
Spätestens seit der Corona-Pandemie genießen Fachärzte/-innen für Infektiologie (kurz: Infektiologe/-in) weltweit besondere Aufmerksamkeit. Sie haben mit ihrer Expertise in diesem Gebiet maßgeblich dazu beigetragen, Behandlungsmöglichkeiten für COVID-19 zu entwickeln und waren an der Front der Behandlung von Erkrankten tätig.
Bereits seit 2003 ist die 12-monatige Zusatzweiterbildung Infektiologie in der Weiterbildungsordnung verankert. 2021 wurde nach langem Drängen der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) der eigenständige Facharzttitel „Innere Medizin und Infektiologie“ in die Weiterbildungsordnung aufgenommen.
Inhaltsverzeichnis
Wir haben hier alles zum Fachbereich der Infektiologie, den Aufgaben in der täglichen Praxis, Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie zu Ausbildung und Gehaltsaussichten übersichtlich zusammengefasst.
Was ist ein/e Infektiologe/-in?
Eine Fachärztin / ein Facharzt für Infektiologie beschäftigt sich mit einem Spezialbereich der Inneren Medizin. Im Gegensatz zur Arbeit einer Internistin / eines Internisten liegt der Hauptfokus ihrer Facharztrichtung auf Infektionskrankheiten. Das Tätigkeitsfeld der Infektiologin / des Infektiologen umfasst hauptsächlich die klinische Behandlung von Patienten/-innen mit Infektionen. Dabei behandeln sie sowohl eigene Patienten/-innen als auch die anderer Fachbereiche durch Konsiliartätigkeit. Im Bereich der Infektionskrankheiten zählen zu den Aufgaben der Infektiologen/-innen u.a.
- Ursachenklärung
- Pathogenese
- Abwehr und epidemiologische Zusammenhänge
- Vorbeugung
- Erkennung
- Behandlung
- Bekämpfung
Was macht ein/e Infektiologe/-in?
Fachärzte/-innen für Infektiologie sind vor allem klinisch tätig. Ihr Aufgabenbereich ist die Vorbeugung, Diagnostik und Behandlung von Infektionserkrankungen. Sie haben dabei engen Patientenkontakt, stehen jedoch viel im Austausch mit Fachärzten/-innen anderer Fachbereiche wie Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie oder auch Krankenhaushygienikern/-innen. Während der Corona-Pandemie waren Infektiologen/-innen zentral an der Entwicklung von effektiven Konzepten zur Krankenhaushygiene und neuer Behandlungsmöglichkeiten beteiligt.
Als zusätzliche Weiterbildung können sich Infektiologen/-innen auf Tropenmedizin spezialisieren. Sie behandeln dann vor allem Reiserückkehrer/innen mit Infektionen oder beraten vor Auslandsaufenthalten. Da vor allem in tropischen und ärmeren Gebieten vermehrt Infektionskrankheiten auftreten, ist eine Spezialisierung in diesem Fachgebiet auch eine ausgezeichnete Grundlage, um in humanitären Einsätzen mitzuwirken.
Infektionsdiagnostik
Fachärzte/-innen für Infektiologie sind Spezialisten/-innen in der Infektionsdiagnostik. Sowohl bei unklaren Fällen anderer Fachgruppen als auch bei den oft schwierig zu diagnostizierenden Fällen der Infektiologie ist es ihre Aufgabe, das geeignete diagnostische Verfahren zu wählen und in Abstimmung mit den anderen Fachgruppen durchzuführen. Dies kann beispielweise durch Blutproben, Liquorpunktionen oder auch Abszessdrainage geschehen. Die Proben werden dann in ein medizinisches Labor gebracht und dort aufbereitet und analysiert.
Behandlung von Infektionskrankheiten
Infektiologen/-innen entscheiden, nachdem sie die Diagnose gestellt haben, über die richtige Behandlung. Da es sich bei den Erregern um Pilze, Viren, Bakterien oder auch Parasiten handeln kann, erfordert die Wahl der geeigneten antiinfektiven Therapie einiges Fachwissen. Zu beachten sind dabei unter anderem Art des Medikaments, Dosierung und Applikationsweg. Dies ist wichtig, um die Nebenwirkungsrate möglichst klein zu halten und gleichzeitig einen größtmöglichen Behandlungserfolg zu erzielen. Der Verlauf in der Klinik wird von den Infektiologen/-innen begleitet und die Therapie gegebenenfalls angepasst.
Antibiotic Stewardship
Die Entdeckung des Penicillins im Jahr 1928 durch Alexander Fleming stellte einen großen Meilenstein in der Infektiologie dar. Seitdem sind zahlreiche neue Antibiotika entwickelt wurden. Durch den sorglosen Umgang mit Antibiotika sowohl im medizinischen Bereich als auch in der Tiermast haben sich jedoch vor allem in den letzten Jahren zahlreiche Antibiotikaresistenzen entwickelt. Die Fachgesellschaft für Infektiologie hat sich das „Antibiotic Stewardship“, also den bewussten und verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika, zur Aufgabe gemacht. Durch die kompetente Verwendung sollen Resistenzen, Nebenwirkungen und Kosten reduziert werden.
Spezialsprechstunden
Außerhalb des Krankenhausalltags, in dem die Infektiologen/-innen eigene Stationen zu betreuen haben oder konsiliarisch tätig sind, leiten sie oft Spezialsprechstunden. Zu den typischen Angeboten gehören:
- HIV-Sprechstunde
- Hepatitis-Sprechstunde
- Reisemedizinische Sprechstunde
- Sprechstunde für Geschlechtskrankheiten
Erforschung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten
Bei der Erforschung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten wirken Fachärzte/-innen für Infektiologie maßgeblich mit. Infektiologen/-innen kennen sich mit der Symptomatologie und Epidemiologie der Infektionskrankheiten aus und sind Fachleute für die Epidemiologie von Reise- und Tropenkrankheiten bei Rückkehrern/-innen sowie bei lebensmittelbedingten Infektionen. Bei Ausbrüchen von Epidemien und Pandemien sowie Infektionskrankheiten bei Migration können sie aufklärende und beratende Einschätzungen zu deren Verläufen geben.
Darüber hinaus beherrschen sie die Grundlagen der Therapie und Verlaufsbeurteilung von Infektionskrankheiten, die Besonderheiten der Diagnostik und Hygiene bei Immunsuppression und Immundefizienz und geben Beratungen zur Therapie und Prävention von Infektionskrankheiten.
Facharzt/-ärztin für Infektiologie – Arbeitsbereiche und Untersuchungsmethoden
Fachärzte/-innen für Infektiologie behandeln Patienten/-innen in Kooperation mit im Labor tätigen Fachärzten/-innen und klinischen Kollegen/-innen. Dabei nutzen sie verschiedene Untersuchungsmethoden, um die richtige Diagnose zu stellen. Im Weiteren sind auch typische Krankheitsbilder aus der Infektiologie beschrieben.
Diagnostische Verfahren
Auch wenn Fachärzte/-innen für Infektiologie meist nicht selbst die notwendigen Laboruntersuchungen durchführen, so bilden diese dennoch die Grundlage für die weitere Therapieplanung. Die Kenntnis der Verfahren und möglicher Fehlerquellen ist daher unabdingbar. Die von den Infektiologen/-innen gewonnenen Proben werden untersucht mit Hilfe von:
- Anlage und Untersuchung von Zellkulturtechniken zum Nachweis von Bakterien, Pilzen, Parasiten und Viren
- Verfahren zur Testung von Antiinfektiva
- mikrobiologische und labortechnische Untersuchungsverfahren (z.B. Mikroskopie, Kultur, Nukleinsäure-Amplifikationstechniken, Sequenzierungsverfahren, Serologie)
- phänotypische bzw. molekularbiologische Empfindlichkeitsbestimmung
- Diagnostik zum Nachweis von Toxinen
- Massenspektrometrie und biochemische Methoden zur Erregeridentifikation
- immunologische Untersuchungen: z.B. Nachweis von Antigenen, Antikörpern, Immunzellen, Zytokinen, Immunglobulinen und Komplementfaktoren
- molekularbiologische Untersuchungen zum Nachweis, zur Typisierung und zur Empfindlichkeitsprüfung von Infektionserregern
- Notfalldiagnostik
Antiinfektive Therapie
In der antiinfektiven Therapie bestimmt ein/e Facharzt/-ärztin für Infektiologie die Dosierung, Therapiedauer und Applikation von Antiinfektiva (d.h. Mitteln zur Behandlung von Infektionskrankheiten). Gerade bei noch unbekanntem Krankheitserreger ist hierfür die Kenntnis der in Frage kommenden Erreger, der entsprechenden zur Verfügung stehenden Therapien und der lokalen Resistenzlage essenziell.
Ein/e Infektiologe/-in ermittelt, bewertet, dosiert und steuert den Anti-Infektiva-Verbrauch in medizinischen Einrichtungen. Dazu gehören auch die Auswahl der geeigneten Antiinfektiva bei Infektionen durch Bakterien, Pilze, Parasiten und Viren sowie die Erstellung von Erreger- und Empfindlichkeitsstatistiken für Krankenhäuser und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens.
Empirische vs. erregerspezifische Therapie
Ein zentrales Problem der antibiotischen Behandlung von bakteriellen Infektionen ist die Tatsache, dass Patienten/-innen behandlungsbedürftige Symptome präsentieren, jedoch der genaue Erreger noch nicht bekannt ist. Daher wird nach Abnahme des zu untersuchenden Materials eine sogenannte empirische Therapie eingeleitet. Hierbei sollen möglichst viele in Frage kommende Erreger abgedeckt werden, ohne jedoch ein zu breites Wirkungsspektrum aufzuweisen. Sobald die Erregeranalyse inklusive Resistenztestung vorliegt, kann die antibiotische Therapie auf ein spezifisches Medikament umgestellt werden. Hierdurch wird eine bessere Wirksamkeit bei geringerer Nebenwirkungsrate und Resistenzentwicklung erzielt. Diese Therapieumstellung ist damit ein zentraler Punkt des Antibiotic Stewardships.
Infektionsprävention und Surveillance
Außerdem sind Fachärzte/-innen für Infektiologie im Rahmen der Infektionsprävention und Surveillance (= Überwachung) tätig. D.h. sie implementieren Systeme zur Erfassung von Infektionen, Antibiotikaverbrauch und Antibiotikaresistenzen.
Bei einer Pandemie, Epidemie oder Endemie übernehmen Infektiologen/-innen die Meldung und Dokumentation gemäß des Infektionsschutzgesetzes (z.B. bei Tuberkulose) durch Anwendung fachspezifischer Surveillance-Systeme. Zu ihren Aufgaben gehört außerdem:
- Planung und Durchführung von infektionsepidemiologischen Erhebungen, Präventionsmaßnahmen
- Schulungen
- Impfprophylaxe einschließlich Impf-Empfehlungen und Erstellung von Impfplänen sowie die aktive und passive Immunisierung der Bevölkerung (z.B. Tetanus oder Hepatitis B)
- Spezifische Impfberatung auf Grundlage der STIKO-Empfehlung (z.B. bei Zoster- und Pneumokokken-Impfung)
Infektiologen/-innen entwickeln außerdem Verfahren zum Nachweis infektiöser Zusammenhänge und zur Aufdeckung von Infekt-Ketten (d.h. Ermittlung von Patient/in 1 sowie Nachvollziehung des nachfolgenden Infektionsgeschehens).
Typische Infektionskrankheiten
Auch wenn Fachärzte/-innen für Infektiologie eine Bandbreite von Infektionskrankheiten kennen und behandeln können müssen, so gibt es dennoch Krankheitsbilder, mit denen sie sich besonders häufig beschäftigen. Hierzu gehören:
Chronische Infektionskrankheiten
- HIV-Infektionen
- Chronische Virushepatitiden
- Suppressionstherapien bei nicht heilbaren Organinfektionen
Akute Infektionskrankheiten
- Sepsis (Blutvergiftung)
- Pneumonie (Lungenentzündung)
- Akute Infektionen bei Immunsuppression
- Postoperative Wundinfektionen
- Parasitäre Erkrankungen
- Harnblasen- und Nierenentzündungen
- Meningitiden (Hirnhautentzündungen)
Seltene Infektionskrankheiten
Infektiologen/-innen sind Spezialisten/-innen für alle Art von Infektionskrankheiten. Gerade bei seltenen Erkrankungen fehlen Fachärzten/-innen anderer Fachdisziplinen die Erfahrungswerte, sodass ein infektiologisches Konsil benötigt wird. Beispiele hierfür sind:
- Chagas-Krankheit (eine parasitäre Infektionskrankheit)
- Leishmaniose (durch Protozoen ausgelöste Erkrankung)
- Morbus Whipple (eine seltene, vor allem den Darm betreffende bakterielle Erkrankung)
- Creutzfeld-Jakob-Krankheit (eine durch Prionen, falsch gefaltete Proteine, ausgelöste Erkrankung)
- Zoonosen (Infektionen, die von Tieren übertragen werden)
Wie wird man Facharzt/-ärztin für Infektiologie?
Wie bei jedem/-r Facharzt/-ärztin führt der Weg zunächst über ein reguläres Medizinstudium der Allgemeinmedizin. Mit erworbener Approbation geht es im nächsten Schritt zur Facharztausbildung. Nun kann die Weiterbildung zum/-r Facharzt/-ärztin für Innere Medizin und Infektiologie mit einer Weiterbildungszeit von insgesamt 72 Monate starten. Am Ende wartet eine Facharztprüfung.
Alternative: Zusatz-Weiterbildung
Die Infektiologie ist seit 2003 in der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer verankert. Mit einer Facharztanerkennung in bestimmten Facharztrichtungen kann diese je nach Landesärztekammer innerhalb 12 Monaten erworben werden (Innere Medizin, Allgemeinmedizin und Kinder- und Jugendmedizin). Damit können beispielsweise Fachärzte/-innen für Kinder- und Jugendmedizin ihre Facharztkompetenz erweitern und durch diese Zusatz-Weiterbildung in Infektiologie eine Zusatzbezeichnung als pädiatrische Infektiologen/-innen tragen.
Was verdient ein/e Facharzt/-ärztin für Infektiologie?
Allgemein beträgt das Einstiegsgehalt von Fachärzten/-innen im ersten Arbeitsjahr circa 6.400 Euro brutto; die finale Höhe des Facharzt-Gehalts ist aber abhängig vom jeweiligen Tarifvertrag des Arbeitgebers. Fachärzte/-innen während der Weiterbildung in Infektiologie verdienen ein monatliches Assistenzarzt-Gehalt zwischen etwa 4.600 und 6.300 Euro. Aber auch hier orientiert sich das tatsächliche Gehalt maßgeblich an den jeweiligen Tarifverträgen des Arbeitgebers und der individuellen Arbeitserfahrung.
Häufige Fragen zu Infektiologie
- Was versteht man unter Infektiologie?
- Wie werde ich Infektiologe/-in?
- Was untersucht ein/e Infektiologe/-in?
- Wie lange dauert es, bis man Facharzt/-ärztin für Infektiologie ist?