Die Zusatz-Weiterbildung Manuelle Medizin umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Erkennung und Behandlung reversibler Funktionsstörungen des Bewegungssystems einschließlich ihrer Wechselwirkungen mit anderen Organsystemen mittels manueller Untersuchungs- und Behandlungstechniken. Vor allem für die Fächer Orthopädie, Unfallchirurgie, Sportmedizin und Rehabilitative Medizin bietet sie eine nicht-invasive Ergänzung zum Behandlungsspektrum.
Inhaltsverzeichnis
- Das Fachgebiet Manuelle Medizin
- Voraussetzungen für die Zusatz-Weiterbildung Manuelle Medizin
- Dauer der Zusatz-Weiterbildung Manuelle Medizin
- Inhalte der Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin
- Abschluss der Weiterbildung
- Karrieremöglichkeiten mit Zusatzbezeichnung Manuelle Medizin
- Gehaltsperspektiven mit Zusatzbezeichnung Manuelle Medizin
Manuelle Medizin - ein Überblick
- 17.763 Ärztinnen und Ärzte sind in Deutschland Ende 2022 mit Zusatzweiterbildung Manuelle Therapie berufstätig gewesen. Tendenz steigend.
- Die Manuelle Medizin ist damit die zweithäufigste Zusatzbezeichnung, die von Fachärzten/-innen erlangt wird. Nur die Notfallmedizin ist noch beliebter.
- Die überwiegende Mehrheit der Kollegen/-innen ist im ambulanten Sektor tätig beziehungsweise mit eigener Praxis niedergelassen.
Das Fachgebiet Manuelle Medizin
Die Manuelle Medizin (früher: Chirotherapie) kommt bei Störungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates zum Einsatz. Sie nimmt einen besonderen Platz in der Medizin ein, da die Diagnostik und Behandlung niemals invasiv sind.
Ärzte/-innen mit der Zusatzbezeichnung Manuelle Medizin lernen, ihre Hände zum Ertasten von Funktionsstörungen und zum gezielten Manipulieren einzusetzen. Die Manuelle Medizin ist eng mit der Chiropraktik und der Osteopathie verwandt, wird jedoch von ausgebildeten Ärzten/-innen und Physiotherapeuten/-innen als Teil der Schulmedizin praktiziert.
Auch Fachärzte/-innen für Pädiatrie, HNO und Schmerzmedizin profitieren von den Möglichkeiten der Manuellen Medizin. Insbesondere bei chronischen Schmerzen ist es wichtig, die Manuelle Medizin in der Diagnostik und Therapie mit anderen Methoden zu kombinieren (multimodale Schmerztherapie).
Voraussetzungen für die Zusatz-Weiterbildung Manuelle Medizin
Für die Weiterbildung Manuelle Medizin wird eine abgeschlossene Facharztausbildung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung benötigt. Zu den Weiterbildungen in der unmittelbaren Patientenversorgung zählen folgende Bereiche:
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Anästhesiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Arbeitsmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Augenheilkunde
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Chirurgie und die Spezialgebiete:
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Gefäßchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Herzchirurgie
- Weiterbildung Facharzt /-ärztin Kinder- und Jugendchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Orthopädie und Unfallchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Plastische, Rekonstruktive, Ästhetische Chirurgie
- Weiterbildung Facharzt /-ärztin Thoraxchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Viszeralchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Humangenetik
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Innere Medizin und die Spezialgebiete:
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Angiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Gastroenterologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Infektiologie
- Weiterbildung Facharzt/Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Nephrologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Pneumologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Rheumatologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Neurochirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Neurologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Nuklearmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Öffentliches Gesundheitswesen
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Phoniatrie und Pädaudiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Radiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Strahlentherapie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Transfusionsmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Urologie
Dauer der Zusatz-Weiterbildung Manuelle Medizin
Die Dauer der Zusatzweiterbildung Manuelle Therapie hat einen Umfang von 320 Stunden. Sie besteht aus mehreren Modulen, wovon die Module I bis IV als Aufbaukurse gelten (je 30 Unterrichtseinheiten pro Modul), die Module V bis VIII als Grundkurse (je 50 Unterrichtseinheiten). 120 Stunden entfallen demnach auf den Grundkurs, die verbleibenden 200 Stunden auf den Aufbaukurs.
Teilweise werden diese auch über Blended Learning Kurse angeboten. Dies verbindet Präsenzphasen und eLearning miteinander.
Die Kurs-Weiterbildung dauert im Gesamten etwa 12 Monate.
Inhalte der Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin
Die Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer gibt die unten stehenden Weiterbildungsinhalte für die Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin als Richtlinie an. Aufgrund der Tatsache, dass die Landesärztekammern für die Weiterbildungen verantwortlich sind, kann es zu Abweichungen der Voraussetzungen, Dauer, Inhalte und Prüfungsmodalitäten kommen. Wir empfehlen eine individuelle Information bei der zuständigen Landesärztekammer.
Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Manuelle Medizin
- Indikation und Kontraindikation manualmedizinischer Maßnahmen
- Stellenwert der manuellen Medizin in der ärztlichen Tätigkeit, z. B. in
- Manuelle Medizin in Bezug auf Alter und Entwicklung
Funktionelle Grundlagen
- Spezielle funktionelle Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie und Biomechanik des Halte- und Bewegungssystems unter manualmedizinischen Aspekten
- Prinzipien des Tensegrity-Modells in der Medizin
- Topographische Beziehung peripherer Arterien, insbesondere der Vertebralarterien, und die Wirkung der Bewegung der beteiligten Strukturen auf diese Gefäße
- Spezielle Anatomie des autonomen Nervensystems und dessen Beziehung zu muskuloskelettalen Beschwerden
- Anatomische Varianten der neuralen und muskuloskelettalen Strukturen
- Nozigeneratoren und Neurophysiologie der Nozireaktion und Schmerzverarbeitung
- Grundlagen der Biomechanik und ihrer Anwendung auf das Bewegungssystem, insbesondere bezüglich der Gelenkbewegung und muskulären Kraftübertragung
Diagnostische und therapeutische Grundlagen
- Indikationsstellung, Einleitung und Therapiekontrolle physiotherapeutischer, physikalischer, ergotherapeutischer und logopädischer Therapiemaßnahmen sowie von Rehabilitationstraining
- Interdisziplinäre Indikationsstellung zur weiterführenden Diagnostik einschließlich der Differentialindikation und Befundinterpretation bildgebender Verfahren unter Berücksichtigung der Strahlenhygiene
- Risiken und Vorteile anderer relevanter Therapieverfahren im Vergleich zur Manuellen Medizin
- Psychosomatische Grundlagen Biopsychosoziales Schmerzverständnis Placebo- und Noceboeffekte Mechanismen der Chronifizierung
- Beratung des Patienten über Erfolgsaussichten, Komplikationsmöglichkeiten und Kontraindikationen manualmedizinischer Maßnahmen
- Individuelle Erarbeitung von Selbstübungen mit dem Patienten im Rahmen der primären und sekundären Prävention
Typische Krankheitsbilder in der Manuellen Medizin
- Störungen und Dysfunktionen der axialen und peripheren Strukturen, insbesondere von Schädel, kranio-zervikalem Übergang, der Wirbelsäulenabschnitte und deren Übergängen, Sakroiliakalgelenken, Beckengürtel und peripheren Gelenken
- Funktionelle Verkettungen innerhalb und zwischen den Strukturen des Bewegungsorgans
- Dysfunktion viszeraler Organe mit Bezug zu biomechanischen Störungen
- Viszero-somatische, somato-viszerale, psycho- somatische und somato-somatische Reaktionen
Spezielle manualmedizinische Diagnostik
- Grundlagen spezieller pädiatrischer Untersuchungstechniken und der Beurteilung des Entwicklungsstandes
- Manualmedizinische Untersuchung und Funktionsdiagnostik, insbesondere unter Einbeziehung orthopädischer und neurologischer Tests
- Durchführung orientierender und regionaler palpatorischer Untersuchungen der einzelnen Gewebeschichten zur Diagnose einer reversiblen Dysfunktion bzw. einer Kontraindikation unter Berücksichtigung der Schmerzprovokation, veränderter Sensorik und Gewebetextur, des Bewegungsausmaßes und der Charakteristika der Barriere am Bewegungsende
- Spezielle manualmedizinische Dokumentation der Untersuchungsergebnisse
Spezielle manualmedizinische Therapie
- Grundlagen osteopathischer Verfahren zur Behandlung viszeraler Organe
- Grundlagen manualmedizinischer Behandlungstechniken bei Kindern
- Mobilisationstechniken einschließlich spezieller Techniken der Inhibition oder Relaxation von Muskeln basierend auf postisometrischer Relaxation und reziproker Inhibition sowie Positionierungs-Techniken
- Segmentale Manipulation an Wirbelsäule und Extremitätengelenken
- Myofasziale Techniken Triggerpunkt-Behandlung
- Behandlungsstrategien für funktionelle Verkettungssyndrome
- Entspannungstechniken
Abschluss der Weiterbildung
In der Regel erfolgt der Abschluss der Zusatz-Weiterbildung Manuelle Medizin über eine mündliche Prüfung in Form eines Fachgesprächs anhand von verschiedenen Fallbeispielen stattfinden. Auch praktische Aufgaben sind möglich. Normalerweise dauert die Prüfung mindestens 30 Minuten und wird durch einen Prüfungsausschuss – bestehend aus einem/-r Vorsitzenden und zwei Beisitzenden – abgenommen.
Zur Anmeldung ist ein ausgefülltes Logbuch verpflichtend.
Ohne Logbuch keine Anmeldung
Die ärztliche Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin muss von den Absolventen/-innen im Logbuch dokumentiert werden. Alle Ausbildungsabschnitte und Gespräche werden schriftlich im Ausbildungslogbuch festgehalten und anschließend von Seiten der befugten Weiterbildungsstätte gegengezeichnet. Zur Anerkennung der Zusatzweiterbildung ist das Logbuch bei der zuständigen Ärztekammer vorzulegen. Dort sind in der Regel auch Muster-Logbücher erhältlich. Meist ist dieses mittlerweile als digitale Variante eines eLogbuchs vorhanden und erleichtert dadurch beispielsweise das Handling als auch die Überprüfbarkeit bei Kammerwechsel.
Karrieremöglichkeiten mit Zusatzbezeichnung Manuelle Medizin
Die Manuelle Medizin bietet natürliche und nicht-invasive Möglichkeiten, Funktionsstörungen des Körpers zu erkennen und zu behandeln. Damit liegt diese Art der ärztlichen Behandlung seit Jahren im Trend und wird auch bei Patienten/-innen und Krankenkassen immer beliebter.
Die Perspektiven sind für Ärzte/-innen mit der Zusatzbezeichnung Manuelle Therapie daher erstklassig. Vor allem im ambulanten Bereich und bei geplanter Praxisniederlassung kann die Manuelle Medizin sehr hilfreich sein. Desweiteren begünstigen Fort- und Weiterbildungen den beruflichen Aufstieg zu höheren Positionen:
Fachärzte/-innen in eigener Praxis können ihren Patientenstamm durch zusätzliche Leistungen erweitern. Dies sollte sich auch positiv auf den Praxisreinertrag auswirken.
Gehaltsperspektiven mit Zusatzbezeichnung Manuelle Medizin
Die Manuelle Medizin bietet vor allem im Bereich der Praxisniederlassung und im ambulanten Sektor positive Effekte auf die Höhe des Monatseinkommens. Viele Patienten/-innen leiden unter Störungen des Bewegungsapparates, wollen aber Operationen so lange wie möglich vermeiden. Daher wird die Nicht-invasive Therapieform im Rahmen der Manuellen Medizin in der Regel sehr gut angenommen und geschätzt. Der große Andrang bringt auch steigende Gehälter mit sich.
Beispielsweise erwirtschaftet eine Allgemeinmedizin-Praxis durchschnittlich 405.000 Euro pro Jahr. Abzüglich der Kosten verbleibt im Schnitt ein Reinertrag in Höhe von 227.000 Euro pro Praxis. Viele Allgemeinmediziner/innen haben die Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin absolviert, und bieten diese Leistungen in ihren Praxen an.
Angestellte Ärzte/-innen erhalten ihr Facharzt-Gehalt in der Regel entsprechend ihrer Einstufung der gültigen Tarifverträge für Ärzte/-innen.
Häufige Fragen zu Manuelle Medizin
- Was ist Manuelle Medizin?
- Wie erhält man die Zusatzbezeichnung Manuelle Medizin?
- Wie lange dauert die Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin?
Manuelle Medizin ist eine nicht-invasive Behandlungsmethode, die mit gezielten Untersuchungen durch die Hände des/-r Behandlers/-in Blockaden und Dysbalancen aufspürt. Während der Behandlung wird versucht diese Dysbalancen schmerzfrei aufzulösen.
Es besteht zum Einen die Option, die 320-stündige Weiterbildung Manuelle Medizin zu absolvieren. Wer mindestens ein Jahr von einem/-r befugten Weiterbilder/in in Manueller Medizin ausgebildet wurde, kann sich alternativ auch diese Zeit anrechnen lassen.
Grund- und Aufbaukurs Manuelle Medizin dauern gemeinsam 320 Stunden, die sich meist über etwa 12 Monate verteilen.