
Als eine interdisziplinäre Wissenschaft verknüpft die Facharztausbildung Humangenetik medizinische Diagnostik, Therapie und Prävention von Erbkrankheiten mit molekularbiologischer Methodik und Forschung zur Orthologie und Pathologie der menschlichen Vererbung.
Inhaltsverzeichnis
Das Gebiet Humangenetik umfasst die Aufklärung, Erkennung und Behandlung genetisch bedingter und mitbedingter Erkrankungen einschließlich der humangenetischen Beratung von Patienten/-innen, Ratsuchenden und ihren Familien sowie den in der Gesundheitsversorgung tätigen Ärzten/-innen.
Facharztausbildung Humangenetik im Überblick
- Anzahl Fachärztinnen und -ärzte: In Deutschland gibt es nur 388 Fachärzte/-innen für Humangenetik, davon ist ein Großteil (61 Prozent) ambulant tätig, 30 Prozent arbeiten im Krankenhaus. Nur etwa 32 Prozent der ambulant tätigen Ärzte/-innen sind niedergelassen. Der Rest ist angestellt.
- Geschlechterverteilung: Das Fachgebiet der Humangenetik ist bei Ärztinnen sehr beliebt. Rund 65 Prozent der Fachärzte/-innen sind weiblich.
- Dauer: Die Facharztweiterbildung Humangenetik beträgt insgesamt 60 Monate, was einem Zeitraum von 5 Jahren in Vollzeit entspricht.
Weiterbildung Humangenetik – Voraussetzungen
Um eine Facharztausbildung zu beginnen, muss zunächst das sechsjährige Medizinstudium erfolgreich absolviert werden. Wer danach seine Approbation beantragt und erhält, darf nun einer ärztlichen Tätigkeit nachgehen. Die Zeit als Assistenzarzt/-ärztin ist die Weiterbildungszeit, weswegen heute auch die Bezeichnung Arzt/Ärztin in Weiterbildung offiziell Verwendung findet. Nun kann im Fachgebiet der Wahl, in diesem Falle Humangenetik, eine Spezialisierung zum/zur Facharzt/-ärztin erfolgen.

Mehr Infos zur Tätigkeit als Humangenetiker/in und anderen Fachgebieten findet sich in unserer Übersicht aller Facharztrichtungen.
Dauer der Facharztausbildung Humangenetik
Die Facharztausbildung Humangenetik dauert insgesamt 60 Monate, was einem Zeitraum von 5 Jahren entspricht.
Die Weiterbildungszeit in der Humangenetik von 60 Monaten wird bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 der Musterweiterbildungsordnung absolviert. Davon müssen abgeleistet werden:
- 30 Monate in der humangenetischen Patientenversorgung
- 12 Monate in anderen Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung
- 12 Monate im molekulargenetischen Labor
- 6 Monate im zytogenetischen Labor
Mit Abschluss durch bestandene Facharztprüfung erhält man den Facharzttitel im Bereich Humangenetik.
Inhalte Weiterbildung Humangenetik
Folgende Weiterbildungsinhalte sind in der Weiterbildung zum Facharzt/-ärztin für Humangenetik zu durchlaufen. Bei den Zahlen in Klammern handelt es sich um Richtzahlen.
Übergreifende Inhalte der Facharzt-Weiterbildung Humangenetik:
- Wesentliche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien
- Ursache von Mutationen und Epimutationen sowie deren somatische Auswirkungen oder in der Keimbahn
- Bedeutung von Polymorphismen, Kopienzahlveränderungen und Mosaiken
- Numerische und strukturelle Chromosomenaberrationen sowie Symptomatik und Nosologie der wichtigsten angeborenen und erworbenen Chromosomenstörungen
- Populationsgenetik
- Prinzipien der Therapie genetisch bedingter Erkrankungen
Humangenetische Beratung:
- Besonderheiten humangenetischer Beratungsabläufe bei Risikopersonen mit spät manifestierenden nicht heilbaren Erkrankungen
- Berechnung von Erkrankungs- und Vererbungswahrscheinlichkeiten
- Indikationsstellung zur genetischen Diagnostik
- bei unerfülltem Kinderwunsch und bei Aborten
- bei genetisch bedingten bzw. mitbedingten Gesundheitsrisiken und Erkrankungen
- bei angeborenen Fehlbildungen und Krankheiten
- in der Schwangerschaft (Pränataldiagnostik, nicht invasive pränatale Testung, Präimplantationsdiagnostik)
- zu prädiktiven Gentests
- Humangenetische Beratung einschließlich der Erhebung der Familienanamnese in drei Generationen, Beurteilung und Erstellung einer Epikrise bei 50 verschiedenen Krankheitsbildern in Fällen (400), davon
- mit Manifestation in mehreren Systemen (syndromale Krankheitsbilder) bzw. bei angeborenen Fehlbildungen (150)
- monogene und komplexe Erbgänge (50)
- zytogenetische (numerische und strukturelle Chromosomenaberrationen) und molekularzytogenetische Befunde (50)
- molekulargenetische Befunde (30)
- prädiktive molekulargenetische Befunde (20)
Beratung bei invasiver und nicht invasiver pränataler Diagnostik einschließlich Präimplantationsdiagnostik:
- Psychosoziale Betreuung von Schwangeren und ihren Partnern
- Invasive und nicht invasive Verfahren der Pränatal- und der Präimplantationsdiagnostik
- Teratogene Potentiale von physikalischen, infektiösen und chemischen Noxen
- Beurteilung und Beratung bei auffälligen Befunden in der Pränataldiagnostik (30)
Syndromologie:
- Phänotypanalyse, Terminologie und Bedeutung von Fehlbildungen und kleinen Anomalien einschließlich Dysmorphiezeichen
- Syndrom-Datenbanken
- Klinisch-genetische Abklärung und Beratung bei 25 verschiedenen a priori unklaren Syndromen in Fällen, davon mit
- Skelettfehlbildungen, Kraniosynostosen, Groß-/Kleinwuchs (10)
- syndromalen und nicht syndromalen Entwicklungsverzögerungen bei Kindern (30)
- chromosomal bedingten Syndromen (10)
- teratogenen Syndromen, Sequenzen und Assoziationen (5)
Stoffwechselkrankheiten und endokrine Störungen:
- Klinische Merkmale genetisch bedingter bzw. mitbedingter Stoffwechselkrankheiten und endokriner Störungen
- Möglichkeiten und Grenzen der biochemischen Diagnostik
- Neugeborenenscreening
- Differentialdiagnostische Abklärung, humangenetische Beratung und ggf. Koordination der Betreuung von Patienten bzw. Familien mit genetisch bedingter bzw. mitbedingter Stoffwechselkrankheit oder endokriner Störung (10)
Erkrankungen von Haut, Haaren, Zähnen und Bindegewebe:
- Klinische Merkmale genetisch bedingter bzw. mitbedingter Krankheiten an Haut, Haaren, Zähnen und Bindegewebe
- Differentialdiagnostische Abklärung, humangenetische Beratung und Indikationsstellung zur weiterführenden Diagnostik von Patienten mit genetisch bedingten bzw. mitbedingten Erkrankungen des Bindegewebes sowie des ektodermalen Gewebes (10)
Neurologische und neuromuskuläre Erkrankungen sowie Muskelerkrankungen:
- Genetische Grundlagen von Fehlbildungen des zentralen Nervensystems
- Genetisch bedingte bzw. mitbedingte Erkrankungen des peripheren und zentralen Nervensystems sowie der Muskulatur
- Differentialdiagnostische Abklärung und humangenetische Beratung bei
- angeborenen Fehlbildungen des Nervensystems (5)
- neurologischen Erkrankungen (10)
- neurodegenerativen Erkrankungen des peripheren und zentralen Nervensystems (10)
- neuromuskulären und muskulären Erkrankungen (5)
Krankheiten der Niere und der ableitenden Harnwege:
- Genetische Grundlagen von Erkrankungen und Fehlbildungen der Niere und der ableitenden Harnwege
- Differentialdiagnostische Abklärung und humangenetische Beratung bei genetisch bedingten bzw. mitbedingten Erkrankungen mit Nierenbeteiligung (5)
Krankheiten von Auge und Ohr:
- Grundlagen und genetische Ursachen von syndromaler und nicht syndromaler Blindheit und Taubheit
- Grundlagen und genetische Ursachen von angeborenen Fehlbildungen von Auge und Ohr
- Differentialdiagnostische Abklärung und humangenetische Beratung bei genetisch bedingten bzw. mitbedingten Formen von Blindheit und/oder Taubheit (10)
Erkrankungen des Herzens und der Gefäße:
- Genetische Grundlagen von Fehlbildungen des Herzens
- Genetische Grundlagen von Gefäßerkrankungen
- Genetische Grundlagen von Kardiomyopathien und Ionenkanalerkrankungen
- Differentialdiagnostische Abklärung und humangenetische Beratung bei isolierten und syndromalen Fehlbildungen des Herzens und der Gefäße (5)
- Differentialdiagnostische Abklärung und interdisziplinäre Betreuung von Kardiomyopathien und Arrhythmien (5)
Erkrankungen des Blutes:
- Genetische Grundlagen von Blutgerinnungsstörungen
- Genetische Grundlagen von Störungen der Hämatopoese und Hämoglobinopathien
- Genetische Grundlagen der Erkrankungen des Immunsystems
- Differentialdiagnostische Abklärung und humangenetische Beratung bei Blutgerinnungsstörungen, Störungen der Hämatopoese, Hämoglobinopathien sowie von Erkrankungen des Immunsystems (10)
Tumorerkrankungen:
- Genetische Grundlagen von Tumordisposition, insbesondere Charakteristika monogener Tumordispositionssyndrome
- Grundlagen der somatischen Tumorgenetik und Tumorepigenetik einschließlich deren diagnostischer und therapeutischer Relevanz
- Differentialdiagnostische Abklärung, individuelle Risikoberechnung und humangenetische Beratung bei genetisch bedingter bzw. mitbedingter Tumordisposition, insbesondere bei monogenen Formen (50)
- Humangenetische Beratung zur diagnostischen und therapeutischen Relevanz genetischer und epigenetischer Veränderungen von Tumorzellen (10)
Infertilität/Aborte:
- Genetische Grundlagen des unerfüllten Kinderwunsches sowie rekurrierender Aborte
- Grundlagen der assistierten Reproduktion
- Differentialdiagnostische Abklärung und humangenetische Beratung bei Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch oder rekurrierenden Aborten (20)
Pharmakogenomik:
- Grundlagen der Bedeutung genetischer und epigenetischer Varianten für die Pharmakotherapie einschließlich der Companion Diagnostik
Diagnostische zytogenetische Verfahren:
- Grundlagen zytogenetischer, molekularzytogenetischer, Array-basierter und sequenzierungsbasierter Methoden zur Detektion struktureller chromosomaler Varianten, deren Aussagewert und Limitierung sowie Besonderheiten bei pränatalen, postnatalen und tumorgenetischen Fragestellungen
- Durchführung, Auswertung und Befunderstellung von Chromosomenanalysen (100), davon
- mit allen Kultivierungs- und Präparationsschritten (30), davon pränatal (10)
- FISH-Analysen an Interphasekernen sowie an Metaphasechromosomen (25)
- Mikroarray-Analysen einschließlich Datenbankrecherchen (25)
Diagnostische molekulargenetische Verfahren:
- Molekulargenetische Techniken, deren Aussagewert und Limitierung sowie Besonderheiten bei pränatalen, postnatalen und tumorgenetischen Fragestellungen
- Besonderheiten von Repeatexpansionserkrankungen und epigenetischen Aberrationen
- Durchführung, Auswertung und Befunderstellung von molekulargenetischen Untersuchungen bei monogenen, mitochondrialen, polygenen und multifaktoriell bedingten Krankheiten sowie bei somatischen Aberrationen bei mindestens 10 verschiedenen Krankheitsbildern und Genorten in Fällen (200), davon
- mit allen Laborschritten (40)
- Sequenzierung (100), davon Next Generation Sequenzierung (50)
- Kopienzahlbestimmung (z. B. mittels multiplex ligationsabhängiger Sondenamplifikation (MLPA) oder quantitativer Echtzeit PCR (qPCR)) (5)
- instabile Repeatexpansionen (5)
- epigenetische Analysen
- Durchführung von Analysen und Befunderstellung zum Nachweis somatischer Mutationen in verschiedenen Geweben, insbesondere Knochenmark, Tumorgewebe, peripheren Blutzellen und zellfreien Nukleinsäuren
Klinische Genomanalytik:
- Pathogenität von genetischen und epigenetischen Veränderungen und deren klinische Bedeutung
- Anwendung von Softwaretools zur Wertung von genetischen bzw. epigenetischen Varianten (50)
- Anwendung von Datenbanken zur klinischen Interpretation genetischer bzw. epigenetischer Varianten (50)
Facharztausbildung Humangenetik – Logbuch
Das Ausbildungslogbuch ist ein verpflichtender Bestandteil im Rahmen der Facharztausbildung Humangenetik.
Es muss komplett ausgefüllt und unterschrieben an die zuständige Ärztekammer geschickt werden, nachdem alle Inhalte der Weiterbildung Humangenetik erfolgreich durchlaufen und dort eingetragen wurden. Das Logbuch enthält alle Informationen zum Ablauf des Weiterbildungsgangs Humangenetik sowie alle dokumentierten Inhalte und Kenntnisse, die im Rahmen der Facharztausbildung vermittelt wurden. Mit der neuen Weiterbildungsordnung wird auch das Führen eines digitalen eLogbuchs verpflichtend. Die Registrierung und Anmeldung für das eLogbuch kann man über die Online-Portale der Landesärztekammern durchführen.
Die Bundesärztekammer bietet ein Muster-Logbuch Humangenetik zum Download an.
Zusatz-Weiterbildungen für Humangenetiker/innen
Assistenzärzte/-innen können teilweise schon innerhalb der Weiterbildungszeit Zusatz-Weiterbildungen in diesen Bereichen absolvieren:
Im Anschluss an die erfolgreiche Facharzt-Weiterbildung Humangenetik können Humangenetiker/innen auch Zusatzbezeichnungen erwerben. Da die Humangenetik als Fach in der direkten Patientenversorgung gezählt wird, können folgende Zusatzweiterbildungen von Fachärzten/-innen für Humangenetik absolviert werden:
- Akupunktur
- Andrologie
- Balneologie und Medizinische Klimatologie
- Betriebsmedizin
- Ernährungsmedizin
- Flugmedizin
- Hämostaseologie
- Immunologie
- Infektiologie
- Klinische Akut- und Notfallmedizin
- Krankenhaushygiene
- Magnetresonanztomographie
- Manuelle Medizin
- Naturheilverfahren
- Phlebologie
- Physikalische Therapie
- Psychotherapie
- Rehabilitationswesen
- Sexualmedizin
- Sozialmedizin
- Spezielle Schmerztherapie
- Sportmedizin
- Suchtmedizinische Grundversorgung
Karriere als Facharzt/-ärztin für Humangenetik
Die Humangenetik ist durch die Weiterentwicklung der Diagnostikmöglichkeiten sowie der immer mehr zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten ein immer gefragteres Fach, sodass die Karrierechancen für Humangenetiker/innen sehr gut sind. Für Fachärzte/-innen für Humangenetik kommt dabei sowohl eine Tätigkeit im Krankenhaus als auch in der Niederlassung in Frage.

Als Humangenetiker/in in der Praxis
Attraktiv an der Arbeit in einer Praxis ist die Möglichkeit, der/die eigene Chef/in zu sein und damit das eigene Gehalt maßgeblich selbst zu beeinflussen, sowie eigene unternehmerische Entscheidungen treffen zu können. Da die Humangenetik noch ein recht junges Fach ist und viele Patienten/-innen nur zur vorübergehenden Betreuung in die Praxis kommen, muss in vielen Fällen eine neue Praxis gegründet werden. Gerade in Großstädten gibt es jedoch oft schon etablierte humangenetische Beratungsstellen, entweder als eigenständige Praxis oder in einem MVZ. Interessierte können hier schon während der Facharztweiterbildung Kontakte suchen.
Das Krankenhaus als Arbeitsplatz für Humangenetiker/innen
Insbesondere Unikliniken bieten oft eigene humangenetische Sprechstunden an. Viele Assistenzärzte/-innen sind hier schon während der Weiterbildungszeit angestellt, sodass es nahe liegt, hier zumindest vorübergehend auch als Facharzt/-ärztin tätig zu sein. Die diagnostischen Möglichkeiten sind in großen Krankenhäusern besonders groß und auch die Zusammenarbeit mit Kollegen/-innen anderer Fachdisziplinen fällt hier enger aus als im ambulanten Bereich. Wer sich für die Arbeit an einer Uniklinik entscheidet, hat hier gute Aufstiegschancen und kann nebenbei noch forschenden Tätigkeiten nachgehen. Die Lehrtätigkeit kann für viele eine spannende Abwechslung zum Stationsalltag darstellen und macht die Arbeit in Lehrkrankenhäusern besonders attraktiv. Für besonders Interessierte kann eine akademische Karriere mit einer Professur in Frage kommen.
Passende Stellen für Fachärzte/-innen Humangenetik
praktischArzt ist die große Jobbörse für Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. Informationen zum Facharzt-Gehalt für Humangenetiker/innen finden sich in unserem Karrierebereich. In der Stellensuche sind täglich zahlreiche Weiterbildungsstellen Humangenetik sowie Humangenetik-Stellenangebote für Facharzt/-ärztin, Oberarzt/-ärztin und Chefarzt/-ärztin gelistet.










