Die Fachärztin bzw. der Facharzt für Biochemie gehört zu den eher weniger bekannten Facharzttiteln. 2021 waren in Deutschland nur etwas mehr als 30 berufstätige Fachärzte/-innen in diesem Bereich tätig. Gerade für Mediziner/innen, die sich für molekulare Grundlagen interessieren und sich eine Karriere außerhalb der Klinik vorstellen können, ist diese Facharztausbildung jedoch interessant. Wochenend- und Nachtarbeit sind in diesem Bereich äußerst selten und auch die Karriererichtung kann man deutlich freier gestalten.
Wie die Arbeit als Facharzt/-ärztin für Biochemie aussieht und welche Aufgaben sie übernehmen, dazu mehr in diesem Artikel.
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein/e Facharzt/-ärztin für Biochemie?
Fachärzte/-innen für Biochemie sind Ärzte/-innen, die sich für die Facharztweiterbildung in der Biochemie entschieden haben. Oft besitzen sie ein ausgesprochenes Interesse für molekulare Grundlagen und haben schon während des Studiums Laborpraktika oder eine experimentelle Doktorarbeit gefertigt. Anders als andere Biochemiker/-innen sind sie jedoch ausgebildete Humanmediziner/-innen und so auf die Biochemie des menschlichen Körpers beschränkt, wohingegen nichtärztliche Biologen/-innen und Biochemiker/-innen auch die Wahl haben, sich mit Pflanzen- und Tierbiochemie zu beschäftigen.
Was macht ein/e Facharzt/-ärztin für Biochemie?
Als Arzt/Ärztin in der Biochemie untersucht man die Chemie von Vorgängen im Menschen: Aufbau, Eigenschaften und Umwandlung chemischer Stoffe durch den menschlichen Organismus. Anders als im Fachbereich Anatomie steht dabei weniger der menschliche Körper als Ganzes im Fokus, sondern die molekularer Ebene.
Im Vergleich zu klinisch tätigen Ärzten/-innen sind Fachärzte/-innen für Biochemie meist in Forschung, Labor oder Lehre tätig. Dabei kommen sowohl Universitätskliniken als auch private Forschungseinrichtungen als Arbeitgeber in Frage. Wer sein theoretisches Wissen und analytische Fähigkeiten anders anwenden möchte, kann auch in der Unternehmensberatung Karriere machen. Im Folgenden gehen wir auf typische Aufgaben in den klassischen Arbeitsbereichen eines/-r medizinischen Biochemikers/-in ein.
Lehre
Die meisten Studierenden haben zum ersten Mal im vorklinischen Abschnitt des Studiums Kontakt zur Biochemie. Wer nach Abschluss der Facharztausbildung Biochemie im universitären Umfeld bleiben möchte, wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch als Lehrperson tätig sein.
Zu den Aufgaben kann die Durchführung von Vorlesungen genauso gehören wie die Organisation von Seminaren und Praktika. Meist kann das genaue Ausmaß der Lehrtätigkeit an der Universität in einem gewissen Rahmen verhandelt werden.
Forschung
Sowohl bei der Arbeit an der Universität als auch in privaten Einrichtungen ist die Forschung ein wichtiger und zentraler Bestandteil der Tätigkeit als Facharzt/-ärztin für Biochemie. Die Fachärzte/-innen sind dabei einerseits für die klassische Laborarbeit qualifiziert, andererseits bilden sie eine Schnittstelle zwischen dieser und klinischer Tätigkeit. Aufgrund dieser Vielseitigkeit werden Fachärztinnen und Fachärzte für Biochemie auch gerne mit der Leitung von Forschungsgruppen beauftragt.
Impfungen
Ein wichtiges und hochaktuelles Forschungsthema sind Impfungen. Durch einen vorherigen Kontakt des Immunsystems mit abgeschwächten oder abgetöteten Krankheitserregern können diese im Ernstfall möglichst effizient und schnell bekämpft werden. Die WHO hat so 1979 durch gezielte und organisierte Impfaktionen die Pocken, die bis dato jährlich zig Menschenleben kosteten, für ausgerottet erklären können. Aktuelle Forschungen beschäftigen sich mit der Entwicklung einer Impfung gegen das HI-Virus oder auch der Weiterentwicklung und Optimierung der Corona-Impfung. Fachärzte/-innen für Biochemie können durch ihre Expertise somit die Richtung der Forschung bestimmen. Auch wenn sie nicht im direkten Patientenkontakt stehen, so hat ihre Arbeit dennoch Auswirkungen auf die Behandlung unzähliger Menschen diverser Facharztrichtungen wie z.B. Innere Medizin oder dort im Speziellen Infektiologie.
Krebs
Jeder Tumor hat eine individuelle Kombination von Mutationen, die das Wachstum verursacht. Daher ist es so schwierig, eine Heilung für Krebs zu entwickeln. In den letzten Jahren haben Targeted Therapies, also zielgerichtete Therapien, bahnbrechende Erfolge erzielt. Hierfür ist jedoch die Kenntnis der genauen molekularen Abläufe und des Tumorgeschehens wichtig. Ein Beispiel für eine moderne Therapie ist das Medikament Imatinib, das die Überlebensrate von Patienten mit CML, einer Sonderform der Leukämie, fast auf die der Normalbevölkerung gehoben hat. Biochemiker/innen haben dabei durch Kenntnis der molekularen Grundlagen und Forschung einen entscheidenden Beitrag geleistet.
Gentherapien
Ein weiteres hochinteressantes Forschungsfeld sind Gentherapien. Ein Erfolgsbeispiel ist die Therapie der spinalen Muskelatrophie. Bei dieser Krankheit wird zu wenig eines bestimmten Proteins (SMN) produziert, was zu zunehmender Muskelschwäche, meist schon im frühen Kindesalter führt. 2017 konnte Nusinersen (Arzneistoff aus der Gruppe der Antisense-Oligonukleotide) mit dem Handelsname Spinraza zugelassen werden. Dieses Medikament erhöht gezielt die Menge des fehlenden Proteins und kann so den Krankheitsverlauf deutlich verlangsamen.
Biochemie – Untersuchungsmethoden und Behandlungsmethoden
Da Fachärzte/-innen für Biochemie meist nicht in direktem Patientenkontakt arbeiten, unterscheiden sich die Inhalte ihres Arbeitsalltags deutlich von dem anderen Mediziner/innen. Der OP-Tisch wird dabei gegen die Laborbank getauscht, der Endoskopiesaal gegen den Hörsaal.
PCR
Die PCR (Polymerase-Kettenreaktion) ist eine Basismethode in der Forschung und Klinik. Sie ermöglicht den Nachweis kleiner DNA-Mengen und ist so elementar in der Diagnostik verschiedenster Krankheiten. Bekannt geworden ist sie vor allem durch ihre Fähigkeit, eine große Menge verschiedener Proben gleichzeitig zu analysieren, was während der Corona-Pandemie von unschätzbarem Wert ist.
ELISA
ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay) ist eine Untersuchungsmethode, mit der nachgewiesen werden kann, ob sich bestimmte Moleküle in einer Lösung befinden. Beispiele hierfür sind Viren, Bakterien oder auch Antikörper gegen diese. Ein Beispiel ist der Nachweis von Immunität gegen das Corona-Virus. Dabei werden vorhandene Antikörper im Blut mithilfe eines zweiten Antikörpers, der an den Corona-Antikörper bindet, nachgewiesen. Dieser zweite Antikörper ist an einen Farbstoff gekoppelt, der dann durch spezielle Geräte nachgewiesen werden kann.
Sequenzierung
Die Sequenzierung von Genabschnitten wird unter anderem verwendet, um Mutationen nachzuweisen. Dies kann einerseits bei der Diagnostik von genetischen Krankheiten wichtig sein, andererseits können so bestimmte Mechanismen bei Tumoren nachgewiesen werden. Dieses Wissen ist essenziell für die Entwicklung zielgerichteter Therapien.
Zentrifugation
Die Zentrifugation ist eine Basismaßnahme in der Labortätigkeit. Das Prinzip kann man sich ähnlich einer Wäsche- oder Salatschleuder vorstellen. Jedoch dreht sich eine Zentrifuge deutlich schneller und kann chemische Mischungen nach ihrer Dichte auftrennen. So köann man beispielweise Zellteile von Wasser trennen und weiteranalysieren.
Elektrophorese
Bei der Elektrophorese handelt es sich um eine Methode, um Proteine zu trennen und zu reinigen. Hierzu setzt man elektrische Spannung an eine Lösung an. Je nach Größe und Ladung des jeweiligen Proteins verhält es sich anders unter elektrischer Spannung. Einige Proteine wandern schneller und weiter entlang des Gradienten, während andere weiter zurückbleiben. So kann man einerseits Rückschlüsse auf Menge und Art der in der Lösung enthaltenen Proteine ziehen. Andererseits werden diese auch entsprechend aufgetrennt, sodass der gewünschte Bestandteil abgetrennt und weiter analysiert werden kann.
Wie wird man Facharzt/-ärztin für Biochemie?
Die Ausbildung zum Facharzt/-ärztin für Biochemie verläuft ähnlich wie die der anderen Facharztrichtungen. Nach Abschluss des 2. Staatsexamens in Humanmedizinstudiums folgt das praktische Jahr (PJ). Wenn die darauffolgende mündliche Prüfung erfolgreich abgeschlossen wurde, kann mit Erhalt einer Approbation eine Facharztweiterbildung begonnen werden. Anders als in den meisten anderen Fächern dauert die Weiterbildung zum/-r Facharzt/-ärztin für Biochemie jedoch nur 48 anstatt 60 Monate. Gleich bleibt hingegen die Facharztprüfung, die bestanden werden muss, um den offiziellen Titel als „Facharzt/-ärztin für Biochemie“ tragen zu können.
Alternativer Karriereweg
Da die medizinische Biochemie ein kleines Fach ist, gibt es auch nur wenige Ausbildungsstellen. Es lohnt sich daher, schon während des Studiums mithilfe von Praktika oder dem PJ Erfahrung in diesem Bereich zu sammeln. Wer sich für die Arbeit in Biochemie im Bereich Wirtschaft oder Forschung interessiert, jedoch keine geeignete Weiterbildungsstelle findet, kann auch ein PhD-Programm ins Auge fassen. Mit einem Doktortitel verbessert man seine Bewerbungenchancen auf entsprechende Stellen.
Was verdient ein Facharzt/-ärztin für Biochemie?
Das durchschnittliche Facharzt-Gehalt ist von Faktoren wie Aufgabenfeld, Arbeitgeber und Berufserfahrung abhängig. Während Unikliniken nach Tarifverträgen bezahlen, können die Ärzte/-innen auf Seite der freien Wirtschaft ihr Gehalt durch geschicktes Verhandeln deutlich nach oben treiben. Vor allem Pharmaunternehmen sind bereit, für gut ausgebildete Fachkräfte mehr zu zahlen.
Wer nach Tarif bezahlt wird, kann während der Facharztausbildung ein Assistenzarzt-Gehalt von 4.938 Euro brutto schrittweise auf 5.765 Euro brutto im letzten Ausbildungsjahr erhöhen. Als Facharzt/-ärztin liegt das Durchschnittsgehalt in Deutschland bei rund 7.600 Euro. Oberärzte/-innen können nach 7 Jahren schon 9.331 Euro monatlich verdienen. Wer jedoch Zusatzqualifikationen, langjährige Berufserfahrung und Verhandlungsgeschick mitbringt, kann ein deutlich höheres Gehalt als Oberarzt/-ärztin verhandeln.
Häufige Fragen zu Biochemie
- Was versteht man unter Biochemie?
- Was machen Fachärzte/-innen für Biochemie?
- Wie kann man Facharzt/-ärztin für Biochemie werden?
- Wieviel verdienen Fachärzte/-innen für Biochemie?
Die Biochemie beschäftigt sich mit den chemischen Vorgängen auf molekularer Grundlage in Lebewesen.
Fachärzte/-innen für Biochemie haben breite Aufgabenfelder. Je nach Beschäftigungsstelle kommen Forschung, Lehre und Beratertätigkeit in Frage.
Nach Abschluss des Humanmedizinstudiums schließt sich die 48-monatige Weiterbildungszeit zum/-r Facharzt/-ärztin für Biochemie an. Wird die darauffolgende Abschlussprüfung erfolgreich bestanden, darf man offiziell den Titel „Facharzt/-ärztin für Biochemie“ tragen.
Das Gehalt für Fachärzte/-innen für Biochemie hängt von vielen Faktoren ab und kann daher stark variieren. Als Richtwert kann das Oberarztgehalt an einer Uniklinik von 8.644 Euro nach 4 Jahren in dieser Position genommen werden.