
Als Fachärztin und Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie übernimmt man die Behandlung von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Diese benötigen im Gegensatz zu Erwachsenen eine besondere Art der Therapie, insbesondere wenn es um ganz junge Patienten/-innen geht. Kinderpsychiater/innen greifen daher häufig zu kreativen und spielerischen Methoden.
Was ist ein/e Kinderpsychiater/in?
Ein/e Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie befasst sich mit der Erkennung, Behandlung, Prävention und Rehabilitation von psychischen, psychosomatischen, entwicklungsbedingten und neurologischen Erkrankungen oder Störungen. Dabei liegt die Spezialisierung der Ärzte/-innen auf Verhaltensauffälligkeiten von Säuglingen, Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden. Auf Seiten der Kinder und Jugendlichen bestehen ganz andere Bedürfnisse als bei Erwachsenen. Sie benötigen für eine mentale Gesundheit daher andere Vorgehensweisen in der Therapie. Seit 1968 gibt es die separate Facharztrichtung für Kinder und Jugendliche.
Inhaltsverzeichnis
Was macht ein/e Kinderpsychiater/in?
Als Facharzt/-ärztin Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie beschäftigt man sich mit der Vorbeugung, Diagnostik und Behandlung von psychischen Störungen von Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr. Dabei gibt es Störungen, die typischerweise bereits in Kindheit und Jugend auftreten, wie zum Beispiel AD(H)S, Autismus-Spektrum-Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, emotionale Störungen, Bindungsstörungen oder Ticstörungen. Weiterhin behandelt man psychische Störungen, die in jedem Alter auftreten können, wie zum Beispiel Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Essstörungen oder Persönlichkeitsstörungen. Auch psychiatrische Notfälle gehören zu ihrem Tätigkeitsbereich.
AD(H)S
Die Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) kann mit oder ohne Hyperaktivität bestehen. Dabei handelt es sich um ein Syndrom der Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Diese drei Typen können getrennt oder auch in Kombination auftreten. Bei ADHS handelt es sich um eine Störung der neurologischen Entwicklung, die bereits früh in der Kindheit auftritt. Dies beeinflusst in der Regel ebenfalls die Entwicklung der persönlichen, sozialen, akademischen und/oder beruflichen Funktionsfähigkeit des Kindes.
Autismus-Spektrum-Störungen
Bei der Autismus-Spektrum-Störung handelt es sich ebenso wie bei ADS und ADHS um neurologische Entwicklungsstörungen. Gekennzeichnet sind diese häufig durch eine gestörte soziale Interaktion und Kommunikation, wiederholte und stereotype Verhaltensmuster sowie ungleichmäßige geistige Entwicklungen. Letzteres ist häufig mit einer geistigen Behinderung verbunden. Die Symptome lassen sich bereits in der frühen Kindheit erkennen.
Ticstörungen und Tourette-Syndrom
Bei Tics handelt es sich um wiederholte, plötzliche, schnelle, nicht rhythmische Muskelbewegungen. Das Tourette-Syndrom ist gekennzeichnet durch motorische und vokale Tics, welche für einen Zeitraum von über einem Jahr anhalten. Tics können in verschiedenen Schweregraden auftreten, wobei das Tourette-Syndrom die schwerste Form der Ticstörung darstellt. Typischerweise beginnen die Tics im Alter von vier bis sechs Jahren, nehmen im Alter an Schwere zu und erreichen ihren Höhepunkt im Alter von zehn bis 12 Jahren.
Angststörungen
Bei einer Angststörung empfinden Patienten/-innen Gefühle der Angst, Sorge oder Furcht. Diese werden in einem Ausmaß empfunden, dass es den Alltag beeinträchtigt und ein angemessenes Reagieren auf bestimmte Situationen verhindert. Während ein gewisses Maß an Angst bei Kindern und Jugendlichen als normal eingestuft werden kann, löst eine Angststörung schweren Stress und/oder Vermeidungsverhalten aus. Darüber hinaus kann die Angststörung zu körperlichen Symptomen führen.
Zwangsstörungen
Eine Zwangsstörung ist gekennzeichnet durch Obsessionen und/oder zwanghaftes Verhalten. Diese Obsessionen sind für Betroffene eine unwiderstehliche, anhaltende Idee oder ein Impuls zum Ausführen einer Handlung. Dabei kann es sich zum Beispiel um einen Waschzwang oder einen Kontrollzwang handeln. Bei diesen Zwängen handelt es sich um einen pathologischen Drang, der bei Widerstand zu übermäßiger Angst führen kann. Daher sind Betroffene häufig sehr stark in ihrem Alltag eingeschränkt und verspüren großes Leid.
Stressbedingte Störungen
Zu den stressbedingten Störungen gehören die akute Belastungsstörung (ASD) und die posttraumatische Belastungsstörung (PTSD). Dabei handelt es sich um eine Reaktion auf traumatische Ereignisse. Diese kann sich in Form von intrusiven Gedanken oder Träumen, der Vermeidung von Erinnerungen an das Ereignis sowie negativen Auswirkungen auf Stimmung, Kognition, das Erregungsniveau und Reaktivität äußern. ASD beginnt in der Regel direkt im Anschluss an das Ereignis, PTSD kann hingegen als Folge der ASD auftreten oder sich bis zu sechs Monate nach dem Trauma manifestieren.
Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie – Untersuchungsmethoden und Behandlungsmethoden
Im Berufsalltag als Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie geht es in erster Linie um die Diagnose und therapeutische sowie pharmakologische Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen. Dabei können verschiedene Behandlungsmethoden und Therapieansätze zum Einsatz kommen.
Multimodale Therapie und Einbezug des sozialen Umfeldes
Der Begriff der multimodalen Therapie beschreibt die Integration psychotherapeutischer, (heil-)pädagogischer, spezialtherapeutischer und pharmakologischer Behandlungsmethoden. Zu den spezialtherapeutischen Methoden gehören zum Beispiel die Ergotherapie, Bewegungstherapie, Logopädie, Musiktherapie oder Kunsttherapie. Weiterhin findet die Therapie von Kindern und Jugendlichen unter der Einbeziehung des sozialen Umfeldes statt, da sich Verhaltensprobleme und psychische Symptome häufig im sozialen Umfeld manifestieren. Dazu gehört die Familie (Eltern, Geschwister, Verwandte) und weitere Bezugspersonen sowie der Kindergarten, die Schule oder Ausbildung. Dies ist insbesondere bei jüngeren Kindern wichtig. Denn während bei Jugendlichen individuumszentrierte Ansätze wichtiger werden, sind Kinder in materieller, rechtlicher und psychologischer Sicht noch sehr viel abhängiger von ihren Bezugspersonen.
Systemische (Familien-) Therapie
Während das Umfeld in den meisten Therapiekonzepten mehr oder weniger berücksichtigt wird, legt die systemische Familientherapie den gesamten Fokus auf das soziale Umfeld. Die Systemtheorie geht nämlich davon aus, dass sich die Mitglieder eines Systems, zum Beispiel die Familie, wechselseitig beeinflussen. Sind die Grenzen des Systems diffus oder starr, kann das System dysfunktional sein und Probleme können entstehen. Dabei wird häufig nur ein Systemmitglied „krank“ und somit als Symptomträger bezeichnet. Daher betrachtet man als Kinder- und Jugendpsychiater/in bei der systemischen Therapie neben dem Kind das gesamte System und bezieht dieses aktiv in die Therapie ein.
Gesprächspsychotherapie (klientenzentrierte Kindertherapie)
Die Gesprächspsychotherapie basiert auf dem personenzentrierten Ansatz und kennzeichnet sich durch das Vertrauen in die innewohnende Kraft eines jeden Menschen, konstruktive Veränderungsprozesse in Gang zu setzen. Die Therapie soll dabei die Bedingungen schaffen, um diese Kraft freizusetzen. Man geht davon aus, dass die Person die Lösung ihrer Probleme und Schwierigkeiten in sich trägt. Hier stehen also der Mensch und das isolierte Problem im Mittelpunkt. Für Kinder bis zu 12 Jahren gibt es die klientenzentrierte Kindertherapie, welche spielorientiert ist. Die spielerische Herangehensweise ermöglicht es dem Kind sich auszudrücken und Probleme zu verarbeiten.
Psychoanalytisch begründetes Psychotherapieverfahren
Die Psychoanalyse schreibt den frühen Beziehungserfahrungen und frühkindlichen Konflikten in den ersten Lebensjahren eine besondere Bedeutung zu. Ungünstige Erfahrungen und nicht gelöste Konflikte können dazu führen, dass sich aktuell auftretende Belastungen oder Konflikte nicht gut bewältigen lassen. Die Patienten/-innen sollen möglichst frei und ohne Vorgaben sprechen, um dies auf die frühkindlichen Erfahrungen oder aktuelle Konflikte deuten zu können. Bei Kindern ab zehn bis 12 Jahren können solche Gespräche bereits geführt werden. Zur Behandlung von jungen Kindern kommen Spieltherapien, wie Fantasie und Rollenspiele, zum Einsatz. Auch Tagträume, magisches Denken, halluzinatorische Wunscherfüllung oder unbewusste Fantasien dienen der Befriedigung frustrierter Bedürfnisse und können therapeutisch gedeutet werden.
Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass Verhaltensweisen im Laufe des Lebens erlernt werden. Dazu gehören Gedanken, Gefühle, Körperreaktionen sowie motorisches Verhalten. Diese erlernten Verhaltensmuster können sowohl hilfreich und funktional als auch dysfunktional sein. Ziel der Therapie ist, dass man sich über die dysfunktionalen Verhaltensmuster bewusst wird, deren Entstehung und Funktion versteht und durch funktionale Muster ersetzt. Bei jungen Kindern kann man als Kinderpsychiater/in zum Beispiel anhand von Bilderbüchern Informationen über das Krankheitsbild und die Interventionen vermitteln. Weitere kreative Methoden können Arbeitsblätter, Verhaltensexperimente oder Rollenspiele sein.
Wie wird man Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie?
Wer sich für die Tätigkeit als Fachärztin oder Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie interessiert, benötigt zunächst ein abgeschlossenes Medizinstudium und die Approbation. Im Anschluss an das Studium absolviert man die Facharztweiterbildung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Diese Facharztausbildung dauert insgesamt 60 Monate, also fünf Jahre. Davon verbringen angehende Fachärzte/-innen 12 Monate in der Kinder- und Jugendmedizin, Neurologie, Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Weiterhin können bis zu 30 Monate im ambulanten Bereich abgeleistet und angerechnet werden.
Wie in jeder anderen Facharztrichtung muss am Ende eine fachspezifische Facharztprüfung bestanden werden. Diese erfolgt mündlich.
Was verdient ein/e Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie?
Das Facharzt-Gehalt unterscheidet sich bei Kinder- und Jugendpsychiatern/-innen wie bei anderen Arzt-Kollegen/-innen abhängig von der Arbeitsstätte (in Dörfern oder Städten, in Klinik oder Praxis), ob die Vergütung nach Tarifvertrag oder außertariflich stattfindet, und wie viel Berufserfahrung man bereits hat. So ergeben sich natürlich auch Unterschiede im Durchschnittsgehalt je nach Region bzw. Bundesland. Die Gehaltsspanne reicht von 6.121 Euro bis zu 8.693 Euro brutto im Monat. Der Median liegt bei 7.294 Euro.
Häufige Fragen zu Kinder- und Jugendpsychiatrie
- Was ist der Unterschied zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie?
- Was behandelt die Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie?
- Wie läuft die Behandlung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie?
- Wie lange dauert es, bis man Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie ist?
Ein/e psychologische/r Psychotherapeut/in darf keine Medikamente verschreiben. Als Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie darf man aufgrund des Medizinstudiums und der Facharztweiterbildung als Psychiater/in tätig sein, Medikamente verschreiben und psychotherapeutische Methoden anwenden.
Ein/e Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie behandelt psychische, psychosomatische, entwicklungsbedingte und neurologische Erkrankungen und Störungen von Kindern und Jugendlichen.
Die Behandlung unterscheidet sich abhängig von dem Krankheitsbild der Patienten/-innen. Es kann sich um Therapieansätze wie die systemische Therapie, Gesprächspsychotherapie oder Verhaltenstherapie sowie eine pharmakologische Behandlung handeln.
Wer als Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie tätig sein möchte, muss zunächst ein sechsjähriges Medizinstudium und anschließend die fünfjährige Facharztweiterbildung abschließen.