Die Zusatz-Weiterbildung Schlafmedizin bietet Fachärzten/-innen eine interessante Möglichkeit, sich als Spezialisten/-innen in diesem Gebiet zu etablieren und ihre Patienten/-innen bestmöglich zu betreuen. Rund ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend, und doch wird die Bedeutung des Schlafes sowohl von Patienten/-innen als auch von Ärzten/-innen immer wieder unterschätzt. Insbesondere für Ärzte/-innen in Fachbereichen wie Neurologie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Innere Medizin oder Psychosomatik ist diese Zusatzqualifikation interessant, da Schlafstörungen oft in Zusammenhang mit Erkrankungen dieser Spezialisierungen auftreten.
Inhaltsverzeichnis
Dieser Artikel gibt einen Überblick über Inhalte und Ablauf der Zusatzweiterbildung, die Karriereperspektiven und die Verdienstmöglichkeiten.
Schlafmedizin im Überblick
- Anzahl Fachärztinnen und -ärzte: In Deutschland gibt es 1.398 Ärzte/-innen mit der Zusatzbezeichnung Schlafmediziner/in. Diese sind etwa jeweils zur Hälfte ambulant und stationär tätig.
- Dauer: Die Schlafmedizin ist eine der wenigen Zusatzweiterbildungen ohne festgelegte Weiterbildungszeit.
Das Fachgebiet Schlafmedizin
Das Gebiet der Schlafmedizin umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Erkennung, Klassifikation und Behandlung von Schlaf-Wach-Störungen (z.B. gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus) und schlafbezogenen Störungen. Dabei wird besonders viel Wert auf die Auswirkungen von Medikamenten und anderen Erkrankungen auf die Schlafqualität und das Schlafmuster gelegt.
Auch die Gutachtenerstellung, etwa die Eignung für Schichtarbeit oder das Bedienen von Maschinen bei besonderen Schlafstörungen, gehört zu den alltäglichen Aufgaben von Schlafmedizinern/-innen.
Eine spezialisierte Weiterbildung in diesem Bereich ermöglicht es Fachärzten/-innen, ihre Kompetenzen auf diesem wichtigen Gebiet zu erweitern und sich als Experten/-innen zu positionieren, was gerade in Fachbereichen wie der Allgemeinmedizin die Attraktivität der eigenen Praxis enorm steigern kann.
Häufige Fragestellungen bzw. Krankheiten in der Schlafmedizin sind unter anderem:
- Narkolepsie
- Schlafapnoe
- Insomnie (Schlaflosigkeit)
- Analyse der Auswirkungen anderer Erkrankungen auf den Schlaf
Voraussetzungen für eine Zusatz-Weiterbildung Schlafmedizin
Nach Abschluss des Medizinstudiums kann eine Facharztausbildung begonnen werden. Wird diese erfolgreich abgeschlossen, kann der Erwerb der Zusatzbezeichnung Schlafmedizin angeschlossen werden. Eine der folgenden Weiterbildungen müssen Fachärzte/-innen haben, um die Zusatzbezeichnung als Schlafmediziner/in erwerben zu können:
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Allgemeinmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Innere Medizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Innere Medizin und Kardiologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Innere Medizin und Pneumologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendmedizin
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Neurologie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
- Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Dauer und Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Schlafmedizin
Die Dauer der Zusatzweiterbildung Schlafmedizin ist anders als die vieler anderer Zusatzbezeichnungen nicht festgelegt. Wichtig ist nur, dass alle Weiterbildungsinhalte erlernt wurden und dies von der zur Weiterbildung befugten Stelle bescheinigt wird. Folgende Inhalte sind laut Musterweiterbildungsordnung in der Weiterbildung zum/-r Facharzt/-ärztin mit der Zusatzbezeichnung Schlafmedizin zu durchlaufen (bei den Zahlen in Klammern handelt es sich um Richtzahlen). Die MWBO dient den zuständigen Landesärztekammern als Orientierung, ist aber nicht verpflichtend. Je nach Bundesland kann es daher zu Unterschieden kommen. Wir empfehlen eine gezielte Nachfrage bei der zuständigen Ärztekammer.
Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Schlafmedizin
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Physiologie und Pathophysiologie von Schlaf und Wachheit
- Schlaf-Wach-Regulation einschließlich chronobiologischer Grundlagen
- Atmungsregulation im Schlaf
- Altersspezifische Besonderheiten bei Schlafstörungen, insbesondere pädiatrische und geriatrische Aspekte
- Genderspezifische Besonderheiten bei Schlafstörungen
- Beeinflussung von Schlafen und Wachen z. B. durch Neuropeptide, Hormone, Verhalten, Reisen, Medikamente
- Pharmakologie von Substanzen mit schlafanstoßender und schlafstörender Wirkung einschließlich Hypnotika sowie deren Missbrauch
- Grundlagen der schlafmedizinischen Gutachtenerstellung
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Beurteilung der Fahreignung bei Schlafstörungen
- Beurteilung des Grades der Behinderung und Erwerbsfähigkeit bei Schlafstörungen
Insomnien
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Formen, Ursachen, Differentialdiagnose, Komorbiditäten und Prävention von Insomnien
- Inadäquate Schlafhygiene
- Grundlagen der Insomnie spezifischen Verhaltenstherapie (Cognitive behavorial therapy for insomnia, CBT-I)
- Grundlagen der verhaltensbedingten Insomnie bei Kindern
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Schlafprotokoll, Fragebögen zur Erfassung insomnischer Symptome
- Behandlung von Patienten mit Insomnie (10), insbesondere medikamentöse Stufentherapie
Schlafbezogene Atmungsstörungen
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Epidemiologie, Risikofaktoren, Symptomatik, Differentialdiagnose, Prognose, kardiovaskuläre, verkehrsmedizinische und arbeitsmedizinische Konsequenzen sowie Therapieoptionen der folgenden Erkrankungen
- obstruktives Schlafapnoesyndrom einschließlich Schnarchen
- zentrales Schlafapnoesyndrom einschließlich Cheyne-Stokes Atmung
- Obesitas-Hypoventilationssyndrom
- primäre und kongenitale schlafbezogene Hypoventilationssyndrome
- schlafbezogene Hypoventilationssyndrome bei neuromuskulären, muskuloskelettalen, pulmonalparenchymatösen, pulmonalvaskulären oder extrapulmonalen Erkrankungen
- primäre Säuglingsschlafapnoe
- obstruktive Schlafapnoe bei Kindern
- Myofunktionelle Therapieoptionen einschließlich der Indikation und Abgrenzung der Ventilationstherapie
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Screening zur Erfassung schlafbezogener Atmungsstörungen mittels Fragebögen
- Indikationsstellung und Befundinterpretation von nächtlicher Oxymetrie und Blutgasanalysen, insbesondere bei Hyperkapnie im Wachen und im Schlaf, bei schlafbezogenen Atmungsstörungen
- Indikationsstellung und Therapie mit Positivdruckverfahren, Nicht- Positivdruckverfahren, Allgemeinmaßnahmen, z. B. Unterkiefer-Protrusionsschienen
- Beratung und Betreuung von Patienten bezüglich operativer Therapie, insbesondere zu Eingriffen im HNO- und MKG-Bereich
- Nächtliche Überdrucktherapie-Titration einschließlich Evaluation des Behandlungsergebnisses, z. B. CPAP, APAP, Bilevel, adaptive Servo-Ventilation (15)
Hypersomnien
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Narkolepsie
- Verhaltensinduziertes Schlafmangelsyndrom sowie andere Hypersomnien zentralen Ursprungs
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Testverfahren zur Erfassung und Objektivierung von Vigilanzstörungen, Tagesmüdigkeit und Tagesschläfrigkeit bei Hypersomnien, z. B. mittels Selbstbeurteilung, multiplem Schlaflatenztest, multiplem Wachbleibetest, Vigilanztest (20)
- Pharmakologische und nicht-pharmakologische Differentialtherapie der Hypersomnie und Narkolepsie
- Behandlung von Patienten mit Narkolepsie mit und ohne Kataplexie einschließlich Hypersomnie (5)
Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Primäre Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen
- Lichttherapie
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Beurteilung der Eignung/Nichteignung für Schichtarbeit
- Verhaltensberatung bei Jetlag, verzögerter Schlafphase und anderen zirkadianen Störungen
- Durchführung von Aktigraphie, Schlafprotokoll, Fragebögen bei zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen
- Medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapie bei zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen
Parasomnien
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Mentale Inhalte im Schlaf, z. B. Träume
- Non-REM-Parasomnien, z. B. Somnabulismus, Pavor nocturnus, Confusional arousal, Sleep related eating
- REM-Parasomnien, z. B. Rapid-eye-movement- Schlaf Verhaltensstörungen, Albträume, Schlafparalyse
- REM-Sleep Behaviour Disorder mit besonderer Relevanz für neurologische Erkrankungen
- Non-REM-Parasomnien und REM-Parasomnien bei Kindern
- Differentialdiagnose und Therapieoptionen bei Parasomnie, auch bei Kindern
- Grundlagen der Albtraumtherapie Präventive Maßnahmen bei Somnabulismus
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Bewertung und Therapie bei Somnabulismus
- Differentialtherapie der REM-Verhaltensstörungen
Schlafbezogene Bewegungsstörungen
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Normale Motorik im Schlaf
- Rhythmische Bewegungsstörungen im Schlaf, Restless Legs Syndrom und Periodic Limb Movements in Sleep
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Schweregradabschätzung und Therapieindikation bei rhythmischen Bewegungsstörungen im Schlaf
- Dopaminerge Therapie, Therapieeskalation gemäß Schweregrad
Schlafstörungen bei anderen Erkrankungen
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Schlafstörungen bei neurologischen, pneumologischen und psychiatrischen Erkrankungen
- Schlafstörungen bei körperlichen Erkrankungen
- Schlafstörungen bei psychischen Erkrankungen und Demenz
- Bewertung und Therapie bei Somnabulismus Differentialtherapie der REM-Verhaltensstörungen
- Schweregradabschätzung und Therapieindikation bei rhythmischen Bewegungsstörungen im Schlaf
- Dopaminerge Therapie, Therapieeskalation gemäß Schweregrad
- Pharmakovigilanz und Arzneimitteltherapiesicherheit sowie Arzneimittelmissbrauch bei der Behandlung von Schlafstörungen bei anderen Erkrankungen mit Hypnotika
- CO2-Antworttest
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Therapie von Schlafstörungen bei anderen Erkrankungen mit Hypnotika einschließlich Indikationen und Kontraindikationen
- Prävention und nicht-medikamentöse Therapie von Schlafstörungen bei anderen Erkrankungen
Apparativ-diagnostische Verfahren
Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse
- Standardapplikation der Polysomnographie
- Klassifikation der Schlafstadien und Ereignisse nach Standard-Empfehlungen
- Kardiorespiratorische Polygraphie
- Pupillographischer Schläfrigkeitstest Aktimetrie
- Langzeitpulsoximetrie
Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fähigkeiten
- Durchführung und kontinuierliche Überwachung von Polysomnographien (10)
- Interpretation und Befunderstellung von Polysomnographien (100)
- Interpretation und Befunderstellung von Polygraphien (20)
Prüfung und Abschluss
Nach erfolgreicher Absolvierung aller Weiterbildungsabschnitte und einer anschließenden Prüfung erhalten Ärzte/-innen die Zusatzbezeichnung im Fach Schlafmedizin. In der Prüfung werden die erlernten Inhalte abgefragt und so die notwendige Fachkompetenz bescheinigt. Dabei wird sich an praktischen Themen wie der direkten Patientenbetreuung orientiert, wichtige Kompetenzen wie die Gutachtenerstellung und die Auswertung von schlafmedizinischen Analysen getestet und das allgemeine medizinische Wissen in den für diesen Fachbereich relevanten Bereichen abgefragt. Der genaue Ablauf ist den Landesärztekammern und den Prüfenden freigestellt, die Bundesärztekammer gibt aber eine Mindestdauer von 30 Minuten vor.
Ausgefülltes Logbuch ist verpflichtend
Um die erlernten Inhalte und absolvierten Kurse für die Zusatzbezeichnung Schlafmedizin nachzuweisen, sind Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung verpflichtet, ein Logbuch zu führen. Dieses muss nach Abschluss der Weiterbildungszeit ausgefüllt an die zuständige Ärztekammer gesendet werden. Das Logbuch enthält den Weiterbildungsgang Schlafmedizin sowie alle dokumentierten Inhalte und Kenntnisse, die im Rahmen der Zusatzweiterbildung vermittelt wurden. Es wird mittlerweile digital geführt. Registrierung und Anmeldung für das sogenannte eLogbuch ist über die Online-Portale der Landesärztekammern möglich.
Gehaltsperspektiven als Schlafmediziner/in
Das Gehalt von angestellten Schlafmedizinern/-innen orientiert sich in der Regel an den jeweiligen Tarifverträgen für Ärzte/-innen. Für Fachärzte/-innen schwankt dieses je nach Erfahrung zwischen 6.196 Euro und 8.078 Euro. Durch die erworbene Zusatzweiterbildung können jedoch einerseits höhere Positionen leichter erreicht werden und besonders bei außertariflich bezahlten Verträgen wie denen für Oberärzte/-innen nochmals deutlich höhere Gehälter verhandelt werden.
Wer in der eigenen Praxis tätig ist, kann durch geschickte Leitung je nach Fachbereich ein Vielfaches der in der Klinik üblichen Beträge erwirtschaften. Alles zum Facharzt-Gehalt und viele weitere wichtige Informationen für die Medizinerlaufbahn gibt es in unserem Karrierebereich.
Karrieremöglichkeiten mit Weiterbildung Schlafmedizin
Schlafmediziner/innen können in Kliniken, Schlaflaboren oder in Praxen tätig sein. Sie haben eine Vielzahl von Karrieremöglichkeiten zur Verfügung, um den wachsenden Bedarf an Schlafstörungs-Behandlung zu decken. Hier sind einige der häufigsten Karrierewege:
Klinik: Eine Möglichkeit ist, in Krankenhäusern oder Kliniken zu arbeiten, um Patienten/-innen mit Schlafstörungen zu behandeln. In einigen Krankenhäusern sind Schlaflabore angeschlossen. Hier werden Schlafstudien und andere Untersuchungen durchgeführt und Patienten/-innen intensiv betreut.
Ambulante Praxis: Eine andere Option ist eine Praxisgründung oder sich einer bestehenden Praxis anzuschließen, um Patienten/-innen mit Schlafstörungen zu behandeln. Die Arbeit in einer ambulanten Praxis bietet die Möglichkeit, die Schlafmedizin neben der eigentlichen Spezialisierung auszuüben. Auch in Hinblick auf Arbeitszeiten und -weisen bietet die Selbstständigkeit deutlich mehr Freiheiten.
Forschung: Wer sich für Forschung interessiert, kann neue Diagnose- und Behandlungsmethoden für Schlafstörungen entwickeln und testen. Die Anstellungsmöglichkeiten erstrecken sich von akademischen Forschungseinrichtungen über staatliche Einrichtungen bis hin zur privaten Industrie.
Zusätzliche Möglichkeiten zur Verbesserung von Karrierechancen und Einkünften bietet die Spezialisierung auf einzelne Krankheiten wie dem Schlafapnoe-Syndrom, Narkolepsie oder Insomnie.