Im ärztlichen Führungsalltag einer Klinik müssen sowohl die tägliche medizinische Versorgung der Patienten und die Abläufe innerhalb der Fachabteilung, die Dynamik innerhalb des ärztlichen Kollegiums sowie die fachärztliche Ausbildung der Weiterbildungsassistenten gewährleistet werden.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeine Herausforderungen im ärztlichen Führungsalltag
Die allgemeinen täglichen Herausforderungen ärztlicher Führungskräfte beginnen beim eigenen Zeitmanagement und umfassen darüber hinaus die Koordination eines multidisziplinären Versorgungsansatzes im Spannungsfeld zwischen perfekter Patientenversorgung und Wirtschaftlichkeit der Klinik.
Umgang mit multidisziplinären Teams
In den medizinischen Fachabteilungen von Krankenhäusern erfolgt die Behandlung von Patienten sowohl durch ärztliches als auch durch pflegerisches Personal. Man spricht in diesem Zusammenhang vom sogenannten multidisziplinären Versorgungsansatz. Gute Führungskräfte binden alle Mitarbeitenden in die tägliche Teamarbeit ein, machen sich hierbei die jeweiligen Fachkenntnisse der Angestellten zu Nutze, nehmen aber gleichzeitig Rücksicht auf fachliche Grenzen und gehen auf die individuellen Bedürfnisse des Personals ein.
Es ist im Führungsalltag zudem wichtig, die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitenden generell zu stärken, Abteilungsprozesse zu koordinieren, Entscheidungen in Bezug auf bestimmte Therapiemaßnahmen und Behandlungen herbeizuführen und im Falle von Konflikten zu einer schnellen Lösung beizutragen.
Zeitmanagement und Priorisierung in einem dynamischen Arbeitsumfeld
Da der Führungsalltag von Ärzten eine ständige Grätsche zwischen der Patientenversorgung und den Führungsaufgaben verlangt, ist ein effektives Zeitmanagement von großer Bedeutung. Mit den folgenden Tipps lässt sich der Führungsalltag besser strukturieren.
- Prioritäten setzen
- Aufgaben delegieren
- Einbindung des Teams in die Abläufe
- Optimierung von Prozessen
- Verwendung digitaler Tools zur Dokumentation
- aktive Kommunikation
Führungsalltag zwischen Patientenversorgung und Wirtschaftlichkeit
In Deutschland übernehmen sowohl die Krankenkassen als auch die Bundesländer die Finanzierung von Krankenhäusern im Sinne eines dualen Finanzierungsmodells. Seit 2003 rechnen Kliniken die entstandenen Behandlungskosten der Patienten nach dem sogenannten DRG-System ab, welches Krankheitsdiagnosen in Fallgruppen einteilt und den Krankenhäusern Fallpauschalen zuteilt unabhängig von der Dauer des stationären Aufenthaltes der Patienten. Ziel dieses Systems war, die Wirtschaftlichkeit des Gesundheitssystems anzukurbeln.
Nicht nur die Geschäftsleitung, sondern auch alle Ärzte in Führungspositionen stehen in diesem Zusammenhang regelmäßig zwischen zwei Stühlen, nämlich der optimalen Versorgung für den Patienten sowie der Versorgung mit dem maximal wirtschaftlichen Nutzen für das Krankenhaus.
Kommunikation als Führungsinstrument
Wer die Rolle einer Führungskraft einnimmt, muss in der Lage sein, mit seinen Mitarbeitenden zu kommunizieren. Kommunikation ist mit das wichtigste Führungsinstrument und spielt im ärztlichen Führungsalltag eine essenzielle Rolle, wenn es beispielsweise um die Übergabe von Patienteninformationen, die Delegation von Therapiemaßnahmen oder den Transfer von allgemeinem Wissen an ärztliche Weiterbildungsassistenten geht.
Darüber hinaus ist regelmäßiges Feedback an die Mitarbeiter wichtig. Ärztliche Führungskräfte müssen einmal jährlich Feedbackgespräche mit ihren Angestellten führen und in der Lage sein Lob und Anerkennung auszusprechen oder kritische Rückmeldungen zu geben, ohne den Betroffenen hierbei persönlich anzugreifen.
Effektive Kommunikationsstrategien für den Führungsalltag
Geeignete Kommunikationsstrategien werden nicht standardmäßig innerhalb des Medizinstudiums oder der fachärztlichen Weiterbildung vermittelt. Daher ist es umso wichtiger sich diese selbst anzueignen. Wie kommuniziert man richtig? Wer die folgenden Regeln einhält, kommuniziert effektiver:
- dem Gesprächspartner respektvoll und freundlich gegenübertreten
- Augenkontakt halten
- aktives Zuhören und das Gegenüber aussprechen lassen
- offene Körperhaltung einnehmen
- Nachfragen stellen
- Ablenkung vermeiden
Kommunikation in Krisensituationen
Als ärztlicher Vorgesetzter muss man damit rechnen, dass Problemstellungen jederzeit auftreten können und in diesem Zusammenhang mit internen und externen Akteuren kommuniziert werden muss. Bei kleineren Problemen kann eine Lösungsfindung oftmals in einem kurzen Gespräch gefunden werden. Idealerweise ist man jedoch bereits im Vorfeld auf bestimmte Krisensituationen vorbereitet und hat ein sogenanntes Krisenkommunikationskonzept erstellt, welches als Leitfaden dient und Handlungsanweisungen im Rahmen der Krisenbewältigung formuliert.
Personalmanagement
Zu den zentralen Aufgaben im Führungsalltag gehört auch das Personalmanagement. Dazu gehören die Personalführung und -entwicklung inklusive Fort- und Weiterbildung der Mitarbeitenden sowie die Motivation und Bindung derselben an das Unternehmen.
Führung und Entwicklung von Teams
Innerhalb einer medizinischen Fachabteilung sind die hierarchischen Strukturen üblicherweise vorgegeben. Dennoch können bestimmte Maßnahmen dazu beitragen, die Teamstruktur zu fördern und zu verbessern. Hierzu zählen beispielsweise die folgenden Aspekte.
- regelmäßigen interkollegialen Austausch ermöglichen
- Weiterbildungsassistenten jeweils einen fachärztlichen Tutor zuteilen
- teambildende (Freizeit-)Maßnahmen
- gemeinsame Ziele definieren
- Erfolge kommunizieren und anerkennen
Rekrutierung, Einarbeitung und Fortbildung von Mitarbeitern
Die Rekrutierung ärztlicher Mitarbeiter erfolgt normalerweise über Ausschreibungen der jeweiligen Fachabteilungen eines Krankenhauses. Ärztliche Führungskräfte – zumeist der Chefarzt – bewerten im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs die Befähigung eines Kandidaten, treffen die Entscheidung einer möglichen Einstellung und kommunizieren diese der Geschäftsleitung der Klinik.
Die Einarbeitung der Ärzte erfolgt je nach Stelle durch einen Assistenzarzt oder einen ärztlichen Kollegen der gleichen Stellung. Die Fort- und Weiterbildung von Assistenzärzten richtet sich üblicherweise nach einem klinikinternen Weiterbildungskonzept, welches auf der ärztlichen Weiterbildungsverordnung der jeweiligen Landesärztekammer basiert.
Mitarbeitermotivation und -bindung
Ärztliche Führungskräfte sind auf den täglichen Einsatz des Fachpersonals angewiesen. Die gezielte Motivation der Mitarbeitenden ist eine wichtige Aufgabe im Führungsalltag, denn sie steigert nicht nur die Zufriedenheit am Arbeitsplatz, sondern fördert auch die Bindung des Personals an das Unternehmen.
Ein gutes Arbeitsklima, regelmäßiges (positives) Feedback und die Möglichkeit zur Fort- und Weitebildung sowie zum beruflichen Aufstieg tragen entscheidend zur Mitarbeitermotivation bei.
Mehr zum Thema Personalmanagement hier:
- Personalmanagement im Krankenhaus: Personalbeschaffung und Mitarbeiterbindung
- Personalbeschaffung und -Management in der Arztpraxis: Ein Leitfaden
Konfliktmanagement
Konfliktsituationen sind auch in Kliniken keine Seltenheit. Sie können das Arbeitsklima negativ beeinträchtigen, bieten aber auch gleichzeitig die Möglichkeit, aktiv in den Austausch zu gehen, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Ärztliche Führungskräfte sollten in der Lage sein, in Konfliktsituationen, die von den Beteiligten nicht eigenständig behoben werden können, als Ansprechpartner oder Mediator zu fungieren.
Konfliktursachen in der klinischen Umgebung
Die folgenden Situationen aus dem Führungsalltag können ursächlich für Konflikte sein.
- Konkurrenz zwischen den (ärztlichen) Mitarbeitern
- unterschiedliche Ansichten bezüglich der (besten) Behandlung
- unterschiedliche Arbeitsmoral der (ärztlichen) Mitarbeiter
- Streitigkeiten bei der Dienstplangestaltung
- fehlende Kommunikation
- Bevorzugung/Benachteiligung einzelner Mitarbeiter
Techniken und Strategien zur Konfliktlösung
Um Konflikte beizulegen, sollten sich beide Streitparteien zunächst die Möglichkeit geben, die Ansichten des jeweils anderen anzuhören. Dies schafft die Grundlage für einen wertschätzenden Umgang. Um eine Lösung für den Konflikt zu finden, müssen zudem konkrete Lösungsvorschläge eingebracht werden. Diese sollten realistisch und umsetzbar sein und müssen von beiden Seiten akzeptiert werden.
Führungsalltag – Strategische Führung
Der Erfolg einer medizinischen Fachabteilung wird unter anderem durch eine hohe Qualität der medizinischen Versorgung, eine gute Koordination der prozessualen Abläufe und ökonomische Effektivität beeinflusst. Durch gezielte strategische Beeinflussung bestimmter Abläufe und die Anwendung bestimmter Maßnahmen können ärztliche Führungskräfte langfristig zum Erfolg ihrer Fachabteilung beitragen.
Change Management
Bei der Anwendung von Change Management werden bestimmte Maßnahmen gezielt eingesetzt, um eine Veränderung innerhalb der einzelnen Abteilungen oder aber des gesamten Unternehmens zu erreichen. Mögliche sinnvolle Maßnahmen im klinischen Alltag sind zum Beispiel:
- Anbindung medizinischer Fachabteilungen an technologische Neuerungen
- Entwicklung und Implementierung neuer Prozessabläufe auf der Station
- Anwendung von Maßnahmen der Teambildung
- Schulungen für Führungskräfte
Führungsverantwortung und Ethik
Die Übernahme ärztlicher Führungsverantwortung setzt zwangsläufig einen Umgang mit den ethischen Aspekten der Medizin voraus. Die Medizinethik setzt sich mit Fragen zur menschlichen Gesundheit und Krankheit unter Beachtung der moralischen Wertvorstellungen auseinander. Die Einhaltung der ethischen Werte von ärztlicher Seite soll das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient stärken.
Prinzipien ethischen Handelns
Die vier Grundprinzipien des ethischen Handelns sind:
- Selbstbestimmungsrecht des Patienten: Der Patient hat als autonomes Wesen das Recht selbstständig über seine Behandlung zu entscheiden. Der Arzt muss diese Selbstbestimmung durch fachliche Aufklärung fördern.
- Prinzip der Schadensvermeidung: Der Arzt darf dem Patienten keinen Schaden zufügen. Dieses Prinzip geht auf den Hippokratischen Eid zurück.
- Patientenwohl: Der Arzt muss seine Behandlung so auslegen, dass sie dem Wohl des Patienten dient.
- Prinzip der Gerechtigkeit: Patienten mit gleichen Erkrankungen müssen die gleiche Behandlung erhalten. Das Prinzip der Gerechtigkeit spielt zum Beispiel eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Organtransplantation.
Ethische Dilemmata in der Führungspraxis
Zu einem ethischen Dilemma kommt es in der Medizin, wenn in einer bestimmten Situation mehrere ethische Handlungsmöglichkeiten existieren aber unklar ist, welche moralisch am meisten gerechtfertigt ist. Im beruflichen Alltag müssen sich insbesondere ärztliche Führungskräfte oftmals mit Situationen auseinandersetzen, die ein ethisches Dilemma darstellen. Beispielsweise, wenn im Rahmen der Behandlung eines unheilbar kranken Patienten die Frage bewertet werden muss, ob die therapeutischen Maßnahmen das Leben des Patienten sinnvoll verlängern oder ihn vielmehr quälen oder wenn zwei Patienten eine intensivmedizinische Behandlung benötigen, die Intensivstation eines Krankenhauses jedoch nicht genügend Kapazitäten aufweist und eine Entscheidung getroffen werden muss, welcher Patient vorrangig betreut werden kann.