Mit der Zusatz-Weiterbildung Medizinische Informatik ergibt sich die Möglichkeit, in einer interdisziplinären Profession an der Schnittstelle zwischen Gesundheitsversorgung und Technik zu arbeiten. Mit der Entwicklung von verbesserter Informationsverarbeitung, Entscheidungsfindung und Datenspeicherung ist die Medizinische Informatik ein wichtiger Pfeiler des aktuellen Gesundheitswesens sowie der Gesundheitsversorgung und Medizin der Zukunft.
Medizinische Informatik im Überblick
- Anzahl Fach-Ärztinnen und -Ärzte: In Deutschland gibt es etwa 800 Fachärzte/-innen mit der Zusatzbezeichnung Medizinische Informatik, darunter sind etwas mehr als 600 berufstätig. Unter den Berufstätigen arbeiten knapp 30 Prozent stationär und 40 Prozent ambulant. Das letzte Drittel der Ärzte/-innen arbeitet in sonstigen Bereichen.
- Dauer: Die Dauer der Zusatzweiterbildung variiert zwischen den Bundesländern, beträgt meist aber etwa dreieinhalb Jahre.
Der folgende Artikel liefert für alle Interessierten an der Medizinischen Informatik detaillierte Informationen zu den Voraussetzungen, dem Ablauf und den Perspektiven in diesem Bereich.
Inhaltsverzeichnis
Das Gebiet der Medizinischen Informatik
Die Medizinische Informatik arbeitet an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Technik und Dienstleistung und ermöglicht eine strukturiertere und dadurch bessere Patientenversorgung. Mediziner/innen mit der Zusatzbezeichnung Medizinische Informatik tragen zur besseren Verknüpfung verschiedener medizinischer Einrichtungen bei, indem sie durch Informationssysteme eine bessere Verfügbarkeit von Patientendaten ermöglichen. Als Forschungsgebiet, in dem ständig auch an der Verbesserung von Datenverarbeitung, Diagnosestellung und Informationsbereitstellung gearbeitet wird, trägt die Disziplin einen großen Teil zur Medizin und zum Gesundheitswesen der Zukunft bei.
Voraussetzungen für die Zusatzweiterbildung Medizinische Informatik
Generell ist für jegliche Facharzt- oder Zusatzbezeichnung ein abgeschlossenes Medizinstudium und die Approbation Voraussetzung. Anders als für viele andere Zusatzbezeichnungen muss man jedoch keine Facharztanerkennung vorweisen, um die Zusatzweiterbildung Medizinische Informatik zu beginnen. Mediziner/-innen in Weiterbildung können bereits nach 24 Monaten ärztlicher Tätigkeit mit dem Lehrgang beginnen.
Dauer der Weiterbildung Medizinische Informatik
Die Dauer des Lehrgangs hängt von der jeweiligen Landesärztekammer ab, beträgt meistens jedoch etwa dreieinhalb Jahre. Die Weiterbildung setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen.
- 24 Monate ärztliche Tätigkeit und zusätzlich:
- 240 Stunden Kurs-Weiterbildung in Medizinischer Informatik (kann durch 12-monatige ärztliche Tätigkeit in einer an die Patientenversorgung angeschlossenen Einrichtung der Medizinischen Informatik unter Anleitung eines Weiterbildungsbefugten an zugelassenen Weiterbildungsstätten ersetzt werden)
- 480 Stunden in einer Einrichtung der medizinischen Informatik oder in einer IT-Abteilung im Gesundheitswesen (ersetzbar durch eine Projektarbeit bei einem Weiterbildungsbefugten für Medizinische Informatik)
Eine Ausnahme bilden hierbei die Landesärztekammern von Bayern und Rheinland-Pfalz: Wer hier die Zusatzbezeichnung Medizinische Informatik erlangen will, hat die folgenden Vorgaben:
- 12 Monate in einer an die Patientenversorgung angeschlossenen Einrichtung der Medizinischen Informatik bei einem Weiterbilder für Medizinische Informatik ableisten
oder
- 360 Stunden Kurs-Weiterbildung in Medizinischer Informatik und 480 Stunden Praktikum oder Projektarbeit bei einem Weiterbilder der Medizinischen Informatik ablegen.
Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Medizinische Informatik
Die Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) der Bundesärztekammer empfiehlt folgende Inhalte für die Zusatzweiterbildung in Medizinischer Informatik. Bei den Zahlen in Klammern handelt es sich um Richtzahlen.
Angewandte Informatik
Kognitive und Methodenkompetenz
- IT-Infrastrukturkomponenten, z. B. Rechnernetze, Betriebssysteme, Telematikinfrastruktur
- Programmiersprachen und Webservices z. B. XML, JSON, Java, SOAP
- IT-Servicemanagement
Handlungskompetenz
- Planung, Entwicklung und Auswahl von Anwendungssystemen
- Einsatz von Vorgehensmodellen im Software Engineering
- Modellierung von Daten und Prozessen
- Anwendung und Abfrage von relationalen Datenbanken
- Anwendung von Methoden der Anforderungsanalyse
Datenschutz und Datensicherheit
Kognitive und Methodenkompetenz
- Rechtliche Grundlagen, z. B. Datenschutzgrundverordnung, Medizinproduktegesetz, Arzneimittelgesetz
- Prinzipien und Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes
Handlungskompetenz
- Umsetzung datenschutzkonformer Lösungen in Versorgung und Forschung
- Erstellung eines Datenschutzkonzeptes
Medizinische Dokumentation
Kognitive und Methodenkompetenz
- Fachterminologie der medizinischen Informatik, z. B. Systematized Nomenclature of Medicine – Clinical Terms (SNOMED-CT)
- Dokumentationssysteme
Handlungskompetenz
- Planung und Entwicklung von Dokumentationssystemen, z. B. medizinische Register, Krebsregister, Infektionsschutzmeldungen, Qualitätssicherungssysteme
- Anwendung von Ordnungssystemen, Klassifikationen oder Ontologien, davon
- im Rahmen der medizinischen Dokumentation, z. B. Arztbrief, Medikationsplan, Notfalldaten, Akten, Impfplan, SNOMED-CT, LOINC, UCUM, TNM, ICD-O, ICF
- im Rahmen der administrativen Dokumentation, z. B. OPS, ICD-10-GM, EBM, DRG, Qualitätssicherung nach § 137 SGB V
- im Rahmen von Public Health (Big Data), z. B. Todesursachen, Infektionsschutz, Pharmakovigilanz, GMDN, ATC, ICD-10-WHO
Informations- und Kommunikationssysteme
Kognitive und Methodenkompetenz
- Medizinische Informations- und Kommunikationssysteme, insbesondere
- Krankenhausinformationssysteme und klinische Arbeitsplatzsysteme, z. B. Intensivmedizin, Anästhesiologie
- Arztpraxisinformationssysteme
- Informationssysteme von Funktionsabteilungen wie Radiologie, Labor, Endoskopie
- Aufbau- und Ablauforganisation von Dienstleistungseinheiten, IT-Servicemanagement, z. B. ITIL
- IT-Standards und Interoperabilität, z. B. ISO, DIN, HL7, IHE
Handlungskompetenz
- Erstellung von Rahmenkonzepten
- Evaluation von Informations- und Kommunikationssystemen, z. B. Usability
- Nutzungs- und Parametriererfahrungen bei branchenspezifischen Anwendungssystemen
Telemedizin und Telematik
Kognitive und Methodenkompetenz
- Elektronische Akten und patientenzentrierte Anwendungen (Consumer Health Care IT), z. B. APP-Anwendungen, Ambient Assisted Living (AAL)
- Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte
- Organisatorische, juristische, ethische und technische Aspekte von telemedizinischen Anwendungen
Informationsmanagement
Kognitive und Methodenkompetenz
- Anwendungssysteme in der Forschung
- E-Learning, Blended Learning
Handlungskompetenz
- Nutzung von Routine- und Registerdaten in der Versorgungsforschung
- Datenmanagement, Datenintegration, z. B. Algorithmen, Datenstrukturen
- Etablierung von IT-Strukturen im Rahmen von medizinischen Forschungsprojekten, z. B. in klinischen Studien
Entscheidungsunterstützung
Kognitive und Methodenkompetenz
- Präzisionsmedizin
- Wissensbasen und Systeme zur Therapiesicherheit, z. B. Wissensmanagement
- Health Technology Assessment (HTA)
Handlungskompetenz
- Beratung zu Therapieoptionen aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse (Schlussfolgerungsverfahren)
Bild- und Biosignalverarbeitung
Kognitive und Methodenkompetenz
- Modalitäten, z. B. in der Radiologie
- Verfahren zur Filterung, Verbesserung und Auswertung
Management in der Gesundheits-IT
Kognitive und Methodenkompetenz
- Etablierte Verfahren der Qualitätssicherung, z. B. Medizin-Controlling
- Qualitätsmanagement, z. B. IT-Qualitätssicherung, Qualitätssicherung nach § 137 SGB V
- IT-Projektmanagement und Vorgehensmodelle, z. B. V-Modell
- Risikomanagement von vernetzten Systemen, z. B. ISO 80001
Handlungskompetenz
- Prozessmanagement, z. B. Organisation von Behandlungspfaden
- Mitarbeit an Qualitätsmanagementprojekten, z. B. im Rahmen von Zertifizierungen
Biometrie und Epidemiologie in der Medizinischen Informatik
Kognitive und Methodenkompetenz
- Methoden und Anwendungen bei experimentellen, bevölkerungsbezogenen und klinischen Studien
- Planungs- und Auswerteverfahren
- Statistik und Statistik-Software, z. B. SPSS
Auch hier weicht der Weiterbildungsablauf nach WBO der Landesärztekammern von Bayern und Rheinland-Pfalz ab. Grundsätzlich ist es immer empfehlenswert, sich über die aktuelle WBO bei der jeweiligen Ärztekammer, bei der man gemeldet ist, zu informieren.
Prüfung zur Zusatzweiterbildung
Hat man die Mindestweiterbildungszeit und die erforderlichen Weiterbildungsinhalte erfolgreich durchlaufen, ist die Anmeldung zur Schwerpunktprüfung möglich. Hierfür ist meist das Ausfüllen eines (Online-)Antrags und die Abgabe aller gesammelten Zeugnisse und des eLogbuchs nötig. Was die tatsächlichen Anforderungen sind und wo die Anmeldung stattzufinden hat, kann man über die Landesärztekammer erfahren. Erst nach erfolgreich bestandener Prüfung können Ärzte/-innen die Zusatzbezeichnung Medizinische Informatik tragen.
Die Prüfung selbst wird vor einem Prüfungsausschuss gestellt und dauert mindestens dreißig Minuten. Wie sie genau aufgebaut ist, hängt von jeweilig Prüfenden und der Landesärztekammer ab. Meist werden die Inhalte der Weiterbildung in mündlicher Form abgefragt, es kann jedoch auch zur praktischen Überprüfung der Kompetenzen kommen.
Logbuch zur Weiterbildung Medizinische Informatik
Ärzte/-innen in Weiterbildung sind grundsätzlich verpflichtet, ihre geleisteten Tätigkeiten und Kurse in einem sogenannten Logbuch zu dokumentieren und vom jeweiligen Weiterbildenden bestätigen zu lassen. Nur wenn alle in der WBO der Ärztekammer aufgeführten Mindestanforderungen erfüllt sind und im Logbuch aufgeführt werden, kann es – mitsamt aller erworbener Zertifikate und Zeugnisse – abgegeben werden. Erst nach der Abgabe des Logbuchs kann die Zusatzbezeichnung erlangt werden.
Seit 2021 ist auch in der Zusatzweiterbildung Medizinische Informatik ein eLogbuch – also das Logbuch in elektronischer Form – verpflichtend. Dieses ermöglicht eine digitale Dokumentation des Lehrfortschritts. Registrierung und Anmeldung für das eLogbuch erfolgt über die Online-Portale der Landesärztekammern. Wer in der Zeit seiner Zusatzweiterbildung den Arbeitgeber oder die Ärztekammer wechselt, kann durch die digitale Dokumentation seine Daten behalten. Dies ermöglicht ein Anknüpfen des Lehrgangs an der richtigen Stelle.
Karrieremöglichkeiten als Medizinische/r Informatiker/in
Mediziner/innen mit der Zusatzbezeichnung Medizinische Informatik können nahezu in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung, der Forschung und Lehre, aber auch bei Firmen der Software-Entwicklung, bei Hardwareanbietern oder in der Medizintechnik arbeiten. Da die Medizinische Informatik bedeutend für die zukünftige Gesundheitsversorgung ist, hat man nach der Zusatzweiterbildung gute Chancen auf einen sicheren Beruf und eine Karriere.
Gehaltsperspektiven mit Zusatzbezeichnung Medizinische/r Informatiker/in
Bereits während der Zusatzweiterbildung kann man mit einem Gehalt zwischen 6.400 und 8.400 Euro brutto rechnen, das sich je nach Tarifvertrag des Arbeitgebers stark erhöhen kann. Aber auch weitere Faktoren wie das Geschlecht, der Standort und die Art der Anstellung können sich auf den Verdienst auswirken. Informationen zum Facharzt-Gehalt für Arbeitsmediziner/innen finden sich in unserem Karrierebereich.
Passende Jobs für Medizinische/r Informatiker/in finden
praktischArzt ist die große Jobbörse für Ärzte und Ärztinnen in Deutschland. In der Stellensuche finden sich täglich zahlreiche Assistenzarzt-Stellen sowie Jobs für Fachärzte/-innen, Oberarzt-Stellenangebote und Stellen für Chefärzte/-innen.
Häufige Fragen zu Medizinische Informatik
- Was ist Medizinische Informatik?
- Wie erhält man die Zusatzbezeichnung Medizinische Informatik?
- Wie lange dauert die Zusatzweiterbildung Medizinische Informatik?
Im Bereich Medizinische Informatik liegt die Grenze zwischen Gesundheitsversorgung und Technik. Mediziner/innen mit der Zusatzbezeichnung arbeiten an der verbesserten Datenverarbeitung und der Steigerung der Qualität von Informationsmanagement und Entscheidungsfindung in der Medizin, womit sie eine wichtige Rolle für die Weiterentwicklung der Medizin spielen.
Wer die Zusatzweiterbildung Medizinische Informatik ablegen möchte, muss das Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen und die Approbation zum Arzt haben. Zwar ist keine bestimmte Facharztanerkennung Voraussetzung für den Lehrgang, man muss jedoch 24 Monate ärztliche Tätigkeit mit Patientenkontakt geleistet haben.
Je nach Bundesland und Ärztekammer dauert die Zusatzweiterbildung meist dreieinhalb Jahre und besteht aus 24 Monaten ärztlicher Tätigkeit, sowie 240 Stunden Weiterbildung und 480 Stunden Arbeit in einer Einrichtung der medizinischen Informatik.