Die Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie bietet eine Ergänzung zur Facharztausbildung und ein interessantes Zusatzgebiet. Diese Spezialausbildung stellt Mediziner/innen häufig vor Herausforderungen lebensbedrohlicher Patientensituationen, auf die sie im Rahmen der Weiterbildung kompetent vorbereitet werden. Dadurch erhalten sie eine Zusatzbezeichnung, die ihnen weitere berufliche Türen öffnet sowie Karrierechancen ermöglicht.
Spezielle Unfallchirurgie im Überblick
Anzahl Fachärzte/-innen: In Deutschland gibt es 3.055 Fachärzte/-innen mit der Zusatzausbildung Spezielle Unfallchirurgie, von denen 146 Ärzte/-innen beruflich nicht tätig sind. 645 sind ambulant und 2.142 stationär tätig. Eine Minderheit arbeitet in behördlichen/öffentlichen und anderen Einrichtungen.
Inhaltsverzeichnis
Dauer: Die Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie benötigt einen Zeitraum von 24 Monaten (2 Jahre).
Das Fachgebiet Spezielle Unfallchirurgie
Die Schwerpunkt-Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie beschäftigt sich per Definition vor allem mit dem Vorbeugen, Erkennen und Nachsorgen von Unfallverletzungen sowie -folgen jeglicher Art, wobei der Fokus der speziellen Unfallchirurgie insbesondere auf der Versorgung und Behandlung Schwerverletzter liegt. Diese bezieht sich nicht ausschließlich auf den orthopädischen Bereich, sondern erstreckt sich auch über fachübergreifende Kompetenzen, wenn es die Situation erfordert.
Aber auch schwere Miss- und Fehlbildungen sowie Form-Abnormalitäten und schwerwiegende Funktionsstörungen des Stütz- und Bewegungsapparates können in den Fachbereich der speziellen Unfallchirurgie fallen.
Neben diagnostischen Leistungen umfasst die Spezielle Unfallchirurgie ebenso die konservative wie die operative Behandlung von Unfallopfern und solchen Patienten/-innen, die nicht an alltäglichen oder üblich vorkommenden orthopädischen Erkrankungen leiden.
Voraussetzungen für die Zusatz-Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie
Um für die Zusatz-Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie zugelassen zu werden, ist ein abgeschlossenes Medizinstudium sowie die erfolgreich absolvierte unfallchirurgische Facharztausbildung unerlässlich. Dafür muss eine gültige Approbation vorliegen. Zur Durchführung der Weiterbildung sind demnach Fachärzte/-innen nach folgender Weiterbildung zugelassen:
Des Weiteren sollten Fachärzte/-innen mit der Absicht einer Weiterbildung für die Spezielle Unfallchirurgie auch persönliche Eigenschaften mitbringen, um in diesem Beruf langfristig und uneingeschränkt im Dienste der Patientengesundheit agieren zu können. Dazu zählen vor allem folgende:
- hohe physische und psychische Belastbarkeit
- ausgeprägte Konzentrationsstärke
- schnelles Reaktionsvermögen im Handeln und Denken
- gegebenenfalls Bereitschaft zu Überstunden und Bereitschaftsdiensten
Dauer der Zusatzweiterbildung Spezielle Unfallchirurgie
Die Dauer dieser Weiterbildung beträgt 24 Monate, was zwei Jahre Weiterbildungszeit in Vollzeit entspricht. Wird die Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie berufsbegleitend beziehungsweise in Teilzeit absolviert, verlängert sich die Ausbildungsdauer entsprechend.
Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie
Die Inhalte unterteilen sich in zwei Kategorien: theoretische und praktische. Die folgende Übersicht entspricht den vorgeschlagenen Inhalten der Bundesärztekammer laut Musterweiterbildungsordnung (MWBO); in Klammern die empfohlenen Richtzahlen. Wir empfehlen eine zusätzliche individuelle Anfrage über die zuständige Ärztekammer, da die Landesärztekammern als weiterbildungsverantwortliche Instanzen nicht zwingend an die MWBO gebunden sind.
Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie
Kognitive und Methodenkompetenz (Kenntnisse)
- Versorgungsstrategien im Katastrophenfall
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Gutachtenerstellung im Rahmen des Sozialgesetzbuch VII (25)
Akut- und notfallmedizinische Versorgung
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Diagnostik und Therapie (30)
- von schweren Verletzungen und deren Folgezuständen
- von schwer- und mehrfachverletzten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
bei Polytrauma (ISS ab 16)
- Organisation, Überwachung der Behandlung sowie Führung des interdisziplinären Traumamanagements von schwerverletzten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
- Indikationsstellung, Planung, Vorbereitung und Mitwirkung bei neurotraumatologischen, gefäß-, thorax- und viszeralchirurgischen Maßnahmen einschließlich mikrochirurgischer Techniken
- Konservative, peri- und postoperative Versorgung einschließlich intensivmedizinischer Überwachung
Spezielle operative Versorgung
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Operative Eingriffe bei schweren Verletzungen und Verletzungsfolgen (15) davon Notfalleingriffe in Körperhöhlen einschließlich
Thorakotomie, Laparotomie, Trepanation - Erste Assistenz bei operativen Eingriffen höherer Schwierigkeitsgrade in Körperhöhlen (30) inklusive Laparotomie mit Organbeteiligung (15)
- Erkennung und Behandlung von Komplikationen im muskuloskelettalen Bereich einschließlich der Polytraumaversorgung
Spezielle Eingriffe an der Wirbelsäule
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Operative Eingriffe bei Frakturen, Luxationen mit und ohne neurologischem Defizit, z. B. dorsale und ventrale Dekompression, Korrektur, Stabilisierung (20) davon primäre Versorgung einer instabilen Fraktur (10)
Spezielle Eingriffe an Becken und Hüfte
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Operative Eingriffe bei Beckenringfrakturen (20) davon hintere Beckenringfraktur (5)
- Erste Assistenz bei operativen Eingriffen höherer Schwierigkeitsgrade bei Acetabulumfrakturen (10)
- Operative Eingriffe bei periprothetischen Frakturen (20) endoprothetische Revisionen (5)
- Frakturversorgung am Hüftgelenk höheren Schwierigkeitsgrades (40) davon endoprothetisch (20)
- Operative Therapie von Arthrosen an der Hüfte, insbesondere posttraumatisch (10)
Spezielle Eingriffe an den oberen Extremitäten
Kognitive und Methodenkompetenzen (Kenntnisse)
- Multistrukturelle Verletzungen und Folgezustände, auch unter Anwendung mikro-chirurgischer Verfahren
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Osteosynthesen bei komplexen Frakturen an den oberen Extremitäten (60) davon
- Plattenosteosynthesen
- Marknagelungen
- endoprothetische Versorgung
- Zuggurtungsosteosynthesen
- bei Kindern und Jugendlichen
- Eingriffe zur Wiederherstellung der Sehnenkontinuität (20)
- Osteosynthesen und Weichteilmanagement bei komplexen Handverletzungen (10)
Spezielle Eingriffe an den unteren Extremitäten
Kognitive und Methodenkompetenzen (Kenntnisse)
- Multistrukturelle Verletzungen und Folgezustände, auch unter Anwendung mikrochirurgischer Verfahren
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Osteosynthesen bei komplexen Frakturen an den unteren Extremitäten (80) davon
- Plattenosteosynthesen
- Marknagelungen
- endoprothetische Versorgung
- Zuggurtungsosteosynthesen
- bei Kindern und Jugendlichen
- Osteosynthesen und Weichteilmanagement bei komplexen Fußverletzungen (10)
- Operative Therapie von Arthrosen am Knie, insbesondere posttraumatisch (10)
Sporttraumatologie
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Diagnostik und Therapie von komplexen Sportverletzungen und Sportschäden
- Diagnostik und Therapie von komplexen Bandverletzungen, auch arthroskopisch, (50) davon
- an den oberen Extremitäten
- an den unteren Extremitäten
- Bandrekonstruktionen
Plastische rekonstruktive Techniken
Kognitive und Methodenkompetenzen (Kenntnisse)
- Mikro-chirurgische Techniken zur Rekonstruktion von Nerven und Gefäßen
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Plastisch-rekonstruktive Eingriffe zur primären oder sekundären Versorgung komplexer Weichteilverletzungen und deren Folgen (25) davon
- gestielte Lappenplastiken
- lokale Lappenplastiken
- Amputationen
- Primäre und sekundäre operative Versorgung von Gefäß-, Nerven- und Sehnenverletzungen, auch bei Kindern und Jugendlichen (20)
Tumore und pathologische Frakturen
Kognitive und Methodenkompetenzen (Kenntnisse)
- Differentialdiagnose und Therapieoptionen von Tumoren und pathologischen Frakturen
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Operative und konservative Therapie von Tumoren und pathologischen Frakturen, auch bei Kindern und Jugendlichen (15)
Infektionen
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Eingriffe bei Infektionen an Weichteilen, Knochen und Gelenken einschließlich systemischer Behandlung (25)
Chemische und thermische Schäden
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Behandlung von komplexen thermischen und chemischen Schädigungen (10)
Alterstraumatologie
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Diagnostik, Therapie und interdisziplinäres Management der Alterstraumatologie (50)
Kindertraumatologie
Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)
- Diagnostik, Therapie und interdisziplinäres Management der Kindertraumatologie
- Behandlung von Infekten einschließlich der Wundbehandlung und gegebenenfalls Amputation
- Konservative Behandlung von Frakturen (40) davon
- an den oberen Extremitäten (20)
- an den unteren Extremitäten
Abschluss der Weiterbildung
Die Prüfung am Ende der Zusatz-Weiterbildung dient dem Nachweis, dass die vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte in den festgelegten Ausbildungszeiten vermittelt wurden und die Weiterbildungsteilnehmer/innen die fachliche Kompetenz erlangt haben. Die Prüfungsdauer beträgt mindestens 30 Minuten. Meist findet ein Fachgespräch vor einem Prüfungsausschuss statt.
Gilt die Prüfung als bestanden, wird dies mittels Anerkennungsurkunde bestätigt. Diese wird durch die zuständige Landesärztekammer ausgestellt. Die Zertifizierung erlaubt die Nutzung der Zusatzbezeichnung.
Das Logbuch – Bestandteil zur Prüfungszulassung
Das Logbuch ist ein fester, verpflichtender Bestandteil der Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie. Darunter ist eine Art Ausbildungsberichtsheft zu verstehen, in dem die einzelnen Lehrinhalte inklusive Leistungsstunden kontinuierlich einzutragen sind. Das Logbuch ist zudem Bestandteil der Prüfungszulassung, die nur bei vollständig ausgefülltem und unterschriebenem Logbuch erteilt wird. Dementsprechend ist die vorgeschriebene Dokumentation der zuständigen Ärztekammer mit dem Prüfungsantrag einzureichen.
eLogbuch als digitale Version
Je nach Landesärztekammer kann sich die Logbuch-Führung unterscheiden. Manche sind digital als eLogbuch auszufüllen, andere sind auszudrucken und weiterhin in Papierform zu führen. Falls du wissen willst, ob deine Ärztekammer das eLogbuch bereits eingeführt haben, kannst du dich auf der Website der zuständigen Landesärztekammer informieren.
Karrieremöglichkeiten mit Zusatz-Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie
Hauptsächlich wird die Facharztkompetenz von Orthopäden/-innen und Unfallchirurgen/-innen mit Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie in Krankenhäusern mit Notfallambulanz und/oder chirurgischen Stationen benötigt. Hier sind Aufstiegsmöglichkeiten über den/die Stationsarzt/-ärztin und Oberarzt/-ärztin bis hin zum/-r Chefarzt/-ärztin möglich. Insbesondere in Traumata und Unfallkliniken sind Ärzte/-innen mit Zusatzbezeichnung Spezielle Unfallchirurgie gefragt. Als niedergelassene Orthopäden/-innen und Unfallchirurgen/-innen können sie zusätzlich über Belegbetten in Kliniken verfügen. Zudem sind beratende sowie lehrende Tätigkeiten z.B. an Universitäten möglich.
Gehaltsperspektiven mit Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie
Wie nahezu bei jeder weiteren Fachkenntnis zum/-r Facharzt/-ärztin ist auch nach der Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie mit mehr Verdienst zu rechnen. Dies gilt aber erstmal nur dann, wenn man in der eigenen Praxis mehr Leistungen abrechnen kann oder als angestellte/r Arzt/Ärztin bei einem privaten Träger das Gehalt gut verhandelt.
Ansonsten werden Fachärzte/innen nach festen Tarifverträgen bezahlt und eine Zusatz-Weiterbildung hat erstmal keinen Einfluss. Ein/e Facharzt/-ärztin verdient in der Regel zwischen 70.000 und 92.000 Euro. Ein/e Oberarzt/-ärztin verdient durchschnittlich zwischen 88.000 und 106.000 Euro. Da Weiterbildungen die Chancen auf einen solchen Posten verbessern, kann man also mit der Zeit auch ein höheres Arzt-Gehalt erwarten.
Häufige Fragen zu Spezielle Unfallchirurgie
- Was ist Spezielle Unfallchirurgie?
- Wie erhält man die Zusatzbezeichnung Spezielle Unfallchirurgie?
- Wie lange dauert die Zusatzweiterbildung Spezielle Unfallchirurgie?
Die Spezielle Unfallchirurgie baut auf der “normalen” Unfallchirurgie auf und umfasst Tätigkeiten, die sich hauptsächlich auf die Versorgung sowie konservative oder operative Behandlung von Unfallverletzten, insbesondere Schwerverletzten bezieht. Auch für untypische, komplexe und komplizierte Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates kann die spezielle Unfallchirurgie herangezogen werden.
Lediglich Fachärzte/-innen für Orthopädie und Unfallchirurgie können die Zusatz-Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie belegen.
In zahlreichen Fällen erfolgt die Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie anstelle der üblichen Berufsausübung als Arzt/Ärztin in Vollzeit über einen Zeitraum von 24 Monaten absolviert. Wer die Weiterbildung berufsbegleitend über Kurse in Teilzeit erledigt, benötigt entsprechend länger für die Prüfungszulassung.