreiz
Zudem kann die sogenannte ABCDE-Regel angewendet werden, um eine Wunde als chronisch einzustufen:
- A-Anamnese: der Patient bzw. die pflegenden Angehörigen werden zur bestehenden Wunde oder auch Wunden in der Vergangenheit befragt
- B-Bakterien: Mittels eines Abstrichs kann festgestellt werden, ob die Wunde mit Bakterien oder anderweitigen Erregern infiziert ist.
- C-klinische Untersuchung: die Wunde wird detailliert untersucht. Dabei wird die Lokalisation, Wundrand und -umgebung beurteilt.
- D-Durchblutung: um den Zustand von Venen und Arterien im Bereich der Wunde einzustufen, werden diese untersucht.
- E-Extras: waren die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen noch nicht eindeutig, können weitere, individuelle Untersuchungsmethoden herangezogen werden.
Chronische Wunden – Behandlung
Bei der Behandlung von chronischen Wunden muss zunächst eine detaillierte Diagnostik erfolgen. Bestehen Grund- bzw. Vorerkrankungen, die mit der chronischen Wunde in Verbindung stehen gilt es diese priorisiert zu behandeln. Erst wenn die Grunderkrankung therapiert wird, kann die Behandlung der Wunde erfolgen. So muss bei einem Patienten mit einem diabetischen Fuß zunächst die Diabetes mellitus behandelt werden, damit die Therapie der chronischen Wunde erfolgreich verlaufen kann.
Wundreinigung und Bekämpfung von Infektionen
Die professionell durchgeführte Wundreinigung und Bekämpfung von Infektionen sind ein grundlegender Bestandteil bei der Behandlung von chronischen Wunden. In Verbindung mit der Wundreinigung findet ein regelmäßiger Verbandswechsel statt. Beides wird von medizinischem Fachpersonal durchgeführt. Bei primär heilenden, aseptischen Wunden ist eine mechanische Reinigung mittels steriler Kompresse oder Tupfer ausreichend. Der Tupfer bzw. Kompresse sind entweder mit einer Desinfektionslösung oder Kochsalzlösung getränkt. Die Reinigung erfolgt von innen nach außen.
Bei sekundär heilenden Wunden gestaltet sich der Reinigungsvorgang umfassender. Es muss eine Wundreinigung durch Débridement (Wundtoilette) und einer Wundspülung erfolgen. Infizierte Wunden werden von außen nach innen gereinigt unter Verwendung von antiseptischen Lösungen.
Wundtoilette
Bei der Wundtoilette, auch Débridement genannt, werden bei einer chronischen Wunde avitales Gewebe, Verschmutzungen, Biofilm, Fibrinbeläge und Nekrosen abgetragen, bis gesundes Gewebe erreicht ist. Bei der mechanischen Wundtoilette reicht der Einsatz von sterilen Tupfern und Kompressen in Kombination mit physiologischen Wundspüllösungen (bei nicht infizierten Wunden) oder antiseptischen Lösungen (bei infizierten Wunden) um die Wunde ausreichend zu reinigen.
Beim chirurgischen Débridement trägt der Arzt mit Hilfe von Pinzette, Skalpell oder Shaver das avitale Gewebe soweit ab, bis intaktes Gewebe erreicht ist. Diese Methode ist besonders schnell und effektiv, jedoch auch sehr schmerzhaft für den Patienten. Eine örtliche Betäubung vor einer Wundtoilette ist möglich, um die Behandlung erträglicher zu machen. Je nach Umfang der chronischen Wunde kann für eine Wundtoilette sogar eine Narkose in Frage kommen.
Wundauflagen
Nach der Reinigung der Wunde wird sie mit einem Verband und einer Wundauflage versorgt. Als Wundauflage eignen sich feuchte Kompressen, Hydrogele oder Folien. Ihre Aufgabe ist es die Wunde feucht zu halten, überschüssige Wundflüssigkeit aufzunehmen und sie vor Infektionen zu schützen. Sie beeinflussen den Temperatur- und Feuchtigkeitshaushalt der Wunde, was sich positiv auf den Heilungsprozess auswirkt. Die Wundauflage sollte gewechselt werden, sobald sie mit Wundsekret vollgesogen ist, verrutscht ist oder Wundflüssigkeit aus dem Verband tritt.
Behandlung von Schmerzen
Die schmerzliche Belastung bei chronischen Wunden ist mitunter körperlich wie seelisch sehr hoch. Besonders beim Verbandswechsel und der Wundreinigung ist oftmals die Verabreichung eines Schmerzmittels oder eine örtliche Betäubung unumgänglich. Für die Behandlung von Schmerzen darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an medikamentösen und nicht-medikamentösen Optionen. Deren Einsatz ist abhängig von der Ursache der chronischen Wunde sowie den persönlichen Vorlieben des Patienten. Klassische Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol helfen bei leichten bis mittelstarken Schmerzen. Gerade für eine erholsame Nachtruhe ist die Schmerzbehandlung essentiell. Für eine nicht medikamentöse Schmerztherapie kommen beispielsweise autogenes Training, Akupressur oder Kompression in Frage.
Begleitende Maßnahmen zur Unterstützung der Wundheilung
Um die Wundheilung der chronischen Wunde positiv zu beeinflussen kann man zusätzliche, unterstützende Maßnahmen ergreifen:
- Durch regelmäßige Körper- und Hautpflege werden weitere Wunden vermieden
- Ausgewogene Ernährung trägt zur Wundheilung bei
- Wärme in der Nähe des Wundgebietes vermeiden
- Hygiene im Haushalt (insbesondere bei Anwesenheit von Tieren) ist unerlässlich, um eine Wundinfektion zu vermeiden
- Regelmäßiger sozialer Kontakt mit Familie, Freunden, Pflegepersonal oder Ärzten ist wichtig, um dem Patienten die Möglichkeit zu geben, sich mitzuteilen. Oftmals ziehen sich Patienten aufgrund von Scham oder Schmerzen zurück. Diese soziale Isolation wirkt sich meist negativ auf den Heilungsverlauf aus.
Mehr zur Wundversorgung
1. I care Pflege, Thieme (Verlag), 2015
2. Schlecht heilende Wunden, www.gesundheitsinformation.de, (Abrufdatum: 14.09.2020)
3. Entstehung, www.dekubitus.de, (Abrufdatum: 15.09.2020)