Die Weiterbildung zum/-r Facharzt/-ärztin für Humangenetik hat in den letzten Jahren durch die Weiterentwicklung der genetischen Analysemethoden immer größere Beliebtheit erreicht. Die Mischung aus Arbeit mit molekularen und genetischen Grundlagen ohne den Verlust des direkten Patientenkontaktes machen die Weiterbildung in diesem Fachbereich so attraktiv. Wer gerne Patienten/-innen in schwierigen Situationen unterstützt, aber auch ein großes Interesse für neue wissenschaftliche Erkenntnisse hat, sollte sich diese Weiterbildung genauer anschauen. Mehr Details zu Methoden, Arbeitsalltag und Verdienstmöglichkeiten als Humangenetiker/in hier im Artikel.
Was ist ein/e Humangenetiker/in?
Fachärzte/-innen für Humangenetik sind Ärzte/-innen, die sich bei der Wahl der Facharztausbildung für den Bereich Genetik des Menschen entschieden haben. Dort lernen sie eine Bandbreite von Erbgut-Erkrankungen und Untersuchungsmethoden der Gene kennen. Sie beschäftigen sich in dieser Facharztrichtung mit der Diagnostik und Therapie von genetischen Erkrankungen. Da häufig keine spezifische Therapie existiert, fungieren diese Experten/-innen in diesem Fachgebiet häufig als Berater bei schwierigen Entscheidungen.
Inhaltsverzeichnis
Was macht ein/e Humangenetiker/in?
Meist ist ein/e Facharzt/-ärztin für Humangenetik im ambulanten oder klinischen Umfeld im direkten Patientenkontakt tätig. Oft agieren sie dabei ebenfalls als Spezialist/in im Hintergrund, die Ärzten/-innen bei unklarer Symptomatik helfen, die richtigen Untersuchungen zu wählen, um eine Diagnose stellen zu können. Ein weiterer Tätigkeitsbereich in diesem Gebiet der Medizin ist die Forschung zu genetischen Krankheiten und Behandlungsoptionen im Institut.
Insgesamt können vier Hauptaufgaben von Humangenetikern/-innen definiert werden:
- Humangenetische Grundlagenforschung
- Diagnose genetischer Erkrankungen
- Koordination des Behandlungsmanagements von betroffenen Personen und deren langfristige Betreuung
- Information und Beratung von Betroffenen
Hervorzuheben ist, dass viele genetische Krankheiten keine zielgerichtete Behandlung haben. Oft ist jedoch schon das Stellen einer Diagnose sehr erleichternd für die Ratsuchenden, da sie so Anschluss an Selbsthilfegruppen erhalten können und die Unsicherheit in Bezug auf die Krankheit verschwindet. Daher ist ein gefühlvoller Umgang mit den Betroffenen und ihren Familien essenziell in der täglichen Arbeit. Regelmäßige Tätigkeitsfelder für Humangenetiker/innen sind dabei folgende:
Epilepsie
Epileptische Anfälle können eine Vielzahl an Ursachen haben. Einige treten ohne klar zu erkennende Ursache auf und sind gut zu behandeln. Andere Epilepsieformen gehen mit geistiger Behinderung und körperlichen Auffälligkeiten einher und sind dann oft genetisch bedingt. Ein Beispiel für eine genetisch bedingte Epilepsie ist das Rett-Syndrom. Da sich einige Epilepsie-Syndrome positiv mit bestimmter Ernährung, zum Beispiel der ketogenen Diät, beeinflussen lassen, ist die Diagnosestellung hier besonders wichtig.
Beratung bei Kinderwunsch
Die humangenetische Sprechstunde wird einerseits von Patienten/-innen aufgesucht, die sich eine Diagnosestellung für ihre Symptome wünschen, andererseits kann auch ein (unerfüllter) Kinderwunsch ein Grund sein. Wenn Eltern bereits ein Kind mit einer vererbbaren genetischen Krankheit haben, stellen sie sich oft die Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass auch ein zweites Kind diese Krankheit erbt. Da es verschiedene Arten der Vererbung gibt, kann eine Fachärztin / ein Facharzt für Humangenetik mit Kenntnis der Krankheit eine Einschätzung der sogenannten Wiederholungswahrscheinlichkeit angeben.
Chorea Huntington
Bei der Chorea Huntington handelt es sich um eine autosomal dominant vererbte Erkrankung. Das heißt, dass die Krankheit anders als bei einer rezessiven Erkrankung auch ausbricht, wenn nur eine der beiden vorliegenden Genkopien die verantwortliche Sequenz trägt. Die Wahrscheinlichkeit, als Erkrankte/r die Krankheit an die eigenen Kinder weiterzuvererben liegt also bei 50 Prozent. Symptome der Chorea Huntington sind plötzliche, unwillkürliche Bewegungen, psychische Auffälligkeiten und Demenz. Da sie oft erst im mittleren Lebensalter auftreten, entscheidet sich ein Teil der Kinder von Erkrankten, keine genetische Diagnostik durchführen zu lassen und ihr Leben bis zum eventuellen Auftritt von Symptomen möglichst „normal“ leben zu können.
Ein anderer Teil entscheidet sich für eine Diagnostik, um für den Fall, dass sie nicht Träger der Veranlagung sind, Kinder bekommen zu können, ohne Angst vor der Krankheit bei sich oder dem Kind haben zu müssen. An Beispielen wie diesem wird klar, wie individuell die Entscheidung über Gendiagnostik sein kann. Ein Institut für Humangenetik steht Betroffenen auf ihrem Weg beratend und unterstützend zur Seite, ohne sie zu beeinflussen.
Trisomien
Ein bekanntes Beispiel für genetische Störungen sind Trisomien. Trisomie bedeutet, dass statt zwei Kopien der DNA (wie bei den sonstigen Chromosomen normal) drei Kopien vorliegen. Je nachdem, welches Chromosom dreifach vorliegt, versterben Betroffene entweder noch im Mutterleib, überleben wenige Monate oder leben bis ins höhere Erwachsenenalter. Auch der Grad der geistigen Entwicklungsfähigkeit kann von schwerer geistiger Behinderung bis hin zu einem Studienabschluss reichen. Durch pränatale Untersuchungen während der Schwangerschaft kann schon früh eine Trisomie nachgewiesen werden.
Ethische Probleme entstehen einerseits dadurch, dass diese Tests nicht vollkommen zuverlässig sind. Das heißt, dass auch bei einem positiven Testergebnis eine reguläre Chromosomenanzahl vorliegen kann. Andererseits ist das Ausmaß der Auswirkung der Trisomie auf die Entwicklung vor allem beim Down-Syndrom, der Trisomie 21, sehr schwer abzuschätzen. Dennoch entscheiden sich viele Paare bei einem positiven Ergebnis zu einer Abtreibung. Auch hier ist es die Aufgabe der Fachärzte/-ärztinnen für Humangenetik, umfassend zu informieren, ohne zu versuchen, die Entscheidung der Patienten/-innen zu beeinflussen. Da Entscheidungen wie diese sehr schwierig sind und emotional hoch belastend, sind Einfühlungsvermögen und Empathie sehr wichtig.
Humangenetik – Untersuchungsmethoden und Behandlungsmethoden
Die Arbeit des Facharztes/der Fachärztin für Humangenetik unterscheidet sich hinsichtlich Untersuchungs- und Behandlungsmethoden deutlich von anderen medizinischen Gebieten. Für die Diagnostik muss vor allem die Erbinformation analysiert werden, was durch verschiedene Methoden geschehen kann. Einige werden im Folgenden kurz erklärt.
Anamnese und Stammbäume
Bevor weiterführende Diagnostik eingeleitet wird, erhebt der/die Facharzt/-ärztin eine Anamnese. Beim Verdacht auf Erbkrankheiten wird auch ein Stammbaum angefertigt. So können schon erste Rückschlüsse auf den Vererbungsmodus gezogen werden, was die in Frage kommenden Erkrankungen deutlich eingrenzt.
Chromosomenanalyse
Die Chromosomenanalyse ist eine vergleichsweise ältere und weniger aufwendige Untersuchungsmethode. Hierdurch können größere strukturelle Auffälligkeiten wie eine Trisomie, das Fehlen einzelner Chromosomen oder ähnliches aufgedeckt werden.
Sangersequenzierung
Die Sangersequenzierung ist eine etablierte Methode in der Humangenetik. Sie erlaubt den Nachweis von Genvarianten, deren Sequenz bekannt sind. Hierfür werden komplementäre DNA-Ketten verschiedener Länge hergestellt, die den zu untersuchenden Genabschnitt repräsentieren. Da immer der letzte „Buchstabe“ jeder Kette abgelesen werden kann, ergibt sich mit Hilfe von zahlreichen solcher Ketten der gesamte Code des untersuchten Abschnittes. Heutzutage wird die Sangersequenzierung immer mehr durch das Next Generation Sequencing abgelöst.
Next Generation Sequencing (NGS)
Next Generation Sequencing, kurz NGS, ist eine hochmoderne Untersuchungsmethode, die erlaubt, große Teile der DNA in kürzester Zeit zu analysieren. Je nach Bedarf kann dabei die gesamte DNA sequenziert, also „ausgelesen“ werden. Dies bietet sich insbesondere bei vielen in Frage kommenden Genvarianten oder auch bei unklaren Befunden an.
FISH
Die FISH (Floureszenz-in-situ-Hybridisierung) erlaubt die Markierung definierter Genabschnitte. Man kann sich das Prinzip wie kleine Sonden vorstellen, die an eine definierte Gensequenz binden. Wenn nach einer Mutation mit bekannter Sequenz gesucht wird, kann eine solche FISH-Sonde spezifisch an diese binden. Da sie mit einem Farbstoff markiert ist, kann so das Vorhandensein und der Ort der Mutation nachgewiesen werden. Ein Beispiel sind Translokationen, also der Austausch von Genabschnitten untereinander. Wenn normalerweise benachbarte Genabschnitte mit verschiedenen Sonden markiert werden und diese Sonden bei der Analyse nicht nebeneinander liegen, bedeutet das, dass sich der gesuchte Genabschnitt an einer anderen Stelle, zum Beispiel einem anderen Chromosom, befindet.
Artificial Intelligence
Da die Anzahl der bekannten Erbkrankheiten stetig steigt und viele dieser sehr selten sind, ist es für Humangenetiker/innen schier unmöglich, alle dieser Krankheiten zu kennen und zuverlässig diagnostizieren zu können. Artificial Intelligence kann helfen, Muster zu erkennen oder sogar bestimmte für einzelne Syndrome typische Gesichtszüge zu identifizieren. Hierdurch können wichtige zusätzliche Informationen und Inputs erhalten werden, die Humangenetikern/-innen bei der Diagnosestellung helfen.
Wie wird man Facharzt/-ärztin für Humangenetik?
Die Facharztweiterbildung zum/-r Facharzt/-ärztin für Humangenetik schließt sich wie die der anderen Facharztweiterbildungen an das Medizinstudium an. Sie dauert 60 Monate und wird mit einer Facharztprüfung abgeschlossen. Für den Start als Assistenzarzt/-ärztin in die Facharztausbildung wird noch eine Approbation benötigt. Dies ist in der Regel Formsache, wenn das Studium erfolgreich abgeschlossen wurde.
Um eine gute Stelle in der Humangenetik zu erhalten, erhöht man die Chancen, wenn man schon während des Studiums Praktika absolviert oder eine experimentelle Doktorarbeit schreibt.
Was verdient ein/e Facharzt/-ärztin für Humangenetik?
Der Verdienst eines/-r Facharztes/-ärztin für Humangenetik während der Weiterbildungszeit wird entsprechend der etablierten Tarifverträge für Ärzte (TV-Ärzte) berechnet, sofern der Träger (wie in den meisten Fällen) tariflich gebunden ist. An einer Uniklinik steigert sich das Facharzt-Gehalt so von knapp 5.000 Euro monatlich auf etwa 6.150 Euro im letzten Weiterbildungsjahr. Das Gehalt danach kann je nach Arbeitgeber entweder selbst durch Handlungsgeschick deutlich gesteigert werden oder liegt ebenfalls im Schema der Tarifverträge, also etwa 8.500 Euro monatlich als Oberarzt/-ärztin mit einigen Jahren Berufserfahrung.
Häufige Fragen zu Humangenetik
- Was ist Humangenetik?
- Wie wird man Facharzt/-ärztin für Humangenetik?
- Warum geht man zu einem/-r Humangenetiker/in?
- Wie läuft eine genetische Untersuchung ab?
Die Humangenetik beschäftigt sich mit dem menschlichen Erbmaterial und den Erkrankungen, die genetisch bedingt sind.
Um Facharzt/-ärztin für Humangenetik zu werden, muss nach dem Medizinstudium die fünfjährige Facharztweiterbildung in Humangenetik absolviert werden. Am Ende folgt die Facharztprüfung.
Typische Gründe, um eine humangenetische Sprechstunde zu besuchen ist eine vermutete genetische Erkrankung oder auch die Beratung bei Kinderwunsch und Schwangerschaft.
Bei einer genetischen Untersuchung wird zuerst eine Anamnese erhoben und bisherige Untersuchungsbefunde analysiert. Danach folgt meist eine körperliche Untersuchung und es werden die entsprechenden Tests angeordnet, die am ehesten bei der Diagnosefindung helfen.