Die Zusatzausbildung in forensischer Psychiatrie ist eine spezialisierte Weiterbildung, die Fachärzten/-innen im Bereich der Psychiatrie ein vertieftes Verständnis für die Schnittstelle zwischen psychischer Gesundheit und dem Rechtssystem vermittelt. Diese einzigartige Ausbildung bereitet die Fachärzte/-innen darauf vor, psychische Störungen und Verhaltensweisen von Personen zu analysieren, die mit dem Strafrecht in Verbindung stehen. Die forensische Psychiatrie befasst sich mit der Beurteilung von Straftätern/-innen, der Feststellung ihrer psychischen Zustände und der Einschätzung ihrer Gefährlichkeit für sich selbst und die Gesellschaft.
Inhaltsverzeichnis
Die forensische Psychiatrie spielt eine wichtige Rolle in verschiedenen Bereichen des Rechtssystems, einschließlich Strafverfolgung, Gerichtsverfahren, Gefängniswesen und der Begutachtung von Opfern von Gewaltverbrechen. Sie trägt dazu bei, die Sicherheit der Gesellschaft zu gewährleisten, indem sie durch professionelle Beurteilungen und Behandlungen das Risiko von Wiederholungstaten verringert.
Schwerpunkt Forensischen Psychiatrie im Überblick
- Anzahl Fachärztinnen und -ärzte: In Deutschland haben 334 Psychiater/innen bzw. Psychotherapeuten/-innen eine Schwerpunkt-Weiterbildung in Forensischer Psychiatrie abgeschlossen. Davon sind 288 berufstätig (Stand 12/2022), wobei der Großteil mit 155 Ärzten/-innen im stationären und 51 im ambulanten Bereich beschäftigt sind. 19 arbeiten bei Behörden, 63 in sonstigen Bereichen.
- Geschlechterverteilung: Im Schwerpunktbereich Forensische Psychiatrie arbeiten 73 Frauen und 82 Männer
- Dauer: Die Schwerpunkt-Weiterbildung Forensische Psychiatrie dauert 24 Monate.
Das Fachgebiet Forensische Psychiatrie
Die forensische Psychiatrie untersucht die Schnittstelle zwischen Psychiatrie und Rechtswissenschaften und befasst sich mit der Anwendung psychiatrischer Kenntnisse und Methoden auf Fragen des Strafrechts und der Justiz. Das Hauptziel der forensischen Psychiatrie besteht darin, die psychische Gesundheit von Personen zu bewerten, die mit dem Rechtssystem in Berührung gekommen sind, sei es als Täter/innen, Opfer oder Zeugen/-innen von Straftaten.
Forensische Psychiater/innen arbeiten eng mit juristischen Fachleuten wie Richtern/-innen, Anwälten/-innen und Strafvollzugsbehörden zusammen, um psychiatrische Gutachten zu erstellen und Informationen bereitzustellen, die bei rechtlichen Entscheidungen berücksichtigt werden. Sie untersuchen die psychische Verfassung von Straftätern/-innen, bewerten ihre Zurechnungsfähigkeit, ihre Gefährlichkeit für sich selbst oder andere, sowie ihre Fähigkeit, vor Gericht auszusagen. Diese Gutachten sind von großer Bedeutung, um fundierte und gerechte Urteile zu ermöglichen und angemessene Maßnahmen im Strafvollzug oder der Unterbringung in forensischen Einrichtungen zu treffen.
Die forensische Psychiatrie befasst sich auch mit der Behandlung und Rehabilitation von Straftätern/-innen mit psychischen Störungen. Hierbei geht es nicht nur darum, die zugrundeliegende psychische Erkrankung zu behandeln, sondern auch darum, den Umgang mit kriminellen Verhaltensweisen zu bewältigen und Rückfällen vorzubeugen. Die Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen wie Kriminologie, Sozialarbeit und forensischer Pathologie ist ebenfalls von großer Bedeutung, um ein umfassendes Verständnis der individuellen Fälle zu erlangen.
Voraussetzungen und Dauer der Schwerpunkt-Weiterbildung Forensische Psychiatrie
Um an einer Schwerpunkt-Weiterbildung in forensischer Psychiatrie teilnehmen zu können, muss man eine gültige Approbation besitzen und die Weiterbildung Facharzt/-ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie erfoglreich durchlauf werden. Die Dauer der Schwerpunkt-Weiterbildung in der forensischen Psychiatrie beträgt zwei Jahre.
Inhalte der Weiterbildung Forensische Psychiatrie
Folgende Inhalte sind laut Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer (MWBO) während der Schwerpunktausbildung zu durchlaufen. Dabei ist zu beachten, dass die MWBO lediglich zur Orientierung dient, da die zuständigen Landesärztekammern nicht daran gebunden sind und es so zu Unterschieden zwischen den Weiterbildungen je nach Bundesland kommen kann. Inhalte unterscheiden sich hinsichtlich theoretischen und praktischen Kenntnissen bzw. Fertigkeiten.
Übergreifende Inhalte der Schwerpunkt-Weiterbildung Forensische Psychiatrie
- Ethische und rechtliche Grundlagen im Umgang mit psychisch kranken, gestörten und behinderten Menschen
- Grundlagen der Einweisung in den Maßregelvollzug einschließlich subsidiärer Maßnahmen unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften
- Behandlung im Maßregelvollzug gemäß Strafgesetzbuch
- Risk-Assessment-Gutachten
- Gutachtenerstellung zur Schuldfähigkeit unter Anwendung der Terminologie juristischer Eingangsmerkmale
- Zivil-, Betreuungs- und Unterbringungsrecht einschließlich Geschäftsfähigkeit, Testierfähigkeit, Prozessfähigkeit
- Beurteilung von Geschäftsunfähigkeit, Testierunfähigkeit, betreuungsrechtlicher Unterbringung
Forensisch-psychiatrische Begutachtung
- Beurteilung der Schuldfähigkeit und Anwendung einer Maßregel, davon bei Heranwachsenden nach Jugendstrafrecht
- Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen und Zeugentüchtigkeit
- Beurteilung der Verhandlungs-, Haft- und Vernehmungsfähigkeit
- Beurteilung der Rückfall- und Gefährlichkeitsprognose (Risk-Assessment) bei Straftätern im Strafvollzug und im Maßregelvollzug einschließlich Anwendung aktuarischer Risk-Assessment-Verfahren
Behandlung psychisch kranker und gestörter Straftäter
- Diagnostik und Therapie von Straftätern im Maßregel- oder Strafvollzug einschließlich sozialtherapeutischer Anstalten sowie der Erstellung von Behandlungsplänen und der Abfassung von epikritischen Verlaufsbeurteilungen
- Erstellung einer Delikthypothese
- Relevante Risikofaktoren und Risiko mindernde Therapiemaßnahmen
- Durchführung gerichtlich angeordneter psychiatrisch-psychotherapeutischer Therapiemaßnahmen im Maßregelvollzug und Strafvollzug einschließlich der Behandlung von Menschen mit Psychosen und Persönlichkeitsstörungen
- Beurteilung und Behandlung von Störungsbildern wie aggressives Verhalten, sexuell abweichendes Verhalten, Suizidalität, Intoxikationssyndrome
- Besonderheiten der Psychotherapie und Pharmakotherapie bei psychisch kranken Straftätern
- Indikationsstellung und Durchführung der differentiellen Pharmakotherapie sexueller Präferenzstörungen
- Indikationsstellung und Durchführung der differentiellen Pharmakotherapie bei ADHS und bei Impulskontrollstörungen
Prüfung und Abschluss im Schwerpunkt Forensische Psychiatrie
Die genaue Ausgestaltung der Schwerpunktprüfung zur Weiterbildung Forensische Psychiatrie kann je nach Bundesland variieren. Die Dauer der Abschlussprüfung darf 30 Minuten nicht unterschreiten und erfolgt meist in mündlicher Form. Hierbei können Fallpräsentationen, Diskussionen über forensische Gutachten oder Simulationen von forensischen Situationen Teil der Prüfung sein.
Die Prüflinge können auch ihre praktischen Fähigkeiten und Kenntnisse in der forensischen Psychiatrie durch das Erstellen forensischer Gutachten beweisen, klinische Einschätzungen von Straftätern/-innen durchführen oder an interdisziplinären Fallbesprechungen teilnehmen. In einigen Bundesländern kann es erforderlich sein, dass die Prüflinge eine Forschungsarbeit oder ein Projekt im Bereich der forensischen Psychiatrie durchführen und die Ergebnisse vor einer Prüfungskommission präsentieren.
Logbuch Forensische Psychiatrie
Das Ausbildungslogbuch ist ein wichtiger Bestandteil im Rahmen der Facharztausbildung Forensische Psychiatrie und muss nach der Ausbildung komplett ausgefüllt und unterschrieben an die zuständige Ärztekammer geschickt werden. Es enthält den kompletten Weiterbildungsgang Forensische Psychiatrie sowie alle darin dokumentierten Inhalte und Kenntnisse, die im Rahmen der Weiterbildung erworben wurden.
Karrieremöglichkeiten als Forensische/r Psychiater/in
Als forensische/r Psychiater/in eröffnen sich vielfältige Karrieremöglichkeiten:
- Forensische Psychiatrie in Kliniken und Einrichtungen
- Gerichtliche Gutachter/innen
- Forschung und Lehre
- Forensische Beratung und Beratungsdienste
Gehaltsperspektiven als Forensische/r Psychiater/in
Die Gehaltsperspektiven für Forensische Psychiater/innen hängen von verschiedenen Faktoren ab, z.B. dem Bundesland, der Erfahrung, dem/-r Arbeitgeber/in und der individuellen Qualifikation. Die tatsächlichen Gehälter können also stark variieren. Wer aber bei einem Arbeitgeber mit Tarifbindung arbeitet, erhält ein Facharzt-Gehalt nach Tarif. Darüber hinaus können Zusatzleistungen wie Boni und Zuschläge variieren. Daher sind die folgenden Informationen allgemeiner Natur und basieren auf Durchschnittswerten.
In Deutschland liegt das Gehalt eines/-r forensischen Psychiaters/-in im Durchschnitt zwischen 8.000 und 20.000 Euro brutto. In höheren Positionen oder bei der Leitung einer forensischen Einrichtung kann das Gehalt entsprechend höher ausfallen. Und: Gutachten für Gerichte werden i.d.R. extra bezahlt. Deren Erstellung bringt je nachdem zwischen 2.000 und 3.000 Euro brutto zusätzlich ein.
Häufige Fragen zur Weiterbildung Forensische Psychiatrie
- Was ist Forensische Psychiatrie?
- Wie erhält man die Bezeichnung Forensische/r Psychiater/in?
- Wie lange dauert die Weiterbildung im Schwerpunkt Forensische Psychiatrie?
Forensische Psychiatrie ist ein medizinisches Schwerpunktgebiet, das sich mit der Schnittstelle zwischen Psychiatrie und Rechtswissenschaften befasst. Es kombiniert Kenntnisse und Prinzipien der Psychiatrie mit rechtlichen Aspekten, um Fragen im Zusammenhang mit psychischen Störungen und kriminellen Handlungen zu untersuchen und zu beantworten. Das Hauptziel der forensischen Psychiatrie ist es, die psychische Gesundheit von Personen zu bewerten, die in das Strafjustizsystem involviert sind, z.B. die Beurteilung der geistigen Gesundheit, der Schuldfähigkeit, der Gefährlichkeit, der Rückfallgefahr und der Behandlungsbedürftigkeit von Straftätern/-innen.
Als Facharzt/-ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie kann man die Schwerpunkt-Weiterbildung für Forensische Psychiatrie absolvieren.
Die Dauer der Zusatzweiterbildung Forensische Psychiatrie beträgt i.d.R. zwei Jahre. Dabei hängt die tatsächliche Dauer der Weiterbildung auch von individuellen Faktoren wie der persönlichen Arbeitsbelastung, dem Fortschritt des/-r Lernenden und den spezifischen Anforderungen des Ausbildungsprogramms ab.
- Bundesärztekammer, (Muster-) Weiterbildungsverordnung, https://www.bundesaerztekammer.de/... (Abrufdatum 15.11.2023)
- Bundesärztekammer, Ärztestatistik 2022, https://www.bundesaerztekammer.de/... (Abrufdatum 15.11.2023)