
Gesetzliche Krankenversicherung versus Private Krankenversicherung? Ist die gängige Formulierung einer Rivalität überhaupt sinnvoll – eigentlich nicht!
Inhaltsverzeichnis
- Struktur: Gesetzliche KV und Private Krankenversicherung
- Vor- und Nachteile der Krankenversicherungen für Ärzte
- Nachteile der PKV gegenüber GKV
- Als Assistenzarzt erst einmal in der Gesetzlichen Krankenversicherung
- Unterschiede Leistungen: GKV und PKV
- Finanzierung: Gesetzliche vs Private Krankenversicherung
Lauscht man dem Interview des NDR mit unserem Bundesminister für Gesundheit Hermann Gröhe, indem es eigentlich um dessen Einschätzung zu einer Umfrage des Norddeutschen Rundfunks geht, die die schnellere Terminvergabe an privat Krankenversicherte bei Fachärzten feststellt, ist es auffällig, wie in diesem Zusammenhang schnell ein Gegeneinander entsteht. Der Minister versucht in den wenigen Sätzen, die Gesetzliche Krankenversicherung in Schutz zu nehmen. Wieso ist das überhaupt notwendig?
Gesetzliche KV und Private Krankenversicherung
Welche Perspektive erlaubt überhaupt eine solche Gegenüberstellung und bedingt, dass die Beteiligten Stellung beziehen? Im Gesundheitssystem gibt es zum einen die Leistungsempfänger (Patienten), die Leistungserbringer (Ärzte, Apotheker und sonstige Heilberufe), die Leistungsfinanzierer (Selbstzahler, gesetzlich und privat Krankenversicherte), die Leistungszahler (Direktzahler, Kostenträger – Krankenversicherungen) und den Staat, der über seine Körperschaften maßgeblich Einfluss auf das System nimmt.
Vor- und Nachteile der Krankenversicherungen für Ärzte
Hört und liest man etwas über Vor- und Nachteile der jeweiligen Systeme, muss man sich immer die Frage stellen, ob es sich überhaupt um eine neutrale Meinung handeln kann. Die Vertreter des GKV-Spitzenverbandes werden nur die Nachteile der Privaten Krankenversicherung nennen; ein Versicherungsvertreter der PKV nur die Vorteile.
Das Besondere in Eurem Fall als Mediziner ist, dass Ihr gleich mehrere Rollen in diesem System inne haltet. Selbstverständlich seid Ihr Leistungsempfänger, aber auch Leistungserbringer. Aus welcher Sicht also bewertet Ihr die verschiedenen Systeme? An dieser Stelle geht es um Euch als Empfänger von Leistungen mit dem entsprechenden Einblick hinter die Kulissen.
Nachteile der PKV gegenüber GKV
Ein sehr wichtiger Punkt ist die Tarifentwicklung bei Privaten Krankenversicherungen, welche abhängt von allen Versicherten im eigenen Tarif. So können sich im ungünstigen Falle anfänglich sehr niedrige Tarife binnen zehn Jahren stark erhöhen.
Auch muss bei Krankheit in Vorleistung gegangen werden, also die Abrechnungen vorgestreckt und im Nachgang von der Krankenversicherung eingefordert werden. Generell ist zu beobachten, dass bei vielen Ärzten häufig aufgrund augenscheinlicher “Zusatzleistungen” oder besserer Versorgung Behandlungen teurer in Rechnung gestellt werden als bei gesetzlich Versicherten.
Die Gesundheitsprüfung kann vielen Interessenten generell bereits zum Abschluss einer PKV Kopfschmerzen bereiten. Wer früh krank ist oder ein chronisches Leiden hat, der muss sofort mit höheren Beiträgen rechnen oder wird gar komplett abgelehnt.
Als Assistenzarzt erst einmal in der Gesetzlichen Krankenversicherung
Es ist zu beachten, dass alle Arbeitnehmer grundsätzlich in der Gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, somit auch der Assistenzarzt. Nur die Arbeitnehmer, die mit ihrem Jahresbruttoeinkommen die Versicherungspflichtgrenze (Stand 2024: 69.300 Euro pro Jahr) überschreiten, können sich in der Privaten Krankenversicherung versichern. Da Euer Einstiegsgehalt (ohne Dienste) unter dieser Grenze liegt, werdet Ihr in aller Regel zum Berufsstart GKV-pflichtig. Wenn Ihr Euch überlegt, wie Ihr versichert sein wollt, also welchen Leistungszahler Ihr wählen möchtet, solltet Ihr Euch nicht von den Meinungen einzelner abhängig machen, sondern die Systemunterschiede ganz genau kennen und verstehen.
Die grundlegenden Unterschiede findet man bei den Leistungen, den Beiträgen und bei der Finanzierung.
Unterschiede Leistungen: GKV und PKV
Auch hier nochmals der Hinweis, sich mit dem System zu beschäftigen und sich nicht auf Aussagen zu verlassen wie: „In der Privaten bekommst Du bessere Leistungen“ oder „Die Gesetzliche ist viel günstiger“ – Beide Aussagen sind pauschal auch falsch!
Der GKV liegt das Sachleistungsprinzip zu Grunde. Das bedeutet, dass der behandelnde Arzt direkt mit der Krankenkasse abrechnet. In diesem Fall erfährt der Patient in der Regel keine Abrechnungsdetails. Die Ärzte sind gezwungen, sich mit den Krankenkassen „gut zu stellen“, um möglichst reibungslose Erstattungen der Abrechnungen zu erhalten. Im Fünften Sozialgesetzbuch sind die Leistungen in einem Rahmenrecht vorgegeben. Die Leistungen sollen ausreichend, bedarfsgerecht und den allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen.
Ebenfalls festgelegt ist, dass die Leistungen dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterliegen müssen; sie sollen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (Quelle: Bundeministerium für Gesundheit).
Die PKV basiert auf dem Kostenerstattungsprinzip und sorgt dafür, dass zunächst Arzt und Patient direkt miteinander abrechnen. Arzt und Patient besprechen sowohl Behandlung als auch Kosten miteinander. Der Patient reicht die Rechnungen dann bei seiner Versicherung ein und erhält die Kosten je nach vereinbartem Tarif erstattet. Ein häufiger Trugschluss ist der Glaube, man sei in der PKV per se besser versichert. Richtig ist, dass ich über die Vielzahl von Tarifen der Versicherungsunternehmen die Möglichkeit habe, das zu versichern, was mir wichtig ist. Deshalb gibt es auch sehr viele Tarife, die bei einzelnen Leistungspunkten unter der gesetzlichen Absicherung liegen. Wähle ich das richtige Gesamtpaket, habe ich einen vertraglich garantierten Anspruch auf diese Leistungen.
Die Leistungen der GKV werden also auch immer den Rahmenbedingungen angepasst, wohingegen die PKV bis zum Vertragsende an die vereinbarten Leistungen gebunden ist. Bei einem Tarif mit Chefarztbehandlung ist also gewährleistet, dass man auch in 52 Jahren noch Anspruch darauf hat – mal davon abgesehen, ob man das überhaupt möchte.
Unterschiede Beiträge: GKV vs PKV
Der Beitrag zu Gesetzlichen Krankenversicherung ist einkommensabhängig und wird direkt vom Bruttogehalt abgeführt. Der Beitrag beträgt Stand 2024 = 14,6 % und wird hälftig von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gezahlt. Krankenkassen, die ihren Finanzbedarf nicht durch die Beiträge decken können, dürfen Zusatzbeiträge erheben, die der Arbeitnehmer alleine bezahlt. Diese betragen im Jahr 2024 zwischen 0,9 und 1,7 %.
Die Beitragskalkulation der PKV für Ärzte basiert auf dem Individualprinzip und ist unabhängig vom Einkommen, sondern bestimmt sich über das Alter bei Beginn der Versicherung und dem Gesundheitszustand zu diesem Zeitpunkt.
Die GKV hat den großen Vorteil, dass die ganze Familie mit einem Beitrag von Euch mitversichert ist, wohingegen Ihr im Individualprinzip jede Person eigenständig versichern müsst.
Finanzierung: Gesetzliche vs Private Krankenversicherung
Die Gesetzlichen Krankenkassen finanzieren aus den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds und den kassenindividuellen Zusatzbeiträgen. Der Gesundheitsfonds finanziert sich hauptsächlich aus den Beiträgen der Versicherten. Zusätzlich zu den Leistungen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlt der deutsche Staat einen Zuschuss an den Fonds. Die privaten Krankenversicherungen kalkulieren die Beiträge nach den für die versicherte Person gelten Kalkulationsgrundlagen und wirtschaften im Kapitaldeckungsverfahren. Somit werden ebenfalls Altersrückstellungen gebildet.
Das nachfolgende Video zeigt eine Sichtweise, wie sich das System weiterentwickeln könnte: