Gerichtsmediziner/in, Rechtsmediziner/in und Facharzt/-ärztin für Rechtsmedizin sind jeweils Bezeichnungen für die Ärzteschaft, die sich u.a. mit der Aufklärung von Todesursachen beschäftigt. Das Fernsehen vermittelt in Krimis den Zuschauern/-innen gerne den Eindruck, dass Gerichtsmediziner/innen in ihrem Job am Tatort meist nur einen kurzen Blick auf die Leiche werfen und sofort die richtigen Schlüsse ziehen. In der Realität gehen Schlussfolgerungen wie diesen jedoch langwierige medizinische Untersuchungen voraus. Außerdem umfasst das Gebiet Forensische Medizin deutlich vielfältigere Tätigkeiten.
Wir haben hier alles zum Fachbereich der Rechtsmedizin, den alltäglichen Aufgaben im Job, Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie zu Ausbildung und Gehaltsaussichten übersichtlich zusammengefasst.
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein/e Gerichtsmediziner/in?
Fachärzte/-innen für Rechtsmedizin klären Todesursachen durch äußere und innere Leichenbeschauen, identifizieren unbekannte Tote und schaffen die Basis für die Überführung von Tätern/-innen z.B. durch Spurenuntersuchungen und DNA-Analysen (u.a. auch zum Nachweis einer Vaterschaft). Zu ihren Aufgaben gehört auch die Zusammenarbeit mit staatlichen Organen der Rechtspflege wie z.B. Kriminalpolizei, Spurensicherung, Staatsanwaltschaft und Gerichten.
Ihre erworbenen und protokollierten (Er-)Kenntnisse stellen sie in Form von schriftlichen und mündlichen Gutachten für Gerichte, die Staatsanwaltschaft und Strafverteidiger/innen zur Verfügung. Außerdem sagen Rechtsmediziner/innen zu ihren gewonnen Erkenntnissen in Strafprozessen aus.
Gerichtsmediziner/innen haben außerdem eine Reihe von medizinischen, verwaltungstechnischen und laboratorischen Aufgaben.
Fachärzte/-innen für Rechtsmedizin arbeiten im Krankenhaus, viel öfter aber für ein rechtsmedizinisches Institut. Sie sind auch häufig in Landes- und Bundeskriminalämtern tätig, im gerichtsmedizinischen Dienst oder auch in der Forschung und Lehre an Universitäten. Eher seltener sind sie als selbstständige Berater/innen oder Sachverständige für die Pharmaindustrie tätig oder arbeiten als Experten/-innen für Strafverteidiger/innen.
Was macht ein/e Gerichtsmediziner/in?
Gerichtsmediziner/innen haben vielfältige Aufgaben. Dazu zählen Leichenschau, forensische Untersuchungen, Expertise vor Gericht sowie Analysen diverser Substanzen. In der Folge stellen wir diese Arbeitsbereiche im Fachgebiet Rechtsmedizin genauer vor.
Innere und äußere Leichenschau
Die innere und äußere Leichenschau bzw. Sektion gehört zu den Hauptaufgaben von Gerichtsmedizinern/-innen. Während die äußere Leichenschau alle von außen sichtbaren Spuren, Verletzungen, Anhaftungen usw. umfasst, ist die innere Leichenschau die Öffnung (Leichensektion) des Opfers und Analyse von Mageninhalt, Blut, Organen etc. Die Leichenschau findet im Sektionssaal statt, der meist gerichtsmedizinischen Instituten von Universitäten angegliedert ist, allerdings auch zu Krankenhäusern gehören kann. Die gefunden Erkenntnisse werden protokolliert und an die Verfahrensbeteiligten weitergeleitet.
Forensische Untersuchungen
Gerichtsmediziner/innen führen Blutuntersuchungen durch und analysieren Urinproben von Verkehrsteilnehmern/-innen, die unter Verdacht stehen, alkoholisiert zu sein oder Drogen genommen zu haben. Ihre Aufgabe ist der Nachweis solcher Substanzen und die Bestimmung der Beeinflussung zum Unfallzeitpunkt. Sie untersuchen Opfer von sexuellen Übergriffen auf Spuren, nehmen Spermaproben zur DNA-Analyse und dokumentieren Verletzungen von Gewaltopfern. Auch Täter/innen werden von ihnen untersucht, z.B. auf Abwehrverletzungen. Außerdem gehört der Nachweis von Vaterschaften zu ihrem Aufgabengebiet, wenn dies vor Gericht strittig ist.
Fachaussage vor Gericht
Manchmal genügt dem Gericht, der Verteidigung oder der Staatsanwaltschaft der schriftliche Bericht des/-r Gerichtsmediziners/-in nicht, weil sie z.B. Nachfragen haben. Meist erscheinen Gerichtsmediziner/innen zur Verhandlung, wenn Befunde nicht eindeutig sind oder je nach Auslegung unterschiedlich interpretiert werden können. Aufgabe des/-r Gerichtsmediziners/-in ist es in diesen Fällen, neutral zu sein und zu den entsprechenden Fragestellungen die wissenschaftlichen Fakten zu erläutern.
Chemisch-toxikologische Analysen
Gerichtsmediziner/innen erstellen chemisch-toxikologische Analysen, mit denen sie verschiedene Substanzen im Körper nachweisen, z.B. Alkohol, Drogen, Medikamente oder Gifte. Zur Analyse nehmen sie je nachdem Blut-, Urin- oder Speichelproben. Die Analyse-Methoden sind vielfältig und fallen je nach Ausgangssubstanz sowie je nach gewünschtem Nachweis anders aus.
DNA-Untersuchungen und Haaranalysen
Gerichtsmedizinern/-innen vergleichen z.B. eine am Tatort gefundene DNA-Spur oder Haare mit dem/-r mutmaßlichen Täter/in und versuchen, diese DNA bzw. Haare dem/-r Besitzer/in zuzuordnen. Dabei können Gerichtsmediziner/innen nicht nur menschliche Haare einem bestimmten Individuum zuordnen, sondern auch tierische. Die Haaranalysen unterscheiden sich je nachdem, ob ein Follikel (Haarwurzel) zur Verfügung steht oder nicht. Ist ein Follikel zur Analyse vorhanden, kann DNA entnommen werden. Fehlt ein Follikel, analysieren Gerichtsmediziner/innen die Beschaffenheit wie z.B. Farbe, Länge, Haarschaft-Beschaffenheit, Anhaftungen, eingelagerte Gifte oder Drogen.
Berichte und Urkunden
Nach allen vorangegangenen Untersuchungen gehören das Schreiben von Berichten für die Staatsanwaltschaft, das Gericht und Strafverteidiger/innen sowie das Ausstellen von Urkunden (z.B. Todesurkunde) ebenfalls zum Arbeitsalltag eines/-r Rechtsmediziners/-in. Der notwendige „Papierkram“ nimmt einen großen Teil des Arbeitsalltags ein.
Rechtsmedizin – Untersuchungsmethoden und Behandlungsmethoden
Gerichtsmedizinern/-innen stehen für ihre Arbeit eine Reihe von Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Diese wählen sie je nach Spurenlage oder Einzelfall aus. Übersteigt die Untersuchung bzw. Interpretation einer Spur ihre Fachkenntnisse, ziehen sie andere Fachleute hinzu, z.B. Fachleute für die Bestimmung des Streuwinkels von Blutspritzern am Tatort.
Histologische Untersuchungen
Gerichtsmediziner/innen entnehmen im Rahmen von histologischen Untersuchungen Gewebeproben von Leichen, betrachten diese unter dem Mikroskop und untersuchen sie auf krankhafte Veränderungen. Auf diese Weise suchen sie nach natürlichen Todesursachen wie z.B. Krebs, weisen aber z.B. auch Vergiftungen nach, die entweder auf Mord oder Suizid hindeuten. Der Ablauf einer histologischen Untersuchung gestaltet sich wie folgt:
- Entnahme eines geeigneten Gewebeteils je nach Verdachtsdiagnose (z.B. von Magen, Leber oder Niere bei Verdacht auf Vergiftung)
- Dehydratisierung der Gewebeprobe
- Fixierung der Gewebeprobe in Formaldehyd
- Einbettung der Gewebeprobe in flüssiges Paraffin
- Anfertigung hauchdünner Paraffinschnitte und Auftragung auf Objektträger
- Einfärbung der Gewebeprobe
- Untersuchung der fertigen Schnitte der Gewebeprobe unter dem Mikroskop
- Befunderstellung und Dokumentation
Osteologische Untersuchungen
Gerichtsmediziner/innen untersuchen die Knochen von Leichen entweder auf tödliche Krankheiten hin (z.B. zur Feststellung eines natürlichen Todes durch Knochenkrebs) oder auf Unfalltode (z.B. Rippenbruch durch Sturz oder Aufprall mit Eindringung in Herz oder Lungen). Durch entsprechende Röntgenuntersuchungen von Handknochen können auch Rückschlüsse auf das Alter von unbekannten Personen gezogen werden. Sie stellen auf diese Weise aber auch forensische Befunde zur Aufklärung einer eventuellen Straftat.
Mit einer Röntgenuntersuchung oder optischen Untersuchung eines Knochens kann z.B. festgestellt werden, ob sich bei einer Leiche Schnittspuren von z.B. Messern oder ähnlichen Tatwerkzeugen feststellen lassen. Auf diese Art und Weise können auch Rückschlüsse auf z.B. Kalibergröße bei Schussverletzungen gezogen werden. Wird etwa im Wald ein Skelett gefunden, kann durch den Nachweis von Schnittwunden an Knochen nachgewiesen werden, dass es sich um einen Mord handelt.
Odontologische Untersuchungen
Gerichtsmediziner/innen untersuchen die Zähne bzw. das Zahnbild von Leichen v.a. dann, wenn sie deren Identität klären wollen. Auch Bissspuren an Opfern können so einem/-r Verursacher/in zugeordnet werden. Anhand des zahnmedizinischen Abgleichs von Gebissstellungen, Zähnen und Kieferknochen können außerdem das Alter festgestellt und Rückschlüsse auf die Ernährungszustände der letzten Jahrzehnte gezogen werden. Am häufigsten wird diese Methode bei Opfern von Natur-, Brand- und Verkehrskatastrophen sowie Verbrechen angewendet. Die Untersuchungsmethoden reichen von Röntgenuntersuchungen bis hin zu Zahnschnitten. Meist werden auch Zahnhälse zur DNA-Ermittlung von unbekannten Leichen benutzt.
Morphologische Untersuchungen
Gerichtsmediziner/innen nehmen morphologische Untersuchungen vor, wenn sie z.B. beweisen oder ausschließen wollen, dass ein Mensch zu einer bestimmten Bewegung fähig ist. Die Untersuchung konzentriert sich dabei z.B. auf die Armbeweglichkeit eines vermuteten Suizidopfers, bei dem ein Kopfschuss zum Tod geführt hat. Befindet sich die Kopfschussverletzung in einem ungewöhnlichen Bereich des Kopfes (z.B. am Hinterkopf), beweist ein/e Gerichtsmediziner/in, ob ein Suizid dem/-r Verstorbenen überhaupt physisch möglich war. Ist dies nicht der Fall, z.B. bei nicht ausreichendem Bewegungsradius, deutet dies auf einen Mord hin.
Spurenuntersuchungen
Gerichtsmediziner/innen untersuchen auch Spuren auf oder an Leichen sowie im Umfeld des Tatorts. Liegen um eine/n Tote/n herum z.B. Zigarettenstummel, werden diese auf DNA-Spuren hin untersucht. Zum Spurenbild gehören auch Antragungen an Kleidung und Körper, z.B. Schmauchspuren vom körpernahen Abfeuern von Schusswaffen, Pulverrückstände, Schmierstreifen und andere unbekannte Substanzen. Auch Fingerabdrücke, Fußabdrücke u.ä. werden von Gerichtsmedizinern/-innen analysiert.
Wie wird man Facharzt/-ärztin für Rechtsmedizin?
Gerichtsmediziner/innen müssen zunächst das allgemeine Medizinstudium von zwölf Semestern Länge bestehen, eine Approbation erwerben und die zusätzliche fünfjährige Facharztweiterbildung in Rechtsmedizin absolvieren. Damit dauert der Weg zum/-r Gerichtsmediziner/in insgesamt mindestens elf Jahre.
Die 60 Monate der Facharztausbildung für Rechtsmedizin werden wie folgt aufgesplittet:
- mindestens sechs Monate in der Pathologie
- mindestens sechs Monate in der Allgemeinen oder Forensischen Psychiatrie
- mindestens sechs Monate in der Allgemeinen oder Forensischen Psychotherapie
- bis zu sechs Monate in der Pathologie oder Anatomie
- bis zu sechs Monate im Öffentlichen Gesundheitswesen
- bis zu sechs Monate in der Pharmakologie und Toxikologie
- bis zu sechs Monate in der Allgemeinen oder Forensischen Psychiatrie
- bis zu sechs Monate in der Allgemeinen oder Forensischen Psychotherapie
Die restlichen zwölf Monate der Weiterbildung können laut Weiterbildungsordnung beliebig in den erstgenannten drei Bereichen abgeleistet werden, entweder gleichmäßig aufgesplittet oder schwerpunktmäßig nur in einem Bereich. Am Ende wartet die Facharztprüfung.
Das Medizinstudium enthält allgemeine Inhalte wie die Grundlagen der Chemie, Biologie und Physik und geht auf die medizinischen Facharztrichtungen der Physiologie, Chirurgie, Dermatologie, Inneren Medizin, Orthopädie und Pathologie ein. In der Facharztausbildung liegt der Schwerpunkt dann auf den folgenden Teilbereichen bzw. Fachkompetenzen:
- histologische Untersuchungen
- Beschreibung und Bewertung von Leichenschaubefunden
- gerichtliche Obduktionen mit Begutachtung des Zusammenhangs zwischen morphologischem Befund und Geschehensablauf
- mündliche und schriftliche Gutachten für das Gericht
- Befunddokumentation und -beurteilung von Tat- und Fundorten
- forensisch-osteologische bzw.-odontologische Expertisen
- Beurteilung von Spurenbildern und Spuren-Asservierung
Weitere Fortbildungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten werden über die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin angeboten.
Was verdient ein/e Facharzt/-ärztin für Rechtsmedizin?
Gerichtsmediziner/innen werden i.d.R. nach Tarifvertrag für Ärzte/-innen (Facharztgehalt nach TV-L) vergütet, da sie meist entweder in Fachkliniken oder beim Staat in der Gerichtsmedizin angestellt sind. Abgesehen davon richtet sich die Höhe des Facharzt-Gehalts auch nach dem dem Alter, dem Fachbereich und einigen anderen Faktoren.
Durchschnittlich liegt das Gerichtsmediziner-Gehalt während der Facharztausbildung allgemein zwischen 3.500 und 4.300 Euro brutto pro Monat. Ist diese beendet, verdienen Fachärzte/-innen für Gerichtsmedizin bei Anwendung des TV-L im ersten Berufsjahr ca. 6.500 Euro und im 14. Berufsjahr ca. 8.100 Euro brutto pro Monat. Dies sind jedoch nur Tarifgehälter; Verdienste können im Einzelfall stark abweichen.
Häufige Fragen zu Rechtsmedizin
- Was ist der Unterschied zwischen Rechtsmediziner/in und Gerichtsmediziner/in?
- Was für einen Abschluss braucht man als Gerichtsmediziner/in?
- Wie viel verdient man in der Rechtsmedizin?
- Ist ein/e Rechtsmediziner/in ein/e Arzt/Ärztin?
- Was ist der Unterschied zwischen Pathologie und Gerichtsmedizin?