
Die Zusatz-Weiterbildung Sexualmedizin ist eine Möglichkeit für Fachärzte und Fachärztinnen, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten im Bereich Sexualstörungen und Sexualtherapie zu erweitern. Besonders interessant ist die Weiterbildung für Ärzte/-innen in Bereichen, die sich mit dem der Sexualmedizin überschneiden, etwa Gynäkologie, Urologie oder auch Psychiatrie, aber auch andere Fachbereiche können durch Kenntnisse der Sexualmedizin profitieren.
Inhaltsverzeichnis
In diesem Text geben wir einen Überblick zur Zusatzweiterbildung Sexualmedizin mit den Voraussetzungen, der Dauer und den Inhalten, inklusive möglichen Karrierechancen und Verdienstmöglichkeiten.
Zusatzweiterbildung Sexualmedizin im Überblick
- Anzahl Fachärztinnen und -ärzte: In Deutschland gibt es nur 38 Ärzte/-innen mit der Zusatzbezeichnung Sexualmedizin. Davon sind mehr als die Hälfte (22) ambulant tätig, 8 arbeiten im stationären Bereich.
- Voraussetzung: Die Zusatzbezeichnung kann nach Abschluss einer Facharztausbildung erworben werden und umfasst eine Kombination von Kursen in psychosomatischer Grundversorgung, Sexualmedizin und Fallseminaren.
- Dauer: Die Weiterbildungszeit Sexualmedizin dauert mindestens 320 Stunden, die in verschiedenen Kursen absolviert werden.
Das Fachgebiet Sexualmedizin
Die Zusatz-Weiterbildung Sexualmedizin umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Erkennung, Behandlung, Prävention und Rehabilitation von Störungen oder Erkrankungen, welche die sexuellen Funktionen, das sexuelle und/oder partnerschaftliche Erleben und Verhalten sowie die geschlechtliche Identität betreffen, auch wenn diese infolge anderer Krankheiten und/oder deren Behandlung auftreten und/oder mit sexuellen Traumatisierungen verbunden sind.
Dabei geht es nicht nur um körperliche Erkrankungen, sondern auch um psychische und soziale Faktoren, die das sexuelle Erleben und Verhalten beeinflussen können. Ein/e Sexualmediziner/in kann zum Beispiel Patienten/-innen mit Erektionsstörungen, vorzeitiger Ejakulation, sexuellem Schmerzempfinden oder Libidoverlust behandeln. Auch die Beratung und Betreuung von Paaren mit Sexualproblemen gehört zum Aufgabenbereich der Sexualmedizin. Neben der medizinischen Behandlung spielen auch psychotherapeutische und psychosoziale Aspekte eine wichtige Rolle.
Voraussetzungen für eine Zusatzweiterbildung in der Sexualmedizin
Nach Abschluss des Medizinstudiums kann eine Facharztausbildung begonnen werden. Wird diese in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung durchgeführt, so kann die Zusatzbezeichnung Sexualmedizin erworben werden. Mit folgenden Weiterbildungen kann man einen Facharzttitel in der unmittelbaren Patientenversorgung erwerben:
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Anästhesiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Arbeitsmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Augenheilkunde
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Chirurgie und die Spezialgebiete:
- Weiterbildung Facharzt/Fachärztin Gefäßchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/Fachärztin Herzchirurgie
- Weiterbildung Facharzt /Fachärztin Kinder- und Jugendchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/Fachärztin Orthopädie und Unfallchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/Fachärztin Plastische, Rekonstruktive, Ästhetische Chirurgie
- Weiterbildung Facharzt /Fachärztin Thoraxchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/Fachärztin Viszeralchirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Humangenetik
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Innere Medizin und die Spezialgebiete:
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Angiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Gastroenterologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Infektiologie
- Weiterbildung Facharzt/Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Nephrologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Pneumologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Rheumatologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Neurochirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Neurologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Nuklearmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Öffentliches Gesundheitswesen
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Phoniatrie und Pädaudiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Radiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Strahlentherapie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Transfusionsmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Urologie
Dauer der Zusatzweiterbildung Sexualmedizin
Die Zusatzweiterbildung Sexualmedizin dauert etwa 320 Stunden. Dafür müssen laut Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer folgende Mindestanforderungen erfüllt werden:
- 80 Stunden Kurs-Weiterbildung in Psychosomatische Grundversorgung oder Zusatz-Weiterbildung Psychotherapie oder Psychoanalyse
- 120 Stunden Kurs-Fortbildung gemäß § 4 Abs. 8 in Sexualmedizin
- 120 Stunden Fallseminare unter Supervision
Die Fallseminare können durch 6 Monate Weiterbildung im Bereich Sexualmedizin (unter Befugnis an einer Weiterbildungseinrichtung) ersetzt werden. Da die Verantwortung für die Weiterbildungen bei den Landesärztekammern liegt, sind diese Angaben lediglich eine Orientierung. Wer sicher gehen möchte, sollte sich an die zuständige Landesärztekammer wenden. Dies gilt auch für die genauen Inhalte und Mindestanforderungen sowie die genauen Informationen zu Prüfungsmodalitäten.
Inhalte der Zusatzweiterbildung Sexualmedizin
Folgende Inhalte sind in der Weiterbildung zum/-r Facharzt/-ärztin mit der Zusatzbezeichnung Sexualmedizin zu durchlaufen (bei den Zahlen in Klammern handelt es sich um Richtzahlen laut Muster-Weiterbildungsordnung).
Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Sexualmedizin
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Somatische, psychische und soziale Grundlagen der menschlichen Sexualität
- Psychosexuelle und somatosexuelle Entwicklung und deren Verlauf über die Lebensspanne, die Entwicklung der Geschlechtsidentität und der sexuellen Orientierung
- Bedingungsgefüge, Formen, Verläufe, Manifestationen von sexuellem Missbrauch und seine gesundheitlichen Früh- und Spätfolgen
- Relevante rechtliche Grundlagen, z. B. Sexualstrafrecht, Personenstandsrecht, Transsexuellengesetz
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Offene und wertfreie sexualmedizinische Gesprächsführung
Diagnostik, Klassifikation, Ätiologie
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Differentialdiagnostik und Klassifikation, ätiologische Modelle, Verlauf und Dynamik von Störungen, insbesondere
- der sexuellen Funktionen
- der sexuellen Entwicklung
- der sexuellen Präferenz
- des sexuellen Verhaltens
- der sexuellen Reproduktion
- im Zusammenhang mit Geschlechtsinkongruenz
- der Sexualität im Gefolge von anderen körperlichen und seelischen Erkrankungen und/oder deren Behandlung
- der Sexualität als Früh- und Spätfolgen nach Traumatisierung
- Psychodynamische und paardynamische Prozesse von Sexualität und Geschlechtlichkeit einschließlich Konflikten im sexuellen Erleben und Verhalten sowie damit verbundene Kognitionen und Emotionen
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Sexualanamnese einschließlich der sexualmedizinischen Befunderstellung einer Sexualstörung, auch im Gefolge anderer Erkrankungen und Störungen bzw. deren Behandlung und/oder im Zusammenhang mit Geschlechtsinkongruenz, insbesondere dokumentierte und supervidierte Erstgespräche (10)
Sexuell übertragbare Infektionen
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Epidemiologie sowie Resistenzsituation der Erreger von sexuell übertragbaren Erkrankungen
- Ansteckungswege im Zusammenhang mit dem Sexualverhalten
- Gesellschaftliche Bedeutung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen
- Differentialdiagnostik und Therapieoptionen sowie Therapiestrategien bei sexuell übertragbaren Infektionen
Sexuell übertragbare Infektionen
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Indikationsstellung zur weiterführenden Diagnostik und Therapie bei sexuell übertragbaren Infektionen, auch unter Berücksichtigung der verschiedenen Sexualpraktiken
Sexualmedizinische Beratung und Therapie
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Wirkungsweise von Pharmaka auf das sexuelle Erleben und Verhalten
- Indikation und prognostische Einschätzung des sexualmedizinischen Behandlungsansatzes unter Einbeziehung sexualtherapeutischer, psychotherapeutischer, somatomedizinischer und medikamentöser Behandlungsansätze
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Einsatz von Pharmakotherapie für sexualmedizinische Behandlungen
- Fachspezifische sexualmedizinische Gesprächsinterventionen bei einer Sexualstörung, auch im Gefolge anderer Erkrankungen und Störungen bzw. deren Behandlung und/oder im Zusammenhang mit Geschlechtsinkongruenz (insbesondere dokumentierte und regelmäßig im Stundenverhältnis 4:1 supervidierte und abgeschlossene sexualmedizinische Behandlungsfälle (10), davon 5 unter Einbeziehung des Partners)
Prävention und Rehabilitation
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Prävention und Rehabilitation von Störungen bzw. Erkrankungen, welche die sexuellen Funktionen, das sexuelle und/oder partnerschaftliche Erleben und Verhalten sowie die geschlechtliche Identität betreffen, auch infolge anderer Krankheiten und/oder deren Behandlung und/oder sexueller Traumatisierungen
- HIV-/STI-Präventionsstrategien
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Beratung zu sexueller Gesundheit und Präventionsmaßnahmen
Selbsterfahrung
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Personale Kompetenzen und Beziehungskompetenzen
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Themenzentrierte Einzelselbsterfahrung und/oder Gruppenselbsterfahrung zur Stärkung personaler und Beziehungskompetenzen in Stunden (50)
Logbuch
Um die erlernten Inhalte und absolvierten Kurse für die Zusatzbezeichnung Sexualmedizin nachzuweisen, sind Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung verpflichtet, ein Logbuch zu führen. Dieses muss nach Abschluss der Weiterbildungszeit ausgefüllt an die zuständige Ärztekammer gesendet werden. Das Logbuch enthält den Weiterbildungsgang Sexualmedizin sowie alle dokumentierten Inhalte und Kenntnisse, die im Rahmen der Zusatzweiterbildung vermittelt wurden.
Mit der neuen Weiterbildungsordnung von 2018 setzt sich schrittweise die digitale Logbuch-Version durch. Das eLogbuch wird online geführt. Registrierung und Anmeldung für das eLogbuch sind über die Portale der Landesärztekammern möglich.
Prüfung / Abschluss
Nach erfolgreicher Absolvierung aller Weiterbildungsabschnitte und einer anschließenden Prüfung erhalten die Ärzte/-innen die Zusatzbezeichnung im Fach Sexualmedizin.
Die Prüfung wird in der Regel vor einem Prüfungsausschuss durchgeführt und dauert mindestens 30 Minuten. Der Prüfling erhält Fragen zu den Themen Sexualanamnese, Diagnostik und Therapie von sexuellen Störungen sowie zu rechtlichen Aspekten der Sexualmedizin. Neben einem mündlichen Teil gibt es bei einigen Prüfern/-innen auch eine praktische Prüfung anhand eines (fiktiven) Patienten-Szenarios.
Karrieremöglichkeiten als Sexualmediziner/in
Obwohl der Erwerb der Zusatzbezeichnung Sexualmedizin prinzipiell allen Fachärzten/-innen von Fachbereichen der direkten Patientenversorgung offensteht, so bietet er sich vor allem für Psychologen/-innen und Fachärzte/-innen für Gynäkologie und Urologie an. Wer mit der Zusatzbezeichnung Sexualmedizin in einer Klinik tätig ist, kann eventuell eine eigene Sprechstunde leiten oder anderweitig Schwerpunkte in seiner Arbeit setzen. In der Praxis im niedergelassenen Bereich hingegen bietet eine Zusatzbezeichnung oft entscheidende Anreize für Patienten/-innen, sich für den/die jeweilige/n Arzt/Ärztin zu entscheiden.
Da es in Deutschland nur eine sehr geringe Anzahl an Sexualmedizinern/-innen gibt, kann man sich mit dem Erwerb der Zusatzbezeichnung von seinen Kollegen/-innen abheben. Gerade in Bereichen wie der Reproduktionsmedizin spielen psychologische Aspekte eine große Rolle. Wer Erfahrung und Kompetenz in diesem Bereich mitbringt, kann seinen Patienten/-innen besonders umfassend helfen.
Gehaltsperspektiven als Sexualmediziner/in
Das Gehalt von Sexualmedizinern/-innen orientiert sich in der Regel an den jeweiligen Tarifverträgen für Ärzte/-innen und ändert sich nicht durch eine erworbene Zusatzbezeichnung. Das Facharzt-Gehalt schwankt je nach Erfahrung zwischen 6.196 Euro und 8.078 Euro. Durch die erworbene Zusatzweiterbildung können jedoch besonders bei außertariflich bezahlten Verträgen wie denen für Oberärzte/-innen teilweise deutlich höhere Beträge verhandelt werden. Wer in der eigenen Praxis tätig ist, kann durch geschickte Leitung je nach Fachbereich ein Vielfaches der in der Klinik üblichen Beträge erwirtschaften. Außerdem steigen mit Fortbildungen die Chancen auf leitende Positionen und somit auch auf mehr Gehalt.
Passende Jobs für Sexualmediziner/-innen finden
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