
Die Regulation und Kontrolle der Blutgerinnung steht im Mittelpunkt der Zusatzweiterbildung Hämostaseologie. Fachärzte/-innen mit dieser Weiterbildung können die Zusatzbezeichnung Hämostaseologe/-in tragen. Das Ziel der Hämostase, also der Blutstillung, besteht darin, bei Verletzungen des Gefäßsystems eine zu starke Blutung zu verhindern oder eine zu schwache Blutung zu verstärken. Die Hämostaseologie untersucht die physiologischen Mechanismen der Blutgerinnung und beschäftigt sich mit Störungen der Gerinnung, wie z.B. angeborener oder erworbener Blutgerinnungsstörungen.
Inhaltsverzeichnis
Dabei werden sowohl die Diagnostik als auch die Therapie von Gerinnungsstörungen und Blutungsrisiken untersucht und behandelt. Blutgerinnungsstörungen können zu schwerwiegenden Erkrankungen und Komplikationen führen, wie z.B. Thrombosen, Embolien, Schlaganfällen oder Blutungen. Entsprechend wichtig sind Spezialisten/-innen. Interesse geweckt? Hier gibt es alles zu Voraussetzungen, Dauer und Inhalt der Zusatzweiterbildung Hämostaseologie und einen Ausblick auf Karriere- und Gehaltsmöglichkeiten.
Hämostaseologie im Überblick
Definition: Die Hämostaseologie untersucht die physiologischen Mechanismen der Blutgerinnung und beschäftigt sich mit Störungen der Gerinnung, wie z.B. der angeborenen oder erworbenen Blutgerinnungsstörungen. Dazu zählen z.B. Thrombosen, Embolien, Schlaganfälle oder Hämophilie.
Dauer: 12 Monate
Anzahl der Fachärzte/-innen: Von den aktuell 525 berufstätigen Ärzten/-innen mit der Zusatzbezeichnung „Hämostaseologie“ arbeiten 197 ambulant in einer Praxis und 284 stationär in einer Klinik (Ärztestatistik 2021).
Das Fachgebiet Hämostaseologie
Die Hämostaseologie hat in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht, sowohl in Bezug auf die Diagnostik als auch die Therapie von Blutgerinnungsstörungen. Durch die Entwicklung neuer Technologien und Therapien können heute viele Patienten/-innen mit Blutgerinnungsstörungen effektiv behandelt werden.
Die Hämostase ist ein komplexer physiologischer Prozess, der aus einer Reihe von Reaktionen besteht, die von Proteinen und Zellen im Blut durchgeführt werden. Es gibt verschiedene Wege, die zur Blutgerinnung führen können, einschließlich des intrinsischen, extrinsischen und des gemeinsamen Gerinnungsweges. Schätzungen zufolge leiden weltweit etwa ein Prozent der Bevölkerung an einer erblichen Blutgerinnungsstörung wie der Hämophilie oder der von-Willebrand-Krankheit. Eine weitere häufige Blutgerinnungsstörung ist die Thrombose, die durch die Bildung von Blutgerinnseln in den Blutgefäßen entsteht. Thrombosen können lebensbedrohlich sein und treten bei Menschen jeden Alters und Geschlechts auf.
Die Therapie von Blutgerinnungsstörungen umfasst eine Vielzahl von Ansätzen, je nach Art und Schweregrad der Störung. Dazu gehören Medikamente wie Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmer sowie spezifische Therapien wie die Substitution von fehlenden Gerinnungsfaktoren bei Hämophilie. Die Hämostaseologie ist auch ein wichtiger Arbeitsbereich der Transfusionsmediziner/innen, da Blutprodukte wie frisches gefrorenes Plasma und Gerinnungsfaktoren zur Behandlung von Blutgerinnungsstörungen und Blutungen eingesetzt werden.
Voraussetzungen für die Zusatzweiterbildung Hämostaseologie
Die genauen Voraussetzungen für die Zusatzweiterbildung Hämostaseologie können je nach Bundesland unterschiedlich sein. Da die Länderkammern nicht an die Muster-Weiterbildungsordnung gebunden sind, dient diese vor allem zu Orientierung. Es empfiehlt sich daher, die genauen Anforderungen bei der zuständigen Ärztekammer nachzulesen.
Die Zusatzbezeichnung Hämostaseologie erfolgt aufbauend auf eine Facharztausbildung im Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung oder in Laboratoriumsmedizin. Entsprechend ist eine folgende Weiterbildung vorausgesetzt:
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Allgemeinmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Anästhesiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Arbeitsmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Augenheilkunde
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Chirurgie und die Spezialgebiete:
- Weiterbildung Facharzt/Fachärztin Gefäßchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/Fachärztin Herzchirurgie
- Weiterbildung Facharzt /Fachärztin Kinder- und Jugendchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/Fachärztin Orthopädie und Unfallchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/Fachärztin Plastische, Rekonstruktive, Ästhetische Chirurgie
- Weiterbildung Facharzt /Fachärztin Thoraxchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/Fachärztin Viszeralchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Humangenetik
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Innere Medizin und die Spezialgebiete:
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Angiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Gastroenterologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Infektiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Innere Medizin und Kardiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Nephrologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Pneumologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Rheumatologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Laboratoriumsmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Neurochirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Neurologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Nuklearmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Öffentliches Gesundheitswesen
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Phoniatrie und Pädaudiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Radiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Strahlentherapie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Transfusionsmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Urologie
Je nach Land und Region kann anschließend eine bestimmte Anzahl von Jahren klinischer Berufserfahrung erforderlich sein, bevor man die Zusatzweiterbildung beginnen darf.
Dauer der Zusatzweiterbildung Hämostaseologie
Die Zusatzbezeichnung Hämostaseologe kann nur von Ärzten/-innen erworben werden, die nach ihrem sechsjährigen Medizinstudium eine abgeschlossene Facharztausbildung (5 bis 6 Jahre) absolviert haben. Daran anschließend dauert die Zusatzweiterbildung Hämostaseologie weitere 12 Monate.
Inhalte der Zusatzweiterbildung Hämostaseologie
Hier gibt es eine Übersicht über die Inhalte der Zusatzweiterbildung Hämostaseologie gemäß Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer.
Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Hämostaseologie
- wesentliche Gesetze und Richtlinien, insbesondere Transfusionsgesetz und Gendiagnostikgesetz, Richtlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen
- hämostaseologische Labormethoden
- Pharmakologie hämostaseologisch wirksamer Medikamente
- interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Indikationsstellung und Verlaufsbeurteilung hämostaseologisch wirksamer Therapien
Hämorrhagische Diathesen
- angeborene und erworbene plasmatische Gerinnungsstörungen, insbesondere
- Hämophilie A und B
- von-Willebrand-Syndrom
- thrombozytäre Erkrankungen
- seltene Störungen der Hämostase
- klinische Differentialdiagnostik einschließlich Befundinterpretation von Labordiagnostik bei unklarer Blutungsneigung
- prophylaktische und therapeutische Substitutionsbehandlung einschließlich der Verlaufsbeurteilung
- Diagnostik und konservative Therapie der Hämophilie-Arthropathie
- fachgebundene genetische Beratungen vor und nach prädiktiver Gendiagnostik hämorrhagischer Diathesen
Thrombose und Thrombophilie
- arterielle und venöse Thrombosen und Embolien
- angeborene und erworbene Thrombophilie
- Heparin-induzierte Thrombozytopenie
- klinische Differentialdiagnostik einschließlich der Befundinterpretation von Labordiagnostik bei unklarer Thromboseneigung
- Indikationsstellung zu antithrombotischen und thrombolytischen Medikamenten sowie Überwachung der Therapie
- fachgebundene genetische Beratungen vor und nach prädiktiver Gendiagnostik bei Thrombophilie
Thrombohämorrhagische Erkrankungen
- thrombotische Mikroangiopathien
- disseminierte intravasale Gerinnung
Therapie mit Blutprodukten
- plasmatische und rekombinante Blutgerinnungsfaktoren-Konzentrate einschließlich Bypass-Produkte
- gefrorenes Frischplasma
- Thrombozytenkonzentrate
- Indikationsstellung und klinische Beurteilung der Wirksamkeit der Therapie mit Blutprodukten einschließlich der Überwachung
- Verlaufsbeurteilung der langfristigen Heimselbsttherapie bei Hämophilie A und B
- Erstellung von Substitutionsplänen zum periprozeduralen Management bei Patienten mit Hämophilie und von-Willebrand-Syndrom
Hämostaseologische Notfälle und periprozedurales Management
- priprozeduraler Einsatz von Antikoagulanzien und antithrombozytären Substanzen
- Intoxikation oder Überdosierung von antithrombotischen Substanzen
- Therapieoptionen bei massiven oder rezidivierenden perioperativen Blutungen
- Einsatz von Antidoten
- konsiliarärztliche Beratung und Mitbetreuung des periprozeduralen Managements bei Patienten unter Therapie mit antithrombozytären Substanzen und/oder bei massiven Blutungen
Fachgebundene genetische Beratung
- Grundlagen hereditärer und multifaktorieller Krankheitsbilder und Entwicklungsstörungen
- Interpretation und Aussagekraft genetischer Untersuchungsergebnisse (Sensitivität, Spezifität, prädiktiver Wert)
- methodische, psychosoziale und ethische Aspekte der genetischen Beratung und Diagnostik einschließlich pharmakogenetischer Tests
- Erkennung fachbezogener genetisch bedingter Krankheitsbilder oder Entwicklungsstörungen
- fachgebundene genetische Beratung bei diagnostischer und prädiktiver genetischer Untersuchung
Prüfung / Abschluss Hämostaseologie
Die Facharztprüfung für Hämostaseologie ist eine mindestens 30-minütige mündliche Prüfung, die je nach Prüfer/in auch praktische Teile enthalten kann. Sie wird vor einem Prüfungskomitee abgelegt, das aus dem/-r Prüfungsvorsitzenden und meist zwei Beisitzenden besteht. Die mündliche Prüfung ist in Form eines Fachgesprächs gestaltet, das überwiegend zwischen dem Prüfling und dem/-r Prüfungsvorsitzenden stattfindet.
Das Logbuch zur Zusatzweiterbildung Hämostaseologie
Das Ausbildungslogbuch ist ein verpflichtender Bestandteil im Rahmen der Zusatzweiterbildung. Nachdem alle Inhalte der Weiterbildung Hämostaseologie erfolgreich durchlaufen wurden, muss es komplett ausgefüllt und unterschrieben an die zuständige Ärztekammer geschickt werden. Das Logbuch enthält den Weiterbildungsgang Hämostaseologie sowie die Dokumentation der erarbeiteten Inhalte und Kenntnisse. Mittlerweile hat sich die digitale Version als eLogbuch durchgesetzt. Registrierung und Anmeldung für das eLogbuch erfolgt über die Online-Portale der Landesärztekammern.
Karrieremöglichkeiten als Hämostaseologe/-in
Hämostaseologen/-innen haben verschiedene Karrieremöglichkeiten je nachdem, welche fachlichen Schwerpunkte sie zuvor in der Zusatzweiterbildung Hämostaseologie ausgewählt und welche Erfahrungen sie bereits gesammelt haben.
- Arbeit in einer Hämostaseologie-Abteilung: Hämostaseologen/-innen können in spezialisierten Hämostaseologie-Abteilungen von Krankenhäusern oder Forschungseinrichtungen arbeiten. Dort sind sie für die Diagnostik und Behandlung von Patienten/-innen mit Blutgerinnungsstörungen zuständig.
- Forschung: Hämostaseologen/-innen können in der Forschung tätig sein und an der Entwicklung neuer Diagnostik- und Therapiemethoden arbeiten. Auch die Erforschung der Pathophysiologie von Blutgerinnungsstörungen und die Entwicklung neuer Wirkstoffe zur Behandlung von Blutgerinnungsstörungen können Themen der Forschung sein.
- Pharma-Industrie: In der Pharma-Industrie können Hämostaseologen/-innen in der klinischen Entwicklung von neuen Medikamenten zur Behandlung von Blutgerinnungsstörungen tätig sein oder als medizinische/r Berater/in für pharmazeutische Unternehmen arbeiten.
- Lehre: Hämostaseologen/-innen können als Dozenten/-innen an Universitäten oder medizinischen Fakultäten zukünftige Ärzte/-innen und Wissenschaftler/innen ausbilden.
- Selbstständigkeit: Einige Hämostaseologen/-innen entscheiden sich dafür, eine eigene Praxis oder ein eigenes Labor zu eröffnen, um ihre Expertise in der Hämostaseologie direkt den Patienten/-innen anzubieten.
Gehaltsperspektiven als Hämostaseologe/-in
Das durchschnittliche Brutto-Jahresgehalt von Hämostaseologen/-innen liegt, orientiert am Facharzt-Gehalt, zwischen 72.493 und 110.984 Euro. Dies entspricht einem durchschnittlichen Brutto-Monatsgehalt zwischen 6.041 und 9.249 Euro. Dabei hängt das letztendliche Gehalt u.a. von Bundesland, Arbeitgeber, Arbeitsvertrag, Berufserfahrung und einigen anderen Faktoren ab. In erster Linie entscheidend ist bei Bezahlung nach TV Ärzte der Karrierelevel. Weiterbildungen verbessern aber die Chancen auf Leitungspositionen, die in der Regel auch mit einer besseren Bezahlung einher gehen:
Passende Ärztestellen finden
praktischArzt ist die große Jobbörse für Ärzte und Ärztinnen in Deutschland. In der Stellensuche finden sich täglich zahlreiche Assistenzarzt-Stellen sowie Jobs für Fachärzte/-innen, Oberarzt-Stellenangebote und Stellen für Chefärzte/-innen.
Häufige Fragen zu Hämostaseologie
- Was ist Hämostaseologie?
- Wie erhält man die Zusatzbezeichnung Hämostaseologe/-in?
- Wie lange dauert die Zusatzweiterbildung Hämostaseologie?
Die Hämostaseologie untersucht die physiologischen Mechanismen der Blutgerinnung und beschäftigt sich mit Störungen der Gerinnung, wie z.B. der angeborenen oder erworbenen Blutgerinnungsstörungen. Dabei werden sowohl die Diagnostik als auch die Therapie von Gerinnungsstörungen und Blutungsrisiken untersucht und behandelt.
Die Zusatzbezeichnung Hämostaseologe kann von Ärzten/-innen erworben werden, die eine abgeschlossene Facharztausbildung in einem Gebiet der unmittelbaren Patienteversorgung oder in Laboratoriumsmedizin haben.
Die Dauer der Zusatzweiterbildung Hämostaseologie beträgt in Deutschland i.d.R. ein Jahr und umfasst sowohl theoretische als auch praktische Ausbildungseinheiten.